Die diesjährige Tagung der Infra Suisse (Branchenorganisation der im Infrastrukturbau tätigen Unternehmen) befasste sich mit dem Thema «Schweizer Infrastrukturbau – fit und fair?». Astra-Direktor Jürg Röthlisberger wies in seinem Referat gleich zu Beginn darauf hin, dass sich die Nationalstrassen in gutem Zustand befinden. Diese seien ein zentrales Element in unserem Verkehrsnetz und würden stark genutzt. «Wenn sie nicht funktionieren, verstopfen Städte und Agglomerationen», hielt er fest.
Seit 1990 habe sich der Verkehr auf den Nationalstrassen verdoppelt und gemäss den Verkehrsperspektiven des Bundesamts für Raumentwicklung (ARE) werde der Verkehr auf den Strassen bis ins Jahr 2040 weiter wachsen, und zwar auf allen Strassen. Besonders bedeutsam sei aber der Zuwachs auf den Nationalstrassen. Diese machen zwar mit ihren 1835 km im rund 71 000 km umfassenden Strassennetz nur rund 2.5 Prozent aus. Aber 45 Prozent des Personenverkehrs und 70 Prozent des Güterverkehrs werden auf ihnen abgewickelt. Deshalb gelte es, ihnen Sorge zu tragen.
Die Gründe für das Verkehrswachstum seien vielfältig. Einerseits trügen die wirtschaftliche Konjunktur und das stetige Bevölkerungswachstum dazu bei. Anderseits führe die zunehmende funktionale Trennung zwischen Wohn- und Arbeitsort zu grösseren Pendlerströmen.
Immer mehr Staus
Die Folgen dieser Entwicklung seien offensichtlich, erklärte der Astra-Direktor. So waren im Jahr 2015 fast 23 000 Staustunden auf dem Nationalstrassennetz zu verzeichnen. Das habe grosse Auswirkungen auf die Volkswirtschaft und auf die Umweltbelastung. Diese Folgen würden sich durch das prognostizierten Verkehrswachstum noch verschärfen. Wegen der zunehmenden Verkehrsbelastung würden Betrieb und Unterhalt zunehmend bedeutsamer. Dabei sei es das Ziel, die Strassen funktionsfähig und sicher zu halten. 2015 habe das Astra (Bundesamt für Strassen) für Betrieb und Unterhalt der Nationalstras-sen 1.5 Mia. Franken aufgewendet. Erfahrungen hätten gezeigt, dass ein Optimum erreicht werde, wenn im Durchschnitt alle 15 Jahre konzentrierte Unterhaltsarbeiten durchgeführt würden.
Heute seien viele der 240 Tunnels und der 3000 Kunstbauten in die Jahre gekommen, entsprechend gelte es, sie zu sanieren. Ferner sei auch die Engpassbeseitigung bei den neuralgischen Stellen anzugehen. Für den Realisierungsschritt bis 2030 sollen rund 6.5 Mia. Franken eingesetzt werden.
Gefragt sind neue Ideen
Röthlisberger machte klar, dass das kommende Wachstum mit der heutigen Nationalstrasseninfrastruktur nicht bewältigt werden könne. Ein vierter Baregg-Tunnel wäre denkbar, nicht aber ein fünfter. Infolgedessen müsse es punktuell mehr Verkehrsflächen geben, um die Kapazität zu steigern – etwa mit der erwähnten Engpassbeseitigung oder mit der vermehrten Nutzung der Pannenstreifen auf weiteren Autobahnteilstücken, wie sie auf der A1 zwischen Morges und Ecublens VD schon bestehe. Weiter habe der Bundesrat aufgrund eines parlamentarischen Vorstosses (Interpellation NR Beat Walti FDP/ZH) signalisiert, dass er das Rechtsüberholen auf Autobahnen zu prüfen gedenke. Unter Umständen könnte eine solche Massnahme zur Verflüssigung des Verkehrs beitragen.
Neben dem Ausbau müsse auch die vorhandene Infrastruktur besser genutzt werden. Dazu bedürfe es eines effizienten Verkehrsmanagements. Mit Verkehrsinformationen auf den Wechseltextanzeigen, dynamischen Wechselweganzeigen oder verkehrsabhängiger Geschwindigkeitsharmonisierung könne der Verkehrsfluss besser gestaltet werden.
Digitalisierung kommt
Schliesslich werde die zunehmende Digitalisierung den Mobilitätsbereich stark verändern. So wäre vorstellbar, dass etwa automatisierte Fahrzeuge auf den Autobahnen bei eingeschaltetem Autopiloten näher aufschliessen, was eine Erhöhung der Kapazität brächte. Oder Lastwagen könnten sich zu einem virtuellen Gespann koppeln (Platooning), bei dem mehrere Fahrzeuge mithilfe eines technischen Steuerungssystems in sehr geringem Abstand hintereinander fahren, wobei nur das erste Fahrzeug aktiv gesteuert würde. Allerdings müsste darauf geachtet werden, dass dadurch Brückenkonstruktionen nicht zusätzlich belastet würden. Diese neuen Technologien eröffneten viele Chancen, um Nationalstrassen besser auszulasten.
Nachdrücklich setzte sich Röthlisberger für die Annahme des Nationalstrassen- und Agglomerationsverkehrs-Fonds (NAF) ein, über den am kommenden Wochenende abgestimmt wird. Damit erhalte dieser unbefristete Fonds eine stabile finanzielle Grund-lage. Diese sei nötig, um die kommenden Aufgaben im Verkehrsbereich zu bewältigen.
Schluss mit dem Gegeneinander
Zuvor hatte Infra-Suisse-Präsident Urs Hany moniert, dass zu viel Zeit von der Projektierung bis zur Realisierung von Infrastrukturprojekten verstreiche und ein schnellerer Abschluss nicht nur wünschenswert, sondern auch möglich sei. Zudem beklagte er das Fehlen einer konsequent gesamtheitlichen Entwicklung der beiden Verkehrsträger Schiene und Strasse. Links-grünen Kreisen mangle es am Verständnis dafür, dass sich das stetig wachsende Bedürfnis nach Mobilität nicht nur mit der Bahn oder mit dem Tram bewältigen lasse. Es brauche eben auch die Strasse.
Hany erinnerte ferner daran, dass -neben dem Ausbau der Ver-kehrs-
in-fra–strukturen auch deren Unterhalt und Betrieb die nötige Aufmerksamkeit geschenkt werden müsse. Nur so seien Betriebssicherheit und Werterhalt der
Infrastrukturen gewährleistet. Zur Verdeutlichung: Der jährliche Unterhalt und Betrieb für den eben in Betrieb genommenen neuen Gotthard-Basislinie kosten pro Jahr
100 Mio. Franken.
Schliesslich warb Hany für die Energiestrategie 2050, die den Um- und Neubau der heutigen Stromnetze vorsieht. Dafür sei in den nächsten drei Jahrzehnten ein milliardenschweres Infrastrukturprogramm nötig. Drei Jahrzehnte seien, gemessen an der Investitionshöhe, zwar ein sportliches Ziel, für die Infrastrukturbauer je-doch durchaus realisierbar. Diese seien dafür bereit und würden die Energiestrategie 2050 unterstützen, erklärte der Infra-Suisse-Präsident abschliessend.
ao