Das Lieblingskind

Unter all den Marken des chinesischen Geely-Konzerns ragt Zeekr ­heraus. Das könnte Folgen haben für so bekannte Namen wie Lotus, Polestar und Volvo.

Li Shufu, kürzlich 60 Jahre alt geworden und auch bekannt als Eric Li, ist wahrscheinlich der mächtigste Mann der Automobilindustrie. Nicht bloss ist er Gründer des Geely-Konglomerats mit derzeit mindestens 16 Marken, er ist auch grösster Einzelaktionär der Daimler AG und hat sich kürzlich in die Renault-Nissan-Mitsubishi-Allianz eingekauft. Bei Aston Martin ist er ebenfalls mit im Spiel, aber das wohl mehr als Zeitvertrieb, Geld verdienen lässt sich mit den Engländern bekanntlich nicht. Aber Li Shufu hat es, das Spaziergeld. Offiziell nicht so viel wie Elon Musk – aber er hat dafür noch mehr Macht, viel mehr Einfluss in der Industrie. Die Prognose, dass Geely zusammen mit BYD die nächsten zehn Auto-Jahre dominieren werde, ist nicht besonders gewagt.

Erfolgsgeheimnis

Und es macht den Eindruck, als hätte Li Shufu ein Lieblingskind. Zwar hat er mit Lotus und Volvo zwei berühmte europäische Premiummarken in seinem Portfolio, er hat auch Polestar, Lynk & Co. und eine kaum mehr überblickbare Masse an weiteren chinesischen Brands unter seiner Fuchtel, doch irgendwie macht es je länger, je mehr den Eindruck, als ob Zeekr die weltweite Speerspitze des Geely-Konzerns werden dürfe.

Zeekr? Nein, das ist nicht ein geheimes Rezept für eine chinesische Suppe mit Gänsefüssen, sondern setzt sich zusammen aus Generation Z und einem «geek», einem Streber, verwandt mit dem mittelniederdeutschen Wort Geck. Zeekr, gegründet erst 2021, hat tatsächlich so etwas Streberhaftes, will immer ganz vorne dabei sein, lieber mittendrin als voll daneben. Doch es gibt sie ja tatsächlich, wenn auch selten genug, diese Musterschüler, die zudem den Mädels den richtigen Schmus bringen können und auch beim Fussball auf dem Pausenplatz zuerst gewählt werden. Das kann man eigentlich weder am Reissbrett konstruieren noch in der Marketingabteilung in Auftrag geben, doch Shufu scheint ein Händchen dafür zu haben.

Shooting Brake

Als erstes Modell lancierte Zeekr in China den mächtigen, fast fünf Meter langen und 2.3 Tonnen schweren 001. Die Bezeichnung mag extrem fantasielos sein, aber man kann sich ja gut auch das Geld sparen für Agenturen, die teuer bezahlt so grosse Würfe wie Karl oder Koleos hervorbringen. Aber man muss ihn sich halt genau anschauen, diesen 001, eine Mischung zwischen dem verunglückten Ferrari Purosangue und einem Aston Martin Shooting Brake, den es leider seit Jahrzehnten nicht mehr gibt. Vielleicht ist der Zeekr 001 «the most sexy electric car», den es aktuell zu kaufen gibt.

Technologisch gibt es auch nichts zu mäkeln, zumindest dann nicht, wenn man seine Konzernbrüder von Volvo und Polestar als Massstab nimmt. Denn der Zeekr 001 bekommt noch mehr Power, 400 kW oder 544 PS, und noch mehr Drehmoment, 686 Nm. Dazu eine grössere Batterie mit 100 kWh und folglich mehr Reichweite, bis zu 620 Kilometer. Alles, was gut ist im Geely-Konzern, steckt im Zeekr, ausser vielleicht die 800-Volt-Architektur (die es bei Lotus schon gibt), doch das ist alles anscheinend nur eine Frage der Zeit. Ach ja, er rennt in weniger als vier Sekunden von 0 auf 100 km/h.

Zeekr bringt den 001 nach Europa, in verschiedenen Märkten wie England, den Niederlanden und Schweden ist er bereits erhältlich, dies ab umgerechnet etwa 57 000 Franken, die Topversion kommt auf etwas über 65 000 Franken. Die Preisskala eines durchaus vergleichbaren Porsche Taycan beginnt bei 110 000 Franken.

Eigenes Designcenter

Aber Zeekr kann es auch günstiger: Der X, den Kunden in Schweden und den Niederlanden bereits bestellen können und der noch in diesem Jahr ausgeliefert wird, kostet ab umgerechnet 43 000 Franken. Auch bei diesem zweiten Modell handelt es sich um ein Schmuckstück, optisch weit aufregender als etwa seine direkten Konkurrenten Tesla Model Y oder VW ID 3. Der X ist mit ­einer 69-kWh-Batterie und Heckantrieb ausgerüstet, die Leistung liegt bei 200 kW (272 PS) und 343 Nm maximalem Drehmoment. Dazu gibt es aber auch noch den Allradler mit satten 315 kW (428 PS) und 543 Nm maximalem Drehmoment, der wie der 001 in 3.8 Sekunden von 0 auf 100 km/h rauscht. 440 Kilometer maximale Reichweite sollen mit dem Auto möglich sein.

Gestaltet wurde der Zeekr X vom Team rund um Stefan Sielaff, den ehemaligen Audi-Chefdesigner. Der arbeitet nicht in Hangzhou, wo Geely sein Hauptquartier hat, sondern im schwedischen Göteborg, wo Zeekr sein Global Design Center eingerichtet hat. Geely investiert seit zehn Jahren kräftig in Schweden, nicht nur in Volvo, sondern auch in China Europe Vehicle Technology, wo auch für Polestar sowie Lynk & Co. gearbeitet wird. Dass Zeekr nun sein eigenes Design-Hauptquartier erhalten hat, zeigt den Stellenwert der Marke im Imperium von Li Shufu.

Für die Generation Z

Doch Zeekr will nicht allein mit gutem Design überzeugen, für Europa-Chef Spiros Fotinos geht es noch mehr um intelligente Software: «Bei uns geht es um die technische Seite der intelligenten elektrischen Mobilität.» Die wird auch nicht bei Apple oder Google eingekauft, sondern selber entwickelt, so kann man schneller und vor allem gezielter auf Kundenwünsche eingehen. Das Ziel­publikum trägt Zeekr ja schon im Namen: Generation Z. Und diese soll auch nur teilweise über Händler bedient werden, Service und allfällige Reparaturen sollen mobile Mechaniker übernehmen. Wie das genau funktionieren soll, muss die Zukunft weisen.

Die Konzentration auf die Generation Z wiederum könnte aber Folgen haben für die bekannteren Marken im Konzern. Da die E-Technik ohnehin konzernweit genau gleich ist, von Zeekr bis Smart, und von Volvo bis Polestar alle auf der gleichen Plattform stehen, geht es um die Positionierung. Volvo steht klar für Sicherheit, Stabilität, Familien, Lotus darf die sportliche Schiene fahren. der Fokus von Zeekr scheint auch genau definiert zu sein, eben eine jüngere Kundschaft, Lifestyle, intelligente Software. Doch was bleibt dann für Smart, Polestar, all die chinesischen Brands? Li Shufu wird es wahrscheinlich wissen. 

Spiros Fotinos, der Europa-Chef von Zeekr, hat klare Vorstellungen.

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