OOPS, THEY DID IT

Lotus zündete 2017 ein Feuerwerk an überarbeiteten Modellen. Letzte und schnellste Neuheit des Jahres ist der Exige Cup 430.

Elise Cup, Exige 380 Cup, Evora GT430? Lotus pflegt seine drei Modelllinien in einer Kadenz, dass man sich vor lauter Tempo auf einer Runde auf dem berühmten Lotus-eigenen Test-Track hinter der Fabrik wähnt. Genau hier sorgte die letzte Neuheit der britischen Sportwagenmanufaktur jüngst für einen neuen Rekord und die beste Rundenzeit, die ein voll homologierter, strassenzugelassener Lotus auf dieser Piste je erreicht hat. Mit einer Zeit von 1.24.8 ist der Exige Cup 430 eine satte Sekunde schneller als der Evora GT430 und gar eine Sekunde und zwanzig Hundertstel schneller als das minimalistische Track Car Lotus 311 und der damit zeitgleiche Exige 380 Cup. Wie Lotus betont, gewinnt der Exige 430 derweil nicht mit seiner schieren Höchstgeschwindigkeit – hierin schlägt sich der weit aerodynamischere Evora viel besser –, sondern dank dem Handling des knapp über eine Tonne wiegenden Exige. Allerdings hat die Aerodynamik beim Exige (sein cw-Wert sank von neolithischen 0.45 auf 0.42, was noch immer kein Glanzwert ist) dennoch einen entscheidend-positiven Einfluss auf diese Tatsache. Der Wagen produziert bei Höchstgeschwindigkeit 220 kg Abtrieb, 45 % davon auf der Vorderachse. Somit erklärt sich auch der exorbitant hohe Luftwiderstandsbeiwert. Die Höchstgeschwindigkeit des Exige Cup 430 liegt bei 180 mph, also rund 289 km/h. Der Evora GT430 Sport,  ganz ohne Flügel und einige wesentliche Kilos schwerer, schafft es bei gleicher Leistung auf 315 km/h.

Mit dem Schuhlöffel eingepasst

War die Leistungssteigerung von 410 auf 436 PS beim Evora noch eine Frage anderer Abstimmung, so war das Mobilisieren zusätzlicher Pferde im Toyota-V6-Motor für den Einbau im Exige ein aufwendigeres Unterfangen. Das «kleine» Chassis bietet keinen Platz für den Ladeluftkühler über dem Motor, so wie beim Evora. Die Lotus-Ingenieure fanden die Lösung im Verschieben des Ladeluftkühlers nach vorne: auf der linken Seite vor dem Radhaus. Dazu galt es, das gesamte Rohrwerk der im Vorderwagen installierten Kühler neu zu konzipieren. Ein Nachteil dieser Anordnung ist das etwas höhere  Gewicht ausserhalb der Achsen, im Gegensatz zu den leistungsschwächeren Geschwistern mit 350 respektive 380 PS.

Damit wird womöglich das Handling ein klitzeklein wenig kompromittiert, die Mehrleistung von 56 PS und die Abstimmung des Fahrwerks von Nitron machen dies hingegen mehr als wett, und das Leistungsgewicht stieg auf eindrückliche 407 PS pro Tonne. Zur Erinnerung: Das Chassis aus geklebten und genieteten Aluminium-Extrusionsteilen ist in seiner Grundkonzeption noch immer dasselbe wie in der 1996 erstmals vorgestellten Elise, damals mit aus heutiger Sicht bescheidenen 118 PS aus dem seligen Rover-K-Series-Achtzehnhunderter-Motor.

Viel Feinarbeit

Detailarbeit allenthalben, so wirkt auch der neuste Lotus auf den Betrachter. Tatsächlich gelang es, nochmals einige Kilos aus dem Wagen zu verbannen – eine Kernkompetenz der Sportwagenbauer in Norfolk (GB) –, und zwar durch die noch weiterreichende Verwendung von Kohlefaserkomponenten. Die Federgewichtsteile, zum Hauptteil von Komposit-Spezialisten Prodrive zugeliefert, finden sich nun buchstäblich rund um den Wagen. Wie CEO Jean-Marc Gales auf unsere Nachfrage verrät, könnte sich Lotus jedoch diese Kompetenz dereinst wieder unter das eigene Dach holen. Immerhin war der 13-fache Konstrukteurs- und Fahrerweltmeister der Formel 1 ein Pionier in Sachen Kunststoffe. 1957 zeigte man mit dem Elite den ersten selbsttragenden Serienwagen mit GFK-Aufbau. 1982 wiederum brachten die Briten, als zweites Team nach dem Konkurrenten McLaren ein Jahr zuvor, ein Monocoque in Kohlefaser-Verbundwerkstoff für den Lotus Type 91 in die Formel 1. Die Kontrolle über wichtige Zulieferteile sicherte sich Lotus beispielsweise bereits mit dem Kauf des ehemals externen Chassisherstellers.

Dass Lotus nach wie vor das gesamte Automobilbau-Handwerk versteht, auch wenn man sich bei Zulieferern bedient, beweist der durch Lotus erneut modifizierte Toyota-V6-Motor. Trotz identischer Leistung wie im Evora, blieb für den Exige im Prinzip nur der Motorblock gleich. Der gesamte Ansaugtrakt mit Kompressor wurde überarbeitet. Wie die Frage nach dem Ladeluftkühler, war dies vorwiegend den engen Platzverhältnissen geschuldet. Der Aufwand erklärt vielleicht auch die Entscheidung, warum Lotus wider Erwarten den Cup 430 nicht als limitierte Sonderserie, sondern als normalen Produktionswagen deklariert. Der Aufwand lässt sich so leichter amortisieren. Wie viel Feinarbeit in das Triebwerk eingeflossen ist, zeigt sich bei einer von Lotus stets bei Modellvorstellungen praktizierten Vergleichsfahrt sowohl auf der Piste als auch auf der Stras­se. Ist der bereits im Leerlauf eindrücklich brabbelnde, quer hinter der Kabine eingebaute Treibsatz beim Ausdrehen auf der Piste ein extrem agiler, perfekt am Gas hängender Rennmotor, so lässt es sich mit demselben Auto auch anstandslos im fünften Gang mit 30 mph durch die malerischen Dörfer tuckern, nur um am Ortsausgang innert kürzester Zeit wieder auf 60 mph (96 km/h) zu sein – ohne einen Gang zu wechseln, wohlverstanden.

Gratwanderung

Der Exige Cup 430 zeigt zum wiederholten Male, dass es Lotus ernst ist mit   mehr Qualität bei geringerem Gewicht. Das früher übliche Scheppern der Türen ist komplett verschwunden, an dessen Stelle ist ein satter Klang getreten. Ebenso sind trotz den Gewichtseinsparungen keine roh wirkenden Plastikteile mehr zu sehen. Zudem fühlt sich in der Kabine alles fest zusammengefügt und solide an. Die Sitzschienen, früher eine wacklige Angelegenheit und deshalb jeweils Zeichen dafür, dass man in einem Lotus sitzt, sind einer zwei Kilogramm leichteren Variante gewichen. Dank ihnen sind aber die von Lotus inhouse gefertigten Sitze bombenfest mit dem Chassis verankert. Sie sind bei Bedarf jedoch leichtgängig verstellbar. Der Spagat zwischen angestrebter Gewichtseinsparung und gewonnener Solidität klappt somit ausgesprochen gut, auch wenn der Lotus sich diesbezüglich nie wie ein Porsche anfühlen wird. Aber das will wohl auch niemand.

Zu viele Neuheiten?

Jüngst regen sich auch Stimmen, an Neuheiten von Lotus sei es fast zu viel des Guten. Ein Schweizer Käufer eines limitierten Exige 380 Cup etwa war alles andere als erfreut, als wenige Wochen nach der lang ersehnten Auslieferung  seines vermeintlich leistungsstärksten Exige dieser vom just angekündigten 430er überflügelt wurde. Allerdings ist dies das Schicksal eines jeden Neuwagens, er wird von einem Nachfolger oder einer überarbeiteten Modellvariante überflügelt, früher oder später – bei Lotus war es heuer definitiv früher. Was man den Briten attestieren kann, selbst wenn man als Aussenstehender vielleicht die Übersicht etwas verloren hat: Die Marke ist quicklebendig. In Hethel (GB) weiss man zudem ziemlich genau, wo die eigenen Stärken liegen und nutzt diese auch konsequent. Mit der Übernahme von Lotus durch Geely darf man somit zuversichtlich sein, dass die Dynamik in Hethel nächstes Jahr noch zunehmen wird. Wir sind gespannt.

2 Kommentare

  1. Für Kunden und Händler ist dieses „Modellfeuerwerk“ ziemlich ärgerlich. Wer will schon bereits nach ein paar Wochen ein teuer bezahltes Auslaufmodell besitzen?
    Beispiel Topmodell Elise:
    S Cup, dann 220 Cup, dann 250 Cup, dann 250 Cup Facelift, dann 260 Cup. Was kommt im Januar? 280 Cup?

  2. ja, wenn man halt immer das neuste haben muss… Für den Gebrauchtwagen-Käufer ist das fantastisch, die Preise purzeln sowas von in den Keller 🙂

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