Ein Wohnzimmer auf Rädern!» Diese (über)strapazierte Metapher für ein gemütliches Interieur wurde wörtlich genommen. Das in Frankfurt (D) vorgestellte Concept Car «Symbioz» soll tatsächlich einem rollenden Wohnzimmer ähneln. Und Renault stellt sich dabei vor, dass es stolz mitten in der Wohnung thronen wird. Man kann darin lesen, fernsehen oder Freunde empfangen, genau wie im Wohnzimmer.
Um das Nebeneinander von Auto und Wohnung zu konkretisieren, hat sich Renault nicht einfach nur auf virtuelle Computeranimationen beschränkt, sondern hat dieses einzigartige Haus tatsächlich gebaut, nachdem das Lastenheft mehreren Architekturbüros vorgelegt wurde. «Wir haben schliesslich die Studie des Architektenbüros Marchi ausgewählt, denn sie hat sich nicht damit begnügt, ein Automuseum zu entwerfen», berichtet Laurens van den Acker, Designchef bei Renault. «Nach ihrem Konzept wird das Auto ein bewohnbares Zimmer, das sich je nach seiner Position im Haus verändert.»
In der Wohnung mutiert der geöffnete Symbioz zur Verlängerung einer Couch, wenn er geschlossen ist, wird er zu einem Raum, in dem man entspannen oder arbeiten kann. Wenn er den Fahrstuhl nimmt und bis aufs Dach des Hauses fährt, wandelt sich der Symbioz zu einer Hütte. Durch seine Mobilität verleiht das Auto dem Zuhause des Besitzers mehr Modularität. «Wir wollen das Automobil als Hightech-Objekt nicht länger in einem dunklen und schmutzigen Parkplatz im Untergeschoss lassen», sagt van den Acker lächelnd. «Wenn Sie ein Objekt für mehr als 50 000 Euro kaufen, wollen Sie dieses in Ihrer Nähe haben und nicht in den Keller stellen.»
Eine passende Batterie für zu Hause
Dabei hört die Integration aber nicht auf. Ganz im aktuellen Trend der totalen Vernetzung hat Renault ein Auto entworfen, das zum Ökosystem des Hauses gehört. Der elektrische Symbioz kann sich über Induktion aufladen, wenn er im Schlummermodus in der Wohnung steht.
Mehr noch, man kann sogar per Tastendruck auf der Steuerkonsole die Ladezyklen von Haus und Auto planen und optimieren. So kann das Haus, falls Sie eine lange Fahrt planen, seinen Stromverbrauch reduzieren und so die maximale Aufladung der Autoakkus ermöglichen.
Im Gegensatz dazu springt die Autobatterie ein, wenn es in der Wohnung zu einer Strompanne kommt und sichert so das Funktionieren sensibler Geräte (bspw. des Kühlschranks). «Wenn das Auto das Haus aufladen kann, wird es ein angenehmes Familienmitglied», erklärt der niederländische Designer. «Damit brechen wir mit dem Bild des schmutzigen Autos, das Energie verbrennt.» Ja genau, um im Familien-Kokon akzeptiert zu werden, muss das Auto sauber sein, und es reicht nicht aus, dass es sich die Räder am Türvorleger abstreift. Die Elektrifizierung ist somit eine unabdingbare Voraussetzung, damit diese Vision Sinn macht.
Beim Fahren ausruhen oder arbeiten
Auf der Strasse wird das Fahren zur Nebensache – soll aber laut Renault immer noch möglich sein –, der Innenraum kann daher für andere Aktivitäten genutzt werden. Diese werden sich aber nicht sehr stark von denen in den aktuellen öffentlichen Transportmitteln unterscheiden, erklärt Mathilde Bancon, Designerin für Farben und Stoffe bei Renault. «Jedes Mal, wenn sich ein neues Feld entwickelt, stellt man sich ausgefallene Anwendungen vor. In der Wirklichkeit werden wir in den Transportmitteln das Gleiche tun wie heute, wenn wir nicht fahren, beispielsweise arbeiten und schlafen.»
Warum wurde die Studie also nicht in diesem Sinne mit der Karosse eines Vans weiterentwickelt? «Zu Beginn des Projekts hatten wir tatsächlich einen Espace im Sinn», räumt Laurens van den Acker ein. «Dieser Karosserietyp bringt jedoch zu viele aerodynamische Zwänge mit sich, was sich negativ auf die Reichweite auswirkt. Deshalb haben wir auf eine flache und längere Form zurückgegriffen.» Vor allem nutzt die 4.70 m lange Limousine das Interieur bestens aus. «Die Kombination von elektrischem und autonomen Auto ist interessant, da man die Batterien nahezu überall verteilen kann», freut sich van den Acker. «Kommt noch hinzu, dass der Elektroantrieb um 60 % kleiner ist als ein Verbrennungsmotor.»
Vertraute Materialien
Um die Grenze zwischen Wohnraum und Fahrzeug so weit wie möglich verschwinden zu lassen, hat Renault Materialien verwendet, die im Hausbau typisch sind. «Wir haben versucht, typische Stilelemente des Wohnens in den Fahrzeuginnenraum zu bringen, indem wir vertraute Materialien wie Holz, Keramik oder Marmor verwendet haben. Nur die technische Verarbeitung unterscheidet sich, da sie in einem Objekt in Bewegung eingesetzt wird », erklärt Mathilde Bancon.
Der Marmor wird beispielsweise in Blättern bearbeitet und auf einer wabenförmigen Struktur angebracht. Die Sitzverkleidung aus einem aufgerauten Wollstoff erinnert an die Sessel eines Möbelgeschäfts. Der Innenraum bleibt im Übrigen erstaunlich nüchtern, laut Bancon eine bewusste Entscheidung: «Wir wollten eine ausgesprochene ‹Low Tech›-Umgebung schaffen, um die Wärme eines Hauses nachzuempfinden.»
Eine Serienversion im Jahr 2023
Die erste Umsetzung in einer vom Symbioz abgewandelten Serie dürfte 2023 auf die Strasse kommen, verspricht Renault. Schon Ende des Jahres werden Prototypen auf den Strassen unterwegs sein. Das Ökosystem «Auto und Haus» plant Renault bis 2030. Dabei hat das Unternehmen aus Boulogne-Billancourt (F) jedoch nicht vor, ins Immobiliengeschäft zu gehen. «Wir verkaufen Mobilität und keine Immobilität», scherzt Laurens van den Acker. De facto schliesst diese ziemlich verrückte Vision nach dem heutigen Stand aber die Bewohner grosser Städte aus, von denen die grosse Mehrheit in Wohnungen lebt. Angedacht sind jedoch auch «Vehicle to Grid»-Funktionen der elektrischen Fahrzeuge (siehe Folgetext) und vor allem, wie es van den Acker sagt: «Wir bewegen uns hier ein wenig im Reich der Träume, aber das ist ja auch das Ziel eines Concept Car.»