DER NIEDRIGE ÖLPREIS UND SEINE FOLGEN

Wenn das Benzin billig ist, freut das die Autofahrer. Doch ganz ungetrübt sind die Freuden nicht.

Wenn das Benzin billig ist, freut das die Autofahrer.

Preisschwankungen sind beim Rohöl nichts Ungewöhnliches, denn dieses Gut unterliegt ihnen seit jeher. Im Juni 2014 etwa lag der Preis pro Barrel (= 159 Liter) bei 115 Dollar und das Jahresmittel für Bleifrei 95 bei Fr. 1,72, anno 2012 sogar bei Fr. 1,81. Heute bezahlt man für 1 Liter Bleifrei etwas über Fr. 1,30. Zurzeit bewegt sich der Barrelpreis über der 30-Dollar-Marke. In den vergangenen Tagen stieg er sogar wieder etwas an.
Nicht nur positiv
Der niedrige Ölpreis ist für Autofahrer vorteilhaft, denn sie sparen an der Tankstelle und haben dann mehr Geld für anderes. Aber auch Haushalte und Firmen profitieren von tiefen Heizkosten. Was gut für die Konsumenten ist, muss indes nicht unbedingt gut für die Produzenten sein. Denn so wie sie zu Zeiten, als die Preise auf über 100 Dollar pro Barrel anstiegen, kräftig investierten, um die Kapazitäten zu erhöhen, so müssen sie heute Investitionen stoppen und unter Umständen Mitarbeiter entlassen. Wie Martin Hüfner, ehemaliger Chefvolkswirt der Hypo-Vereinsbank in München, in seinem Aktionärsbrief ausführt, könnten bei einem Verharren des Ölpreises auf seinem jetzigen Stand die Länderrisiken steigen. Einzelne Staaten geraten möglicherweise in Schwierigkeiten, wie das jetzt in Venezuela oder Nigeria erkennbar ist. Es kann sodann zu innenpolitischen Verwerfungen kommen.

Die obige Grafik verdeutlicht die Entwicklung von Bleifrei 95 pro Liter seit dem Jahr 2006. Heute liegt der Literpreis im Mittel bei etwas über Fr. 1,30. © Grafik Erdöl-Vereinigung
Die obige Grafik verdeutlicht die Entwicklung von Bleifrei 95 pro Liter seit dem Jahr 2006. Heute liegt der Literpreis im Mittel bei etwas über Fr. 1,30.
© Grafik Erdöl-Vereinigung

Saudi-Arabien wohin?
So unternimmt das saudische Königshaus grosse Anstrengungen, um trotz weniger Erträge aus dem Ölgeschäft das Wohlwollen seiner Bürger zu erhalten. Denn die sinkenden Einnahmen gehen auch am Erdölland Saudi-Arabien nicht spurlos vorüber. Gut möglich, dass sich deren Einwohner in Zukunft auf schmerzhafte Einschnitte gefasst machen müssen, wenn der Erdölpreis weiterhin im Tal der Tränen verharrt. Ob dann die umgerechnet rund 27 Rappen, die heute ein Liter Benzin dort kosten, weiterhin auf diesem Niveau bleiben, ist alles andere als sicher. Und was das für politische Auswirkungen im Land zur Folge hat, ist höchst ungewiss. Auch das Erdöl- und Erdgas produzierende Russland, das nicht zur Opec gehört, ist aufgrund der sinkenden Ölpreise in den Abwärtsstrudel geraten. Es dürfte nur eine Frage der Zeit sein, bis sich in der russischen Bevölkerung deswegen grosser Unmut breit macht.
Klimagipfel-Erfolg gefährdet
Schliesslich könnte auch der Erfolg des Pariser Klimagipfels, als sich zum ersten Mal 195 Staaten der Weltgemeinschaft auf eine konzertierte Aktion zur Reduktion der Erderwärmung einigten, durch niedrige Ölpreise gefährdet werden. Denn ein solcher Ölpreis ist natürlich alles andere als ein Stimulus für grosse Investitionsprojekte im Energiebereich, das heisst ein Wegkommen vom Erdöl und Umschwenken zu erneuerbaren Energien. So ist durchaus denkbar, dass geplante Projekte wegen der Unsicherheit über die zukünftigen Preise vorerst nicht weiter verfolgt und erst wieder bei einem spürbaren Anziehen der Ölpreise aus der Schublade geholt werden. Dann wäre also der Klimagipfel lediglich für die Galerie gewesen, um nicht zu sagen für die Katz.
Viele Unwägbarkeiten
In welcher Richtung sich der Ölpreis entwickelt, wagt heute niemand vorauszusagen. Die Nachfrage nach dem schwarzen Gold deutet aufgrund der schwächelnden Weltwirtschaft, so vor allem in China, aber auch in Schwellenländern wie Brasilien, im Augenblick nicht nach oben. Sollte sich aber, wie Hüfner meint, Saudi-Arabien mit dem grossen Antipoden Iran (überraschenderweise) zusammentun und die Lage auf dem Ölmarkt stabilisieren, könnte das plötzlich eine starke Aufwärtsbewegung des Ölpreises auslösen.
Raoul Studer

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