Ginge es nach dem deutschen Automobilkunden, hätte das reine Elektroauto in Deutschland wenig Chancen. Prof. Ferdinand Dudenhöffer von der Universität Duisburg-Essen formulierte es vor kurzem drastisch: «Derzeit <verhungert> das Elektroauto in Deutschland».
Die verkauften Einheitenbei den E-Autos in Deutschland sind minimal. Hinzu kommt noch, dass viele dieser «Verkäufe» Händlerzulassungen sind oder direkt in den Export wandern (zu den Gründen hierzu siehe auch AR 1/2016).
Angebot und Nachfrage
Kein Wunder also sahen die grossen deutschen Hersteller bis vor kurzem keinerlei Grund, warum sie in reine E-Autos investieren sollten, wenn doch die Kunden gar keine solche Autos kaufen wollen.
Dass numehr langsam ein Umdenken in den Konzernzentralen eingesetzt hat, geht auf verschiedene Gründe zurück. Einer ist, dass Tesla mit seinem Modell S ungemein erfolgreich agiert. Der Erfolg zeigt, dass die Nachfrage stimuliert werden kann – wenn das Angebot stimmt.
Verbote drohen
Ein anderer Grund könnte sein, dass in der mittelfristigen Zukunft in vielen urbanen Zentren der Welt Fahrverbote für Verbrenner drohen (siehe ebenfalls AR 1/2016). Dazu muss man nicht einmal besonders weit gehen, um Beispiele zu finden: gerade haben die Deutschen Grünen die Forderung aufgestellt, dass ab 2036 in Deutschland keine Autos mit Verbrennungsmotor mehr zugelassen werden sollen. Einzig Elektroautos hätten dann noch eine Chance.
Natürlich ist es derzeit nur eine kleine Partei, die solche extremen Forderungen stellt. Doch steter Tropfen höhlt den Stein – was, wenn weitere Politiker in den nächsten Jahren auf den «Ökozug» aufspringen? Den Atomausstieg hätte man sich 1990 schliesslich auch nicht vorstellen können – 2016 ist er allgemein akzeptiert.
MEB-Platform
Bei VW stellt in etwa die Abgasaffäre den Wendepunkt in Sachen Elektrifizierungsplatform da. An der CES in Las Vegas hat der Volkswagenkonzern nun das Konzeptauto Budd-e vorgestellt – es ist die erste Studie auf Basis dieser ganz neuen MEB (MEB: Modularer Elektrifizierungsbaukasten).
Die ersten Serienfahrzeuge auf Basis dieses MEB-Baukastens will VW ab 2019 verkaufen. Als fixes Ziel hat sich Wolfsburg gesetzt, dass diese künftigen E-Autos die Reichweite erreichen sollten, die auch in einem heutigen Benziner möglich sind. Konkret sind dies bei Budd-e derzeit 533 km.
94,3 kWh Akkukapazität!
Möglich macht dies ein grosses Akkupack, das flach im Fahrzeugboden des Budd-e untergebracht ist (dies allein zeigt schon, dass E-Fahrzeuge ganz andere Chassis brauchen als Verbrenner). Das Akkupack hat einen Energiegehalt von 92,4 kWh – womit die Deutschen sogar die Amerikaner mit dem Tesla S P90 D übertrumpfen (dieser hat, wie es der Name sagt, eine Akkukapazität von 90 kWh).
Dieser mächtige 92,4 kWh des Budd-e speist zwei E-Motoren, einer an jedem Fahrzeugende. Die E-Maschine an der Front leistet maximal 125 kW (Drehmoment: 200 Nm), die am Heck 125 kW (Drehmoment: 290 Nm). Totale Systemleistung: 225 kW.
Die Höchstgeschwindigkeit beträgt 180 km/h, der Spurt von 0 auf 100 km/h soll in 6,9 Sekunden absolviert sein.
Induktives Laden möglich
Interessant die Ladefähigkeit: VW schreibt, dass entweder per Stecker (normale Steckdose bzw. Hochleistungs-Charger) geladen werden kann oder induktiver Schnittstelle. Auch Porsche hat für seinen Mission E schon etwas ähnliches angetönt – man darf also annehmen, dass der VW-Konzern da eine attraktive Lösung in Aussicht hat.
VW schreibt zudem, dass bei einer Ladeleistung von 150 kW der Akku des Bugg-e in circa 30 Minuten zu 80 % geladen sei. Das ist technisch problemlos möglich, trotzdem bleiben hier Fragen. Denn eine solche Ladeleistung ist derzeit nur mit einer Hochleistungs-DC-Ladestation (direct current: Gleichstrom) zu erreichen. Und 150 kW sind viel. Zum Vergleich: Teslas Supercharger ist derzeit am Markt die leistungsstärkste Ladeeinheit für Serienautos – sie schafft 120 kW. Und Teslas weltweiter Supercharger-Aufbau hat Jahre gedauert und Millionen von $ verschlungen …
Innenraum ist Trumpf
Doch schauen wir den Budd-e weiter im Detail an: Mit 4,6 Meter ist er fast gleich gross wie ein VW Touran, doch deutlich breiter (1940 mm). Der Grund hierfür ist einfach: VWs Budd-e-Konzept sieht ein interaktives, gut vernetztes Fahrzeug vor. Und als ein solches muss der Pw besser und bequemer ausgestattet sein als ein herkömmlicher Pw. VW schreibt sogar in den Presseunterlagen: «Das Auto als Loft.»
Bitte Heizen!
Zum zukünftigen «VW-Loft» gehört ein Holzfussboden, ein 34-Zoll-Monitor, bester Internetempfang und keine störenden Schalter. Die Entertainmentsysteme können sowohl per Geste, per Berührung (Touch) oder auch via Sprache gesteuert werden. So soll das Kommando «Heizung bitte wärmer» umgehend dazu führen, dass der Budd-e mehr warme Luft in den Innenraum bläst.
Der Budd-e soll den Fahrer zudem schon von aussen erkennen und auf Gestensteuerung das Wageninnere öffnen. Auch die Beleuchtung geht neue Wege: sie kann individuel abgestimmt werden, last but not least soll es sogar möglich sein, dass die Innenraumbeleuchtung der vorbeiziehenden Landschaft/Tageszeit angepasst wird.
Drop Box
Definitiv eher Konzept als mögliche Idee für ein Serienfahrzeug ist hingegen der Vorschlag von VW, das Auto als Drop Box zu brauchen. Volvo hatte diese Idee auch schon, den Pw quasi als mobiles Postfach zu gebrauchen. Bei Volvo sah die Idee vor, dass der Paketdienstleister per übermittelten Code die Verriegelung des Fahrzeugs öffnet und ein Paket ins Auto legt. VW hingegen scheint dem Paketdienst nicht ganz zu trauen und gibt lediglich via NFC-Zugangscode eine «Drop Box» frei für den Mann von UPS/FedEx.