Diese Initiative kommt vom Herzen, wir verdienen kein Geld damit», gesteht Direktionsmitglied Daniel Menzi zum Vorstoss von Driveswiss zugunsten von behinderten Fahrschülern und Autolenkern. «Unsere Ausgaben werden von den Kurskosten nicht abgedeckt, denn die Zahl der Kursteilnehmer ist zu klein.» Die Zahlen bestätigen die Aussage des Programmverantwortlichen. Nur 15 Neulenker mit einer Behinderung haben im vergangenen Jahr die Fahrausbildung bei Driveswiss absolviert. Mit anhin nur einem umgebauten Fahrschulfahrzeug wären jedoch auch nicht mehr Ausbildungen möglich gewesen.
Während die Initiative derzeit noch wenig Zuspruch findet und mehr fürs Image als für ein finanzielles Gleichgewicht gut ist, so erhofft sich Daniel Menzi eine Wende für nächstes Jahr. Driveswiss mit seinen vier Aargauer Niederlassungen (Wohlen, Fahrwangen, Seengen und Rothrist) wird nämlich neben der massgeschneiderten Zweiphasenausbildung das Angebot ausweiten und eine wachsende Flotte modifizierter Fahrschulautos einsetzen. Driveswiss ist es gelungen, zusammen mit dem Partner Volkswagen und drei renommierten Fahrzeugumbauern eine Flotte von fünf modifizierten Fahrschulautos zu realisieren, die ab sofort im Einsatz ist.
Die fünf Driveswiss-Handicap-Golf Variant werden mit den speziell ausgebildeten Instruktoren je nach Bedarf in allen Regionen der Schweiz zum Einsatz kommen. Die Fahrzeuge im Wert von etwa 250 000 Franken kosten Driveswiss keinen Rappen, dank dem grosszügigen Beitrag der Sponsoren und Partner wie Volkswagen und Pirelli sowie den Umbauspezialisten Trütsch, Von Rotz, Kirchhoff Mobility und Warpel. «Ohne ihre Hilfe wäre das Projekt wirtschaftlich nicht tragbar», äusserst sich der höchst dankbare Daniel Menzi. Der Importeur und die Spezialfirmen erhalten tröpfchenweise eine kleine Kompensation für ihre Ausgaben mit der Zahlung einiger Franken für jede Kursstunde in der Fahrschule. Eine schöne Geste: Die Behindertenkurse kosten genau gleich viel wie alle anderen Fahrkurse.
Und Volkswagen hat auch nicht irgendwelche Ladenhüter für das Programm reserviert, er lieferte fünf Golf Variant 1.4 TSI/150 PS Highline DSG. Was die Optionen anbelangt, erlaubt sich Daniel Menzi einen Scherz: «Wir wollten es ganz einfach machen. Deshalb sind die Autos voll ausgerüstet.» Aber die Ausstattungsposten sind auch von speziellem Nutzen. Das glatte Leder erlaubt einen leichteren Einstieg, die Standheizung sorgt für beschlag- und eisfreie Scheiben, die für Menschen im Rollstuhl fast unmöglich vollständig zu kratzen sind, und die elektrische Sitzverstellung ist in vielen Fällen die einzige Möglichkeit, Behinderten die richtige Sitzposition frei zu machen. Mit der Rückfahrkamera können auch Menschen, die sich nicht genügend im Sitz drehen können sicher nach hinten fahren. Aus gleichem Grund kommt ihnen das automatische Einparken höchst gelegen.
Möglichkeit, das Fahrzeug zu kaufen
Sollten sich die Fahrschüler besonders wohl fühlen in den Driveswiss-Handicap-Fahrschulwagen, dann bietet ihnen das Ausbildungszentrum die Gelegenheit, diesen zu kaufen. «Wir beabsichtigen nicht, die Autos langfristig zu behalten, sondern planen darauf, sie nach einem oder zwei Jahren zu verkaufen, bevorzugt an einen interessierten Fahrschüler.» Den Wert des Wagens bestimmt Eurotax, und der Erlös geht an Volkswagen und an die Umbaubetriebe. Potenzielle Käufer müssen auch nicht das Driveswiss-Blau akzeptieren; es handelt sich dabei nicht um die Lackierung, sondern um eine abziehbare Folie, unter der ein diskretes weisses Auto steckt. «Jeder verkaufte Fahrschulwagen wird vom Importeur durch einen neuen ersetzt», erklärt Menzi. Volkswagen profitiert also davon, dass ihre Produkte langfristig sichtbar sind und kann damit Geschäft und Wohltätigkeit unter einen Hut bringen.
Nervenzentrum
Daniel Menzi stellt aber eines klar: «Wir werden nicht zum Zwischenhändler für den Fahrzeugverkauf oder für die Umrüstung, sondern wir verstehen uns als Nervenzentrum der Mobilität. Menschen mit Behinderungen können durch unsere Vermittlung mit den für ihre Bedürfnisse passenden Umrüstbetrieben in Kontakt treten. Wir assistieren ihnen während des gesamten Vorgangs.»
Dank den bereits voll entwickelten Beziehungen innerhalb der Branche wird Driveswiss zum Dreh- und Angelpunkt für alle, die Mobilitätsprobleme haben und die den Führerschein machen oder wiedererlangen wollen. Ein Beispiel ist die Beratung und Hilfeleistung des Fahrausbildungszentrums für die finanzielle Rückerstattung der Autoumbaukosten, die normalerweise von der Invalidenversicherung (IV) übernommen werden. «Wir haben grosse Unterschiede in der Hilfeleistung beobachtet, die den Fahrschülern nach der Ausbildung zur Verfügung steht», erklärt Lilian Kummer, Marketingmitarbeitende von Driveswiss. «Viele Interessenten kommen zu uns, ohne die einzelnen Schritte zu kennen, die für die Ausbildung nötig sind. Wir wollen die Wissenslücken mit individuellen Auskünften ausmerzen und können alle kompetenten Anlaufstellen einbinden.»
Aber vielleicht noch wichtiger ist die Rolle des Ausbildungszentrums als Fürsprecher für Leute mit beschränkter Mobilität: sie können Auto fahren, und es gibt für fast jeden eine passende Lösung. «Wir demonstrieren den Leuten mit einer Fahrt auf unserer abgesperrten Piste, dass sie ein Fahrzeug beherrschen lernen können. Eine erste Probefahrt gibt den meisten Interessenten äusserst viel Selbstvertrauen.»
Eine kleine Welt
Man kann sich nur wünschen, dass die Geschäfte, die Menschen mit Behinderung Dienste anbieten, auch deren bestes Interesse im Sinn haben. «Wir wollen eng mit den besten Institutionen und Verbänden zusammenarbeiten, ungeachtet, welche Art der Behinderung die Organisation unterstützt», fügt Daniel Menzi hinzu. «Wir wollen dabei niemanden konkurrenzieren, sondern ergänzen. Das Paraplegikerzentrum in Nottwil bietet z. B. für die Behinderten in der Region Luzern die beste Unterstützung. Aber wie sieht es in den anderen Gebieten aus, etwa im Glarnerland? Wir möchten zusätzliche, ergänzende Ressourcen anbieten.»
Ab 2017 auch in der Westschweiz
Um ein möglichst breites Gebiet abdecken zu können, will Driveswiss seine modifizierten Fahrschulautos in absehbarer Zeit auf die ganze Schweiz verteilen. Vorläufig betreibt die Organisation drei der fünf Golf Kombi in der Zentralschweiz und je einen im Tessin und im Graubünden. «Wir wollen zunächst herausfinden, wie gross die Nachfrage ist. Wenn alles wie vorgesehen läuft, dann werden wir spätestens 2017 auch in der Romandie vertreten sein», verspricht Daniel Menzi. «Wir würden das mit lokalen Partnern tun, die ihr Gebiet bestens kennen.»
Instruktorenausbildung
Das Driveswiss-Engagement für Behinderte beschränkt sich nicht nur auf die Zweiphasenausbildung und auf die Fahrstunden, sondern es reicht bis zur Schulung von Fahrlehrern für diese Sonderaufgaben. «Das Gesetz schreibt vor, dass Leute mit beschränkter Mobilität von speziell ausgebildeten Instruktoren angewiesen werden müssen», erklärt Daniel Menzi. «Wir wollen unser Wissen an interessierte Fahrlehrer weitergeben und sie für die Ausbildung mit Menschen mit Behinderung fit machen. Was wir in diesem Lehrgang schulen, geht zurzeit unter Zusatzausbildung, aber wir haben schon die Schritte für die Anerkennung eines Bundesdiploms eingeleitet.»
Während der vier Tage erhalten die Instruktoren Unterweisungen in juristischen und technischen Fragen genauso wie in Ausbildungstechniken. Sie lernen ausserdem, welche Institutionen Dienstleistungen für Behinderte anbieten. «Der Kurs könnte vier- oder fünfmal länger ausfallen, aber das würde viele Instruktoren davon abhalten, die Spezialausbildung zu machen, zumal diese noch nicht obligatorisch ist. Wir führen übrigens auch intensive Diskussionen mit Physiotherapeuten, die uns helfen, die Ausbildung zu verbessern. Das ist ein weiteres Beispiel dafür, wie viel mehr es zu beachten gibt als bei einer herkömmlichen Fahrschule.»
Individualisierte Kurse
Die Instruktorenausbildung ist unabdingbar, denn trotz allem guten Willen müssen die Behindertenkurse anders angegangen werden. Der Fahrlehrer muss sich auf die Bedürfnisse des Schülers einstellen und dessen Rückmeldung berücksichtigen. «Die grösste Herausforderung beim Unterricht mit behinderten Personen ist das Abklären der individuellen Fähigkeiten des Schülers. Man muss aufmerksam zuhören und verstehen, wo die Limiten sind. Worum es am Ende geht, ist die Individualisierung des Unterrichts.» Es sei aber auch nötig, die Distanz zu wahren, warnt Menzi. «Leute, die beispielsweise unter Multipler Sklerose leiden, können teils aggressiv reagieren, und der Fahrlehrer muss sich darauf einstellen.»
16 Instruktoren haben bisher die Sonderausbildung für 2300 Franken absolviert. «Zu viele Ausbilder sollten es auch nicht werden», dämpft Daniel Menzi die Erwartungen. «Sie müssen genügend Schülerzulauf bekommen, damit sich ihre Aufwendungen auszahlen. Und wenn sie länger ohne Fahrschüler sind, dann verlernen sie einiges von ihrem Wissen. Das ist auch der Grund, dass wir mit den kantonalen Motorfahrzeugbehörden in Kontakt stehen, um mit ihnen den Bedarf für die Behindertenausbildung abzuklären.»
Trotz allen bisherigen Anstrengungen, Leuten mit eingeschränkter Mobilität zu helfen, gibt sich Driveswiss noch nicht zufrieden. Schon nächstes Jahr sollen Kurse für taube und für autistische Schüler angeboten werden. Die Anstrengungen gehen weiter.