Die Elektrifizierung der Mobilität kommt – auf die eine oder andere Weise –, da sind sich alle einig. Und dass dies nur mittels mobiler Stromspeicher – potenten Batterien – geschehen kann, ist ebenfalls unbestritten. Aktuell hadert aber jeder namhafte Autobauer wie auch die zahlreichen Newcomer und Start-ups mit demselben Grundproblem: dass nämlich die zur Verfügung stehenden Batterien eigentlich zu schwach, zu schwer und zu teuer für einen Breiteneinsatz in einem vom Verbraucher akzeptierten praxistauglichen E-Auto sind. Pioniere wie Tesla verbauen bspw. sagenhafte 600 kg Lithium-Ionen-Akkus in ihre Edel-Stromer, um damit realistische 400 km weit fahren zu können, wofür dann aber auch mindestens 80 000 Fr. fällig werden.
25 Jahre Li-Ion
Der bewährte Lithium-Ionen-Akku ist inzwischen rund 25 Jahre alt und lässt sich durchaus noch eine Weile optimieren, allerdings mit immer grösserem Aufwand. Ein Nachteil dieser Technologie im Auto ist dessen Gewicht und Raumbedarf: Hunderte bis Tausende von separaten Batteriezellen – im Tesla Model S mit 85-kW/h-Batterie sind es deren sagenhafte 7104! –, jede von einem eigenen Gehäuse umhüllt, sind über Anschlüsse und Leitungen mit dem Auto verbunden und müssen von Sensoren überwacht werden. Gehäuse und Kontakte nehmen dabei über die Hälfte des Platzes ein, und an den Anschlüssen der Zellen entstehen elektrische Widerstände, welche die Leistung reduzieren. Lithium als Rohstoff ist zudem nicht in unbegrenzten Mengen verfügbar und, als sehr reaktives Material, in Kombination mit flüssigen oder gel-artigen Elektrolyten auch nicht unproblematisch – man erinnere sich nur an die explodierenden Akkus der Samsung-Galaxy-Note-7-Phablets.
Projekt «Embatt»
Am Fraunhofer-Institut für Keramische Technologien und Systeme (IKTS) in Dresden (D) hat man nun im Rahmen des Projekts «Embatt» (Embedded Battery: Eingebettete Batterie) das von Brennstoffzellen bekannte Bipolar-Prinzip auf die Lithium-Ionen-Batterie übertragen. Einzelne Batteriezellen sind dabei nicht mehr kleinteilig getrennt, sondern grossflächig direkt übereinander gestapelt. Der gesamte Aufbau für Gehäuse und Kontaktierung fällt somit weg. So passen mehr Batterien ins Auto und können direkt ins Chassis integriert werden. Durch die direkte Verbindung der Zellen im Stapel fliesst der Strom dann über die gesamte Fläche der Batterie. Der elektrische Widerstand wird dadurch erheblich reduziert, und die Energie kann sehr schnell abgegeben und wieder aufgenommen werden, was rasche Beschleunigungsvorgänge und kurze Ladezeiten erlaubt. «Durch unser neues Packaging-Konzept hoffen wir, mittelfristig die Reichweite von Elektroautos auf bis zu 1000 km zu steigern», sagt Dr. Mareike Wolter, Projektleiterin am IKTS. Im Labor funktioniere der Ansatz bereits.
Wichtigster Bestandteil der Batterie ist die Bipolar-Elektrode, eine metallische Folie, die mit keramischen Speichermaterialien und Polymeren in Form einer Suspension im Rolle-zu-Rolle-Verfahren beidseitig beschichtet wird, wodurch eine Seite als Anode und die andere als Kathode fungiert. Die beiden Aktivmaterialien Lithium-Titanat an der Anode und Lithium-Nickel-Mangan-Spinell an der Kathode erreichen hohe Zellspannungen, sind langlebig und weisen eine hohe Energiedichte von 0.5 kWh/l auf (vgl. auch Tabelle). Erste Tests im Fahrzeug streben die Forscher bis 2020 an.
Auch die Schweizer Empa mischt ganz vorne mit
Ein vom Schweizerischen Nationalfonds (SNF) gefördertes Projekt bei der Eidg. Materialprüfungs- und Forschungsanstalt (Empa) erforscht neue Materialien für wiederaufladbare Batterien, die langfristig die heutigen Lithium-Ionen-Akkus ersetzen sollen. Das Team unter der Leitung von Arndt Remhof konnte belegen, dass Natrium und Magnesium für die Entwicklung neuer, auf Feststofftechnologien basierender Zellen geeignet sind. Dies ist äusserst anspruchsvoll, denn die Ionen – ob Lithium, Natrium oder Magnesium – müssen sich in diesem festen Umfeld zwischen den Elektroden bewegen können, um Strom zu erzeugen. Den Forschern gelang die Entwicklung fester Elektrolyte, die eine kristalline chemische Struktur aufweisen, aber dennoch die Mobilität der Natriumionen bereits ab 20 °C gewährleisten. Der Elektrolyt ist zudem nicht brennbar und bleibt bis zu 300 °C chemisch stabil, was ihn besonders sicher macht.
Als eine der beiden Komponenten von Kochsalz ist Natrium – im Gegensatz zu Lithium – nahezu unbegrenzt verfügbar. «Die Verfügbarkeit ist unser stichhaltigstes Argument», sagt der Erstautor der Forschungsarbeit Léo Duchêne von der Empa. «Allerdings speichert Natrium bei gleichem Gewicht weniger Energie als Lithium. Es dient daher als ideale Alternative, wenn die Grösse des Speichermediums für die Anwendung unerheblich ist.» Diese Technologie könnte also typischerweise für kostengünstige Stromspeicher im stationären Umfeld, bspw. in Wohnhäusern, zur Anwendung kommen, weniger jedoch für die E-Mobilität.
Das gleiche Team hat auch einen Festelektrolyt für Magnesium entwickelt, dessen Ionen bei Temperaturen unter 400 °C allerdings schwierig in Bewegung zu versetzen sind. Magnesium ist aber leicht, in grossen Mengen verfügbar und kann nicht explodieren. Was noch wichtiger ist: Magnesiumionen sind zweifach positiv geladen, LithiumIonen dagegen nur einfach, was bedeutet, dass Magnesium bei gleichem Volumen fast die doppelte Energiemenge speichern kann. Hallo Auto-Akku! – Obwohl der Elektrolyt der Empa bereits bei 70 °C eine gute Leitfähigkeit erreicht, ist man gemäss Versuchsleiterin Elsa Roedern «von einem kompletten, funktionstüchtigen Prototyp noch weit entfernt».
Auch bei Swatch tickt eine Superbatterie
Die Swatch-Group-Tochter Belenos im basellandschaftlichen Itingen befindet sich, zusammen mit der ETH Zürich, in einer bereits rund zehnjährigen Entwicklung einer wiederaufladbaren Batterie auf der Basis von Vanadium-Pentoxid (V2O5). Mit dem blaugrünen Pulver lies-se sich eine Leistungssteigerung von 30 % («konservativ!») gegenüber bisherigen Technologien erreichen, bei gleichzeitig doppelter Lebensdauer sowie halber Ladezeit und die Leistung stehe bei grösserer Sicherheit der Zellen dennoch schneller zur Verfügung, was wichtig fürs Beschleunigen sei, schwärmt Swatch-Chef Nick Hayek. Belenos halte 23 Patente bei der Kathode, während die Anode und der Elektrolyt aus Standardtechnologien abgeleitet und deren Produktion zwecks Kostensenkung ausgelagert seien.
Seit März dieses Jahres werden in China die ersten Autos mit V2O5-Batterien getestet. Swatch plant, mit der neuen Batterietechnologie, inklusive deren Verkauf an andere Hersteller, bereits ab 2020 einen Umsatz von 10 bis 15 Mia. Franken zu erreichen.
Teslas Gigafactory und andere …
In Nevada (USA) hat Tesla-Chef Elon Musk Anfang Januar die gemeinsam mit Panasonic gebaute Gigafactory in Betrieb genommen. In der Endausbaustufe sollen in dieser weltgrössten Fabrik auf einem Quadratkilometer mehr Akkus produziert werden, als es der gegenwärtigen Weltproduktion entspricht. Anfänglich wurden dort mit klassischer Lithium-Ionen-Technologie stationäre Energiespeicher gebaut, seit dem zweiten Quartal dieses Jahres nun auch die Batterien für Teslas E-Autos. Dabei hofft Musk, die Batteriekosten für sein Massenmodell Model 3 dank Skaleneffekten um mindestens 30 % senken zu können. Die allein durch die Gigafactory enorm steigende Nachfrage nach Lithium auf dem Weltmarkt könnte allerdings zu einer Preisexplosion des Rohstoffes führen, wie Experten befürchten.
Aber Tesla ist ja nicht der einzige neu aufscheinende Produzent von Batterien im grossen Massstab: Daimler forscht an einer neuartigen Lithium-Schwefel-Zelle, welche ab 2025 eine bis zu dreifache Energiedichte verheissen soll. Autozulieferer Bosch verspricht mit einer neuen Batteriegeneration ab 2020 eine doppelte Reichweite, genauso wie das von Sir James Dyson (Staubsauger) aufgekaufte Start-up Sakti3. Die Cambridge University in England arbeitet zudem an einer Lithium-Luft-Batterie, auf welcher grosse Hoffnungen für die Stromspeicherung der Zukunft liegen. Da einer der Reaktionspartner, der Sauerstoff, nicht permanent mitgeführt werden müsse, sondern aus der Luft entnommen werde, sei die Li-O2-Batterie leichter und komme so an eine vergleichbare Energiedichte mit jener von fossilen Brennstoffen heran. – So oder so: Das begehrte Alkalimetall wird aus allen Ecken in substanziellen Mengen nachgefragt, sodass dessen Ablösung durch ein in grossen Mengen ökologisch verfügbares, preisgünstiges sowie von der Elektrokapazität her ergiebig(er)es Material bereits heute Not tut, soll die Elektrifizierung unserer Mobilität in naher Zukunft gelingen. Klaus Stricker, Leiter Praxisgruppe Automobil bei der Unternehmensberatung Bain & Company, könnte sich also wohl irren, wenn er sagt: «Die nächsten fünf bis zehn Jahre braucht es die Revolution gar nicht, da funktioniert es gut mit Lithium-Ionen-Technologie.» Den nächsten Technologieschub erwarte er erst ab 2025.
Was klar ist: Nichts ist wirklich klar …
Aus der Fülle der neuen Akkutechnologien und eingesetzten Materialien lassen sich aktuell noch keine klaren Favoriten herauslesen. Einigermassen klar zu sein scheint einzig, dass es in Richtung Feststoffelemente ohne flüssige Elektrolyte in grossen Zellenpaketen geht, basierend auf Stoffen auch ausserhalb der Gruppe der Alkalimetalle wie Lithium. Ebenfalls offensichtlich ist, dass der «Heilige Gral» des Batteriebaus – Energiedichte ähnlich derjenigen fossiler Brennstoffe, hohe Entnahme-Stromstärken, kurze Ladezeiten, langlebig, leichtgewichtig, umwelttechnisch unbedenklich und preisgünstig – noch seiner Entdeckung harrt. Glaubt man den Aussagen der meisten Forscher, Entwickler und Hersteller, scheinen sich alle Hoffnungen auf die Periode 2020 bis 2025 zu fokussieren. Obs dann wohl den nächsten «Big Bang» gibt?
So funktioniert eine Batterie
Eine Batterie funktioniert nach dem Prinzip der galvanischen Zelle. In ihr wird chemische Energie in elektrischen Strom umgewandelt: Zwischen zwei Elektroden (Pluspol/Anode und Minuspol/Kathode) sitzt eine leitende Schicht (Elektrolyt), durch welche geladene Teilchen (Ionen) wandern können. Wird der Stromkreis geschlossen, fliessen die negativ geladenen Elektronen von der Kathode zur Anode – die Batterie liefert Strom. Damit es an der Anode nun nicht zu einem Überschuss an negativer Ladung kommt, diffundieren die positiven Ionen durch den Elektrolyt von der Kathode weg zur Anode hin. Dabei werden die chemischen Elemente umgewandelt, bis die Batterie keinen Strom mehr liefert. Bei einem Akku können diese Vorgänge durch Zufuhr von Strom grossteils rückgängig gemacht und der Akku damit wieder aufgeladen werden. Da dies aber nie vollständig gelingt, wird die Zelle nach einer gewissen Anzahl Entlade-/Ladezyklen nicht mehr mit voller Kapazität funktionieren.