HONDA UND INDYCAR: INS HERZ GETROFFEN

Seit 1994 geht Honda Performance Development (HPD) jedes Jahr an den Start der IndyCar und hat sich als Säule der amerikanischen Motorsportserie etabliert.

Das Hauptquartier von HPD kann auf 22 Jahre Wettkampferfahrung zurückblicken, primär bei IndyCar. Motoren, Chassis und Aerodynamik werden durch eine Schar hochklassiger Spezialisten hausintern entwickelt.

Die unabhängige, rein amerikanische Motorsportabteilung «Honda Performance Development» HPD steht seit 22 Jahren auf eigenen Füssen. Ihre Zentrale liegt in Santa Clarita, Kalifornien.
Als Honda sich seinerzeit als Motorenbauer aus der Formel 1 zurückzieht, legt der Hersteller den Grundstein für ein neues Projekt: mit der Teilnahme an der ­IndyCar Series eine neue Erfolgsgeschichte zu schreiben. Nach der Gründung im April 1993 bleibt HPD weniger als ein Jahr Zeit, um einen ganz neuen V8-Turbomotor für die Saison 1994 zu ent­wickeln und zu bauen.
Damals wird die IndyCar von Ford und Chevrolet dominiert. In Indianapolis ist die Enttäuschung gross: Bobby Rahal gelingt es nicht, sich zu qualifizieren. «Wir mussten noch mal ganz von vorn beginnen und einen besseren Motor bauen», berichtet Marc Sours, Direktor von HPD. «Wir versuchten es 1995 erneut und gewannen mit André Ribeiro sowohl die Pole Posi­tion als auch das Rennen.»
Aus dem spektakulären Anfang ist HPD dank aufopferungsvollem Einsatz und mechanischer Präzision die Erfolgsleiter stets weiter nach oben geklettert. Heute arbeiten etwa 240 Personen in Santa Clarita in dem einzigen Motorenwerk von Honda für den Motorsport aus­serhalb Japans. Zudem ist HPD für die gesamte Elektronik zuständig. Auch Fahrwerke und Aerodynamik liefern sie je nach Modell zu.

IndyCar im Mittelpunkt
Obwohl HPD sowohl im Motorsport im weiteren Sinne als auch in die Aufbereitung von Strassenfahrzeugen expandiert, steht die IndyCar weiter im Vordergrund. Seit seiner Gründung ist Honda der einzige Motorenbauer, der die Serie noch nie verlassen hat, während Schwergewichte wie Ford, Mercedes, Toyota, Oldsmobile, Infiniti und Cosworth sich verabschiedet haben, die meisten am Anfang der 2000er-Jahre.
Als 2003 aus der Meisterschaft zwei wurden — IRL und ChampCar — haben sich die Hexenmeister aus Santa Clarita lieber an das Zeichenbrett gesetzt als aufzugeben. Sie haben einen V8-Saugmotor für das 500-Meilen-Rennen von  Indianapolis entwickelt, ein medienwirksames Rennen, das den grossen Aufwand wert ist. «Statt unsere Honda-­Modelle zu loben, fahren wir lieber auf der Rennstrecke, um die Marke hervorzuheben», erläutert Marc Sours.
Die IndyCar ist eine technische Herausforderung und ein erstklassiges Versuchslabor, um die Grenzen der Technik zu erweitern. «Die Meisterschaft ist sehr vielseitig, denn sie besteht aus ganz ­unterschiedlichen Rennstrecken. Der Motor muss allen möglichen Heraus­forderungen gerecht werden: Ovalen, Strassen- und Stadtkursen», fügt Marc Sours hinzu.
Und er sagt, wie stolz er ist, einen rein amerikanischen Motor zu bauen. «Von 2006 bis 2011 waren wir der einzige Motorenbauer. In sechs Indy-500-Rennen kam es zu keiner mechanischen Panne. Heute wird unser V6-Turbomotor in Santa Clarita entwickelt und gewartet, während der V6-Chevrolet in England von Illmor entwickelt wird», sagt Sours.

Das Gewicht der Luft
Seit 2015 nimmt die IndyCar eine neue Wende mit der Einführung von Aerokits. Die Anbauteile für die Karosserie ergänzen die Dallara-Chassis aus der Serie. Auf den ersten Blick mag es merkwürdig erscheinen, dass die zwei Motorenbauer Chevrolet und Honda die Kits herstellen und nicht Spezialisten aus dem Bereich der Aero­dynamik. «Es gibt dafür eine einfache Erklärung», sagt Marc Sours: «Die IndyCar wollte neue Sponsoren gewinnen und neue Industriezweige erschliessen, vor ­allem die Luftfahrtindustrie. Aber Unternehmen wie Boeing haben kein Interesse bekundet, also haben die zwei Motorenbauer Aerokits hergestellt, um ein bisschen Geld im Wettlauf um Leistung zu sparen …»
Für Honda brachte die erste Saison mit Aerokits nicht den erwarteten Erfolg, weder auf Strassenkursen noch im Oval. «Wir haben uns schwergetan», gibt Marc Sours zu. «Im ersten Jahr haben wir unsere Kits mit einem externen Partner entwickelt. Als wir bemerkten, dass es nicht klappt, haben wir im vergangenen Sommer intern unser eigenes Aerokit für die Saison 2016 eingeführt. Das ist eine neue Herausforderung, vor allem im Wettbewerb gegen Chevy, die 2015 klar das bessere Kit hatten.»

Programmvielfalt
Bis zum Ende der 2000er-Jahre nimmt HPD an zahlreichen amerikanische Tourenwagen- und Prototypen-Meisterschaften teil. Aber nach der Finanzkrise 2009 tritt die Motorsportabteilung auf die Bremse.
Der Acura ARX-02a der Klasse LMP1 gewinnt zwar im selben Jahr die ALMS-Meisterschaft (American Le Mans Series), es hilft aber alles nichts. Da die Entwicklungsinvestitionen eingefroren sind, entschliesst sich HPD, seine Technologie an Privatkunden zu verkaufen. Die nehmen mit Rennwagen der Klassen LMP1 und LMP2 an internationalen Meisterschaften teil.
2016 markiert die vollständige Rückkehr der Marke in die amerikanischen Langstreckenmeisterschaften, denn der neue Ligier LMP2, Sieger der 24 Stunden von Daytona, ist mit einem Honda-Motor ausgestattet. HPD entwickelt auch einen Rennwagen für die Grand-Touring-Klasse. Von den Leistungen her ähnelt dieser einem FIA GT3.
Zudem baut die Motorsportabteilung das umfassende Ersatzteileprogramm Acura für die Hobby-Piloten der SCCA-Series auf. Schliesslich wird auf Basis des Motors des neuen Honda Civic Typ R eine neue amerikanische Variante des Formel 4 entwickelt: sie wird von einem 2,0-Liter-Saugmotor von HPD befeuert.

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