Wir haben uns bereits daran gewöhnt, dass verschiedene Marken eines Konzerns die gleiche Bodengruppe verwenden. Wenn aber von zwei Konkurrenten die Rede ist, wie das 2012 bei Opel und Peugeot der Fall war, dann ist das doch ungewöhnlich. Uwe Winter, bei Opel Chefingenieur für den Grandland X, erklärte uns an der vergangenen IAA in Frankfurt (D), wie es zur Zusammenarbeit der Blitz-Marke mit PSA kam, lange bevor die Übernahme zur Rede stand.
«Automobil Revue»: Worin unterscheidet sich der Opel Grandland X vom Peugeot 3008, von dem er direkt abstammt?
Uwe Winter: Zunächst möchte ich festhalten, dass wir sehr stolz darauf sind, dem Auto ein eigenständiges Design im Stil der heutigen Opel angezogen zu haben. Wir haben auch einige unserer eigenen Technologien übernommen wie das LED-Licht, den im Lenkrad integrierten Tempomaten oder das OnStar. Wir haben intensiv daran gearbeitet, ein Ambiente und die Ausstrahlung unserer Marke sicherzustellen.
Und bei der Technik?
Klar, auf der technischen Seite gibt es viele Ähnlichkeiten. Die Bodengruppe ist gleich, aber wir haben das Fahrwerk und die Lenkung nach unserem Gusto abgestimmt. Ich glaube, es ist ein sehr guter Kompromiss, gemeinsame Komponenten zu verwenden, aber dann das Fahrzeug markentypisch zu gestalten. Die gemeinsame Teilenutzung ist in der Automobilindustrie üblich.
Warum sollte ein Kunde den Grandland X dem Peugeot 3008 vorziehen?
Ich glaube, der Autokauf ist vor allem eine emotionale Entscheidung: Sie mögen ein Modell oder Sie mögen es nicht. Darüber hinaus vergleicht man die Eigenschaften, fragt sich, ob das Gesamtpaket attraktiv ist und es meinen Bedürfnissen entspricht. Wir sind überzeugt, dass wir mit dem Grandland X ein Auto anbieten, das die Wünsche der Käufer in dieser Klasse am besten erfüllt. Ich will mich nicht zur Arbeit der Kollegen von PSA äussern, ob sie ihre Sache gut oder schlecht gemacht haben. Die Zukunft wird dies weisen. Meiner Meinung nach ist es am wichtigsten, dass wir das bessere Produkt anbieten als die Konkurrenz. Das ist unser Hauptfokus. Der Grandland X ist typisch deutsch, während der 3008 als typisch französisch antritt. Die Leute werden sich, je nach Geschmack, für den einen oder den anderen entscheiden.
Erleichtert Ihnen das Teilen der Komponenten und Technologien das Leben?
Ja, denn es macht die Sache weniger komplex. Wir können die Entwicklungsprogramme und die Risiken verringern. Auf der anderen Seite war die Zusammenarbeit äusserst kompliziert für uns, weil wir an die Opel-Standards gewohnt waren. Wir mussten uns an die Gegebenheiten bei PSA gewöhnen und ihre Arbeitsweisen annehmen. Ich glaube, die Zusammenarbeit war am Ende äusserst bereichernd, weil wir viele intensive Diskussionen führten und uns gegenseitig geholfen haben. Wir mussten uns wiederholt mit unseren Methoden auseinandersetzen und den Kollegen erklären, warum wir etwas anders machen. Für mich bedeutete dies Mehrarbeit, deshalb habe ich heute mehr graue Haare …
Konnte man in die Entwicklung des Peugeot 3008 auch Opel-Elemente einbringen?
Ja, denn die beiden Unternehmen begannen bereits 2012 mit den Diskussionen zum Projekt, als Peugeot und Opel die gleichen Bedürfnisse in diesem Segment hatten. Man muss sich bewusst sein, dass wir in der Autoindustrie mehrere Modelle auf einer Plattform aufbauen müssen, sonst sind Verluste vorprogrammiert. Meist werden die Bedürfnisse zunächst aus der Marketingsicht abgewogen, bevor man die Techniker herbeizieht, welche über den passenden Unterbau entscheiden. In diesem speziellen Fall hat sich die Plattform von PSA als die am besten geeignete erwiesen, aber wir haben natürlich auch unsere eigenen Mittel untersucht.
Wann kommt die Allradvariante?
Ich sage normalerweise nichts zu künftigen Modellen. Wir haben beschlossen, zuerst mit einem Produkt auf dem Markt anzutreten, welches die Ansprüche der Kundenmehrheit erfüllt. Die Allradler sind eher für aktive Fahrer gedacht.
Dabei sind die Allradler in der Schweiz besonders beliebt.
Ich denke, die meisten Schweizer brauchen den Allrad nicht unbedingt. Neben dem Begehren und den Wünschen spielen auch die Finanzen eine Rolle. Es handelt sich um ein teures System, das sich nur wenige Leute leisten können. Das war der Grund, dass wir uns für eine Markteinführung mit dem Bewährten entschlossen haben, statt auf den Allradantrieb zu warten. Dieser wird folgen.
«Die gemeinsame Nutzung von Teilen ist in der Automobilindustrie üblich.»
Welche Unterschiede sind Ihnen aufgefallen bei der Zusammenarbeit mit den amerikanischen (GM) und den französischen Technikern?
Am bedeutendsten war die Kommunikationsschwelle. In Deutschland sind wir uns gewohnt, englisch zu sprechen, was die Transatlantik-Zusammenarbeit erleichtert. Auch in diesem Fall kann es Schwierigkeiten geben, denn ein Wort kann bei uns eine andere Bedeutung haben als in Nordamerika. Mit den französischen Kollegen ist das ähnlich. Ein Ausdruck wird in der firmeninternen Kommunikation gelegentlich anders angewendet. Ein Beispiel ist das SOP (Start Of Production); wir haben eine andere Auffassung davon, was zu einem bestimmten Datum bereit sein muss als die Kollegen von PSA. Als wir uns dessen bewusst wurden, lief das Projekt bereits seit zwei Jahren! Das war eine der Herausforderungen bei unserer Zusammenarbeit, aber es hat uns auch Fortschritte gebracht. Wir analysierten öfters die Arbeitsmethoden der Kollegen und hinterfragten unsere Prozesse, um die besten Lösungen zu finden. Um auf die ursprüngliche Frage zurückzukommen, die beste Zusammenarbeit zwischen den Ingenieuren betrifft die Daten, worauf ich grossen Wert lege. Die Techniker verstehen sich sofort, wenn sie die Zahlen vor Augen haben.
Wie wurden die Produktionsprozesse eingeleitet und die Qualitätsstandards festgelegt?
Als Erstes haben wir beim Gemeinschaftsprojekt das Potenzial abgeklärt. Dabei geht es nicht um die Definition der Produktionsabläufe, sondern um das Festlegen der Mindestanforderungen bei der Qualität. Diese Qualitätsziele sind im Vertrag zwischen den beiden Firmen geregelt, wie das in jedem Gemeinschaftsprojekt der Fall ist. Um festzustellen, ob die Ziele erreicht wurden, wird eine Transferzone definiert und das Fahrzeug macht einen Besitzerwechsel durch. Das Auto gehört nämlich zunächst dem Eigentümer der Produktionsstätte und wird dann vom Partner gekauft. Weil man nach dem Kauf nur sehr schwer Ungereimtheiten ausmerzen kann, wird die Übergabe von einem Unternehmen an das andere streng überwacht und kontrolliert. Die Teams der Qualitätskontrolle von Opel sind in der Produktion integriert (Anm. d. Red.: der Grandland X wird von PSA in Sochaux gebaut) und sie versichern sich täglich davon, dass die Standards eingehalten werden.