So sollte es sein

Mit dem EX30 bringt ­Volvo ein 4.23 Meter kurzes, aber doch vollwertiges SUV auf den Markt. Auch dessen Preis überrascht positiv.

Der Volvo EX30 ist fast zu stark, selbst die 272 PS der schwächeren Variante sind eigentlich zu viel. Und 428 PS, wie sie das Topmodell Twin Motor Performance bereithält, braucht sowieso niemand. Klar, das ist lustig, wenn sie das E-Automobil in 3.6 Sekunden von 0 auf 100 km/h katapultieren, daran haben Längsdynamiker sicher ihren Spass. Zweimal, dreimal den Porsche plätten an der Ampel, dann hat man das auch erlebt, dann ist gut. Aber irgendwie passt dieser Kraftüberfluss gar nicht so recht zum kleinen Volvo, der in jeder Beziehung vorbildlich sein will, verantwortungsvoll mit den Ressourcen umgeht, sich allerorten der Nachhaltigkeit verpflichtet fühlt, die CO2-Emissionen schon in der Produktion möglichst tief halten will. Es wäre vielleicht ein guter Moment gewesen, mit dem EX30 auch gleich noch ein Statement zu setzen, weniger überbordende Leistung, mehr Vernunft – ein möglichst tiefer Verbrauch.

Aber das sind irgendwie auch schon Spitzfindigkeiten, denn es wurde bereits angetönt: Volvo macht mit dem EX30 richtige, auch wichtige Schritte in die Zukunft der individuellen Mobilität. Der kompakte Volvo geht allein schon mit seiner vernünftigen Grösse sparsam mit Ressourcen um. Einverstanden, da müssen immer noch mindestens 1.8 Tonnen durch die Gegend bewegt sein, beim stärkeren Modell sind es fast zwei Tonnen, doch damit sind die Volvo unter den E-Fahrzeugen schon fast Leichtathleten. Zudem waren die Schweden ja noch nie berühmt für Leichtbau, da steht immer die Sicherheit an oberster Stelle.

4.23 Meter also in der Länge, 1.84 Meter in der Breite, über 1.5 Meter in der Höhe – der EX30 ist fast schon herzig, um diesen Helvetismus zu verwenden. Er bedient sich auch optisch ein bisschen des Kindchenschemas, man muss ihn mit seinen Rundungen einfach gernhaben, will ihn ob seiner freundlich lächelnden Front vielleicht sogar in die Arme nehmen. Gerade in Hellblau ist das dann vielleicht etwas zu viel des Guten. Aber man kann den Kleinen unter anderem auch in Moss Yellow bestellen, damit ist er deutlich auffälliger.

Interessante Ansätze

Man könnte nun das Gefühl haben, dass ein reines E-Auto auch mit diesen bescheidenen Aussenmassen gute Platzverhältnisse bietet. Das gilt jedoch nur mit Einschränkungen: In der zweiten Reihe ist das Raumangebot eher bescheiden, halt so, wie man das bei 2.65 Metern Radstand erwarten kann. Und auch das Kofferraumvolumen ist mit 318 Litern nicht gerade überbordend gross. Selbstverständlich lässt sich die Rücksitzbank im Verhältnis 40:60 abklappen, dann werden es maximal 904 Liter. Andererseits: Vorne ist alles bestens, es ist auch Luft nach oben, man fühlt sich nicht eingeschlossen, insbesondere dann nicht, wenn man auch noch das Panoramaglasdach bestellt.

Verbleiben wir innen, denn es ist schon sehr interessant, wie die Skandinavier mit neuen, vor allem rezyklierten Materialien umgehen. Nordico fühlt sich so ein bisschen wie Leder an, ist aber künstlich, zum Teil aus Kiefernöl hergestellt. Es kann mit Dekoreinlagen kombiniert werden, die etwa aus ausrangierten PVC-Fensterrahmen und Rollläden hergestellt werden, die Einlegematten hingegen werden aus alten Fischernetzen gefertigt. Ob sich das wirklich in einem niedrigeren CO2-Ausstoss niederschlägt, wissen wir nicht, doch es sind auf jeden Fall spannende Lösungsansätze, in die Volvo viel Hirnschmalz und noch mehr Entwicklungsgelder investiert. Ob man das will, ist ­eine andere Frage, gerade die Dekoreinlagen fühlen sich sehr stark nach Plastik an, da ist sicher noch Wohlfühlraum nach oben. Doch die Schweden bleiben konsequent animal-free, dafür kann man durchaus Sympathie oder Verständnis haben.

Auf höchstem Niveau

Genauso konsequent ist Volvo bei der Gestaltung dessen, was einst das Armaturenbrett war. Da ist nur noch ein Lenkrad und ein Touchscreen, vor dem Fahrer, zum Beispiel, ist gar nichts mehr. Ob das nun wirklich die beste Lösung ist, wollen wir einmal in Frage stellen – wenn der Pilot den Blick immer leicht nach rechts wenden muss, um die Geschwindigkeit zu kontrollieren, kann ihn das schon vom Verkehr ablenken. Andererseits ist es wohl Gewöhnungssache. Und zudem teilt der EX30 allen Insassen lautstark mit, wenn die zulässige Höchstgeschwindigkeit überschritten wird. Man muss vor der Inbetriebnahme des Wagens sicher ein bisschen Zeit investieren, um alles sauber nach seinen eigenen Bedürfnissen einzustellen, Sitz, Spiegel und so weiter, und dann muss man das natürlich auch speichern. Doch das kann man der Menschheit durchaus zutrauen.

Hat man das einmal hinter sich, gibt es in Sachen Benutzerfreundlichkeit wenig zu kritisieren. Volvo arbeitet eng mit Google zusammen, das gesamte Betriebssystem kommt von den Amerikanern und funktioniert bestens. Auch die Sprachsteuerung ist auf einem sehr hohen Niveau, was die Bedienung extrem erleichtert, wenn man dieses Feature auch tatsächlich nutzt. Nein, wir wollen uns hier jetzt nicht schon wieder fragen, wofür das alles gut sein soll, wenn man ja ohnehin ein Smartphone mit sich herumträgt, denn diese Frage stellt sich unterdessen bei allen neuen Automobilen.

Die Ruhe selbst

Nun will man so einen EX30 ja wahrscheinlich nicht nur nach seinen Wünschen justieren, sondern tatsächlich auch fahren. Und das macht der kleine Schwede richtig gut. Das Fahrwerk ist auf der komfortablen Seite, steckt trotz kurzen Radstands sehr viel weg. Das passt natürlich zum E-Auto, der Volvo ist wunderbar leise, diese Kombination von Ruhe und Komfort ist sehr souverän, man bewegt sich sehr entspannt. Will man es etwas heftiger, dann wehrt sich der Stromer nicht dagegen, es kommt wirklich Fahrfreude auf, was auch an der guten, präzisen Lenkung liegt. Und das konnten wir einem E-Auto bisher noch selten so attestieren. Die Bremse dagegen ist in der oberen Hälfte ziemlich gefühllos, greift dann aber gnadenlos ins Geschehen ein. Dass es ansonsten wirklich gut vorwärts geht, wurde ja eingehend schon erwähnt.

Drei Antriebsvarianten des Volvo EX30 sind erhältlich, ein Hecktriebler mit kleiner Batterie (51 kWh), ein weiterer Hecktriebler mit grosser Batterie (69 kWh), ein Allradler mit dem grossen Akku. Die Reichweiten, tja, die sind so ein Thema: Im schlechtesten Fall, also bei kleinem Akku und minus zehn Grad Aussentemperatur, sind es wohl weniger als 300 Kilometer. Im besten Fall, also bei viel Stadtverkehr und 23 Grad eitel Sonnenschein, könnten zumindest mit dem grossen Akku auch über 600 Kilometer drinliegen. Geladen werden kann derzeit mit maximal 153 kW, was weit von ­einem Bestwert entfernt und auch der 400-Volt-Architektur der SEA-Plattform geschuldet ist.

Feines Angebot

Der kleinere Akku ist ein günstigerer Lithium-Eisenphosphat-Akkumulator (LFP). Das ist sicher auch der Grund dafür, dass der Einstiegspreis für den Volvo EX30 bemerkenswert kundenfreundlich gestaltet werden konnte. 36 800 Franken kostet die Basisversion, das ist eine wirklich erfreuliche Ansage. Selbstverständlich ist die Liste der Sonderausstattungen lang, Volvo ist auch da Premium, doch im noch kleinen Segment der kleinen E-Stromer ist dieses Angebot beachtenswert. In der höchsten Ausstattungslinie Ultra mit Twin-Motoren und Nickel-Mangan-Kobalt-Akku sind dann deutlich mehr, aber immer noch klar weniger als 50 000 Franken fällig, was im Konkurrenzvergleich gerade mit deutschen Herstellern durchaus als sehr fair bezeichnet werden kann. Da schlägt Volvo ­einen Pflock ein. 

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