LIVE VOM HUNGARO-RING

Mein erstes Mal an einer internationalen Rennsportveranstaltung. Hoffentlich nicht das letzte Mal!

Am 1986 erbauten und knapp 4.4 km langen Hungaroring nordöstlich der ungarischen Hauptstadt Budapest fand also meine Rennsport-«Taufe» statt. Auf Einladung von Honda Motorsports durfte ich ein spannendes Racing-Weekend mit je zwei Rennen der WTCC (FIA World Touring Car Championship), der ETCC (FIA European Touring Car Cup) und des KLC (KIA Lotos Cup) hautnah miterleben.

Da darf man echt überall ran!

Als akkreditierter Journalist/Fotograf hatte ich tatsächlich Zutritt in die Boxengassen aller Hersteller, was ich bei Honda Motorsports während der WTCC-Rennen auch voll ausnutzte. Ich hätte ja echt nie erwartet, dass man als «Externer» so hautnah ans Renngeschehen rankommt.

Gut geöltes Uhrwerk

Jeder der drei Honda-Werksfahrer – Lokalmathador Norbert «Norbi» Michelisz aus Ungarn (Nummer 5), Tiago Monteiro aus Portugal (18) und und Ryō Michigami aus Japan (34) – hat seinen eigenen Standplatz in den Honda-Boxen, mit Namens-Stele und Porträt darauf. Obwohl das perfekt eingespielte Mechaniker- und Betreuungs-Team wie ein gut geöltes Uhrwerk bei jedem Piloten denselben Einsatz bringt, brandet jedes Mal ein ohrenbetäubender Lärm aus Rufen, Pfiffen und Vuvuzelas von der Hauptribüne auf, wenn der «Hungarian Hero» an die Boxe fährt. Als Aussenstehender, meinte ich zu merken, dass dieses Feuer auch die Wartungs-Crew zu einem Sondertempo anspornte. So wurde ich (anfangs) des öfteren genervt zur Seite geschubst, wenn ich fotografierend mal wieder einem Turbo-Radwechsel im Weg stand. Ich lernte schnell dazu!

«Ein Sportprogramm wie die WTCC ist ein feinmechanisches Räderwerk, und ich sorge mit meinem ‹Ölpintli› dafür, dass bei Honda alles rund läuft.»

William de Braekeleer, Manager Honda Motorsports Division

Bei Regen flitzen die Hondas

Während die Platzierungen von Tiago und Norbert nach den freien Trainings noch top waren – es herrschte eine regennasse Piste, was den mit dem maximalen Zusatzgewicht von je 80 kg «bestraften» Honda Civics WTCC zugute kam –, fielen sie in den Quali-Läufen aufgrund aufkommenden Sonnenscheins auf den zweiten bzw. fünften Startplatz zurück. Tiago lieferte ein atemberaubendes erstes Rennen und siegte souverän mit 0.7868 s Vorsprung vor Tom Chilton auf Citroën C-Elysée WTCC. Ryō Michigami rettete sich auf den elften Rang und «Norbi» schied leider in der siebten Runde aus – auf der Fan-Tribüne herrschte bleierne Enttäuschung. Das zweite Rennen beendeten Michelisz auf dem vierten, Monteiro auf dem fünften und Michigami auf dem 13. Rang.

Stars zum Anfassen

Mit Norbert hatte ich dann das Vergnügen eine Track Lap (Renn-Englisch für «Taxifahrt» in einem Serien-Civic S zu erleben; also Helm auf, rein ins Auto und angeschnallt. Während ich mich sogleich im lockeren Plauderton mit «Norbi» über seinen Heimatauftritt zu unterhalten begann, stand dieser nach der Ausfahrt aus der Boxengasse mal kräftig aufs Gas und sogleich noch beherzter auf die Bremse, sodass ich sofort vornerechts in den Gurten baumelte. «Oops, sorry!» kams grinsend vom Fahrersitz rüber. «No problem…» ächzte ich zurück, rang mir ein Lächeln ab und wusste, dass der Mann «Business» bedeutete. OK, gerade hinsetzen, Sicherheitsgurt nachspannen und mich auf den Lauf konzentrieren; Quatschen kann man auch später. Während die Piloten mit ihren echten Rennboliden auf Rundenzeiten von etwa 1:51 min. kommen, erreichte Norbert sogar mit dem Serien-Civic und meinen 90 kg «Schlachtgewicht» immer noch beeindruckende 2:24 min. Die G-Kräfte waren denn auch entsprechend; Achterbahnen werde ich künftig locker auf einer Backe absitzen.

In Tiago habe ich später am Tag, einen völlig entspannten, unprätentiösen und für jedermann zugänglichen Menschen kennengelernt. Von Starallüren keine Spur. Als ihn eine Familie mit einem Kind im Rollstuhl um ein Gruppenbild bat, hat er ohne zu Zögern geduldig mit seinen Fans posiert. Der stolze Vater, Edmar Monteiro, beobachtete die Szene lächelnd und meinte nur: «Mein Sohn ist immer für seine Fans da, er liebt sie, das war schon immer so!»

Wohin das Auge schweift

Eine Monster-Veranstaltung wie ein WTCC-/ETCC-/KLC-Weekend findet natürlich nicht «nur» auf dem Track statt, sondern da gibts an jeder Ecke etwas zu entdecken – und damit meine ich nun nicht bloss das leckere Catering im Honda-Village.

Erwartungsgemäss, trippeln überall langbeinige Schönheiten übers Gelände und geben so dem Männer- und Techniklastigen Umfeld einen willkommen weiblichen Touch. Während die Nase verbranntes Rennbenzin schnuppert, switcht das Auge unschlüssig zwischen den Asphaltkurven mit Rennboliden drauf und – na ja … – «anderen Kurven» mit Werbeaufschriften drauf hin und her. Man ist ja auch nur ein Mann …

Aber auch Skurriles, wie der «Norbi»-Fan mit Civic-Hut, die elektrische Spielautorennbahn oder die computerisierten Renn-Simulatoren zogen mich in ihren Bann.

Jederzeit wieder!

Am Ende des Tages liess der absolut souveräne ETCC-Doppelsieg von Christjohannes Schreiber (Nummer 91) auf Honda Civic vom Rennstall Rikli Motorsport aus dem bernischen Wangen a. A. meinen Adrenalinpegel ein letztes Mal in den roten Bereich schnellen. Besser hätte mein Rennsport-Einstands-Weekend wahrlich nicht laufen können; jederzeit gerne wieder!

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