Immer noch gross

Vierzig Jahre nach seiner Lancierung ist der ­Renault Espace endgültig vom Minivan zum SUV mutiert. Seine Rolle als Vorreiter hat er verloren, seine Grösse aber fast behalten.

Einst war der Espace ein Vorreiter – ein Avantgardist. Als ihn Renault vor fast genau vierzig Jahren präsentierte, wusste noch kaum jemand etwas anzufangen mit dem neuen Modell. Die Kombination aus Kombi und Kleintransporter gab es noch kaum, weder der Markt noch die Presse wusste, wie das Auto einzuordnen war. Es dauerte aber nicht lange, bis der Erfolg eintrat und die Kunden an dem Konzept Gefallen fanden. Ja, Minivans gab es bereits zuvor, die Amerikaner waren früher dran. Aber die Grundlage für den Durchbruch des Segments in Europa schufen die Franzosen. Während fast dreier Jahrzehnte stand das Modell stellvertretend für ein ganzes Segment, das der Inbegriff des Familienwagens war. Dann, in den Nullerjahren, war die Zeit der Minivans vorbei, etwas Neues musste her. Aber Renault brachte nichts Neues, das den Espace hätte beerben können. Das Modell wurde zum Zwitter zwischen Minivan und den inzwischen Mode gewordenen SUV. Das funktionierte mehr schlecht als recht, sodass der Espace in der sechsten Generation jetzt ein waschechtes SUV ist.

Damit ist er endgültig kein Avantgardist mehr, ist er doch kaum mehr ein eigenes Modell, sondern viel mehr ein Austral mit sieben Plätzen. Und das ist durchaus positiv zu verstehen, schliesslich gehörte dieser zu den Finalisten für den Titel als Car of the Year 2023. Mit einer Länge von 4.72 Metern ist der Espace 21 Zentimeter länger als der kleine Bruder, was Platz schafft für eine dritte Sitzreihe. Die konsequente Auslegung als grosses SUV zahlt sich aus, denn obwohl er leicht kürzer ist als sein Crossover-Vorgänger, bietet sein Innenraum mehr Platz. Die zweite Reihe lässt sich in zwei Teilen umklappen und links und rechts voneinander unabhängig in Längsrichtung um bis zu 22 Zentimeter verschieben. So können in der zweiten Reihe auch Erwachsene komfortabel sitzen, die Sitzhöhe ist angenehm, die Kopffreiheit ausreichend. Ist die Sitzbank ganz nach hinten geschoben, ist die Beinfreiheit äusserst grosszügig.

Die beiden Sitze in der dritten Reihe sind optional – aber nicht mehr herausnehmbar, wie das früher im Minivan noch der Fall war und wie es auch der Peugeot 5008 heute noch kann (s. Konkurrenzvergleich). Das Auto muss bereits bei der Bestellung entsprechend als Fünf- oder Siebenplätzer konfiguriert werden. Der Einstieg in die dritte Reihe geschieht, wie üblich bei einem siebensitzigen SUV, etwas mühsam hinter der zweiten Reihe. Die beiden Sitze sind für Kinder durchaus geeignet und bieten auch ausreichend Beinfreiheit. Für Erwachsene sind sie eher in Notfällen oder für kurze Strecken angebracht, als vollwertige Sitze für längere Fahrten dienen sie nicht. Auch ein Kindersitz lässt sich nicht montieren, da die Isofix-Halterung fehlt. Wer den Espace als Fünfplätzer bestellt, erhält grosszügige 581 Liter Kofferraum, in der Version mit sieben Sitzen sind es hinter der zweiten Reihe immer noch 477 Liter. Bei Vollbelegung aller sieben Plätze sind es bloss noch etwas knappe 159 Liter, die zur Verfügung stehen. Für viel Gepäck reicht dann der Platz nicht mehr. In der ersten Reihe gibt es kaum Unterschiede zum kleineren Austral, sie überzeugt mit viel Stauraum in der riesigen Mittelkonsole und im grosszügigen Handschuhfach.

Wohlfühlatmosphäre

Das Cockpit des Espace kennt man bereits aus den anderen neuen Modellen von Renault mit dem L-förmigen Doppeldisplay, das mit dem Megane E-Tech eingeführt wurde. Dieses kombiniert ein grosszügiges Instrumentenpanel mit einem Infotainment-Touchscreen im Hochformat. Das System namens Open R basiert auf einem Betriebssystem von Google, die verschiedenen Funktionen sind entsprechend einzelne Apps, die ausgeführt werden, und als Navigationssystem dient Google Maps. Wer seinen Google-Account mit dem Auto verknüpft, kann so auch gespeicherte Karten und Ziele direkt von seinem Mobiltelefon übernehmen. Ausserdem gibt es die übliche Konnektivität mit Apple Carplay und Android Auto, wobei bei Letzterem die Verbindung im Test gelegentlich zickte. Die Bedienung ist intuitiver als noch beim früheren System von Renault, gewöhnungsbedürftig ist einzig, dass man den Gangwahlhebel hinter das Lenkrad verlegt hat. Das macht zwar die Konkurrenz, beispielsweise Mercedes, auch so, allerdings gibt es dort keine weiteren Schalter auf der rechten Seite hinter dem Lenkrad. Bei Renault sind es inzwischen drei, da sich neben dem Wählhebel auch noch der Lenkstockschalter für den Scheibenwischer und die separate Bedieneinheit für das Radio dort befinden.

Dank des grosszügigen Raumgefühls und dezenter Ambientebeleuchtung fühlt man sich wohl an Bord des Renault Espace. Die Komfortausstattung ist umfangreich, den Massagesitz gibt es allerdings nur für den Fahrer. Die Verarbeitung ist hochwertig mit grosszügigem Einsatz von Leder. Ziernähte in Kontrastfarben an Lenkrad und Gurten runden den Eindruck ab. Unter dem grossen Touchscreen gibt es ausserdem einige Knöpfe für die Bedienung der Klimaanlage, die Assistenzsysteme werden über das Lenkrad gesteuert. Der Espace bietet alle gängigen Systeme wie Abstandstempomat und Spurfolgeassistent, sie sind in allen Ausstattungslinien als Option erhältlich. Ebenso optional ist das riesige Panoramadach, das sich weit über die zweite Reihe nach hinten zieht. Die dimmbaren Segmente, wie sie Rafale und Scenic haben, gibt es im Espace noch nicht, allerdings soll auch das Glasdach des Minivans besonders hitzeabweisend sein, sodass sich der Innenraum im Sommer nicht unangenehm aufwärmt.

Nur als Hybrid

Beim Antrieb macht es Renault den Kunden einfach. Frei nach Henry Ford könnte man sagen: Den Renault Espace gibt es mit jedem Antrieb, den der Kunde wünscht, solange es der 200-PS-Hybrid ist. In der sechsten Generation gibt es den Espace nämlich bloss noch als bewährten Full-Hybrid. Dieser kombiniert einen Dreizylinder-Benziner mit 1.2 Litern Hubraum und 96 kW (131 PS) mit zwei Elektromotoren. Der eine ist dabei im Getriebe integriert, der andere sitzt auf der Vorderachse. Die Systemleistung beträgt 146 kW (200 PS). Der Antrieb erfolgt ausschliesslich über die Vorderachse – zeichnete sich der Espace einst noch durch den Allradantrieb aus, gibt es bereits seit dem Ende der zweiten Generation nur noch Frontantrieb. Der Hybridantrieb arbeitet gewohnt gut. Da es kein Plug-in-Hybrid ist, muss man sich als Fahrer ums Laden keine Gedanken machen. Und ums Tanken auch fast nicht, eine 55-Liter-Tankfüllung reicht für über 1000 Kilometer. Anders gesagt: Der Verbrauch ist für diese Fahrzeuggrösse beeindruckend tief. Auf der AR-Normrunde begnügte sich der Espace mit 5.1 l/100 km. Bei unregelmässiger und etwas sportlicher Gangart steigt der Verbrauch auf über sechs Liter an, der Espace zeigt sich aber immer noch genügsam.

Die beiden Aggregate arbeiten gut zusammen. Die Zwei-Kilowattstunden-Batterie ist zwar bei rein elektrischer Fahrt bald einmal leer, kann aber den Verbrenner effizient unterstützen. Gerade beim Anfahren und Beschleunigen übernimmt der Elektromotor viel Arbeit. Im Hybridbetrieb fühlt sich das Auto trotz des kleinen Verbrenners nie untermotorisiert an. Was selten ist für einen Vollhybrid: Das Auto kann auch seine Ladung sparen für eine Stadtfahrt, wenn die Option EV-City aktiviert wird. Wenn ein Ziel im Navi gesetzt ist, teilt die Software den Einsatz des Elektromotors so ein, dass die Batterie aufgeladen wird und in der Stadt rein elektrisch gefahren werden kann. So bleibt der Verbrauch auch im Stadtverkehr tief – oder sinkt kurzzeitig sogar auf null.

Den tiefen Verbrauch verdankt der Espace aber nicht nur dem sparsamen Antrieb, sondern vor allem auch dem tiefen Gewicht. Rund 1.7 Tonnen wiegt der Espace leer, nicht viel für ein Auto dieser Grösse. Entsprechend fährt er sich äusserst komfortabel, das Fahrwerk ist gut abgestimmt und Wind- und Motorengeräusche bleiben selbst bei Autobahntempo dezent. Der Hybridantrieb läuft ruhig und unaufgeregt, aber nicht besonders dynamisch: 8.8 Sekunden benötigt das Familien-SUV von 0 auf 100 km/h, und bei höheren Geschwindigkeiten verliert er deutlich an Protzigkeit. Für ruhige, längere Autobahnfahrten allerdings ist der Espace nach wie vor attraktiv. Attraktiv ist auch der Preis: 44 000 Franken kostet die Basisvariante, für die getestete Version Esprit Alpine mit umfangreicher Ausstattung sind es rund 50 000 Franken. Auch das ist durchaus familientauglich. 

Testergebnis

Gesamtnote 70/100

Antrieb

Der Hybridantrieb des Renault Espace arbeitet ausgesprochen effizient. Die Kombination aus Dreizylinder-Benziner und Elektromotor funktioniert erstaunlich gut.

Fahrwerk

Das Fahrwerk ist auf Komfort ausgelegt und auch für längere Fahrten problemlos geeignet. Die Hinterachslenkung sorgt für Stabilität und ermöglicht müheloses Manövrieren.

Innenraum

Das Platzangebot ist grosszügig, wenn auch die dritte Reihe für Erwachsene etwas knapp bemessen und nicht mehr vergleichbar ist mit dem einstigen Minivan. Die verschiebbare zweite Reihe sorgt für Flexibilität.

Sicherheit

Viele Sicherheitssysteme sind Serie, die volle Palette an Assistenzsystemen gibt es gegen Aufpreis. Der Bremsweg ist mit rund 35 Metern überdurchschnittlich kurz.

Budget

Mit einem Basispreis von 44 000 Franken ist der Renault Espace attraktiv eingepreist für ein SUV seiner Grösse. Und auch der tiefe Verbrauch schont das Portemonnaie.

Fazit 

Als siebensitziges SUV bietet der Renault Espace viel Platz zu einem attraktiven Preis. Der Hybridantrieb ist sparsam, wenn auch nicht übermässig dynamisch. So eignet sich der Espace als unaufgeregtes Familienfahrzeug, in dem gelegentlich auch noch die Kinder der Nachbarn auf einen Ausflug mitgenommen werden können.

Die technischen Daten und unsere Messwerte zu diesem Modell finden Sie in der gedruckten Ausgabe und im E-Paper der AUTOMOBIL REVUE.

Kommentieren Sie den Artikel

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.