Kann er das Feuer weitergeben?

Der Tonale ist Alfa Romeos Vertreter im heiss umkämpften Segment der Kompakt-­SUV. Wir testeten den neuen Plug-in-Hybrid aus Italien.

Lassen wir für einmal das Auto auf uns wirken, ohne uns allzu viele Gedanken zu machen. Ein Alfa Romeo ist meistens ein Ereignis, besonders in jüngerer Zeit. Zwar stehen die Autos für automobile Faszination, Leidenschaft und das Ausbrechen aus vorgegebenen Schemas, oft aber schlagen ihnen auch Skepsis, Vorbehalte und glatte Ablehnung entgegen.

Der Tonale macht hier keine Ausnahme. Er basiert auf derselben Plattform wie der Jeep Compass, sie nennt sich Small Wide 4×4. Das Besondere daran ist die Chapman-Hinterachse, ein nach Lotus-Gründer Colin Chapman benanntes Set-up mit Querlenkern und Federbeinen, wie es in so legendären Wagen wie Lotus Elite oder Elan zu finden ist. Die Gründe dafür dürften nicht in der erstrebten Sportlichkeit liegen, sondern darin, dass FCA respektive heute Stellantis nach einer einfachen Lösung suchte, ­eine wahlweise angetriebene Hinterachse zu realisieren. In der Tat ist der Tonale als PHEV die einzige Version mit Allradantrieb. Der 1.3-Liter-Motor leistet dank Turboaufladung 180 PS, dazu kommt ein Elektromotor mit zusätzlichen 122 PS. Auf dem Papier werden damit 280 PS Systemleistung versprochen. Für ein so kompaktes Auto wirkt das grosszügig, zudem steht den beiden bisherigen Mildhybridmodellen wesentlich weniger Leistung zur Verfügung. 

Allerdings gibt das Datenblatt einen kleinen Hinweis darauf, was man tatsächlich zu erwarten hat. Nur gerade 30 Nm Drehmoment hat der Verbrennerpart des Plug-in seinen Mildhybrid-­Brüdern voraus, 270 Nm gegenüber 240 Nm sowohl in der 130- wie in der 160-PS-Version. Ein Gefühl wirklich souveräner Leistung will sich denn auch nicht einstellen, dafür dreht der Motor viel zu angestrengt hoch. Was ihm fehlt, ist eine gewisse Leichtigkeit. Wenn der Firefly genannte Motor schon beim lockeren Dahinsegeln mit seinem Brummen nervt, so wirkt er bei Tempowechseln geradezu angestrengt, auch das Getriebe ist bemüht und eher überfordert. Fahrfreude will sich nicht einstellen, der Antrieb ist kein Highlight.

Was hingegen gefällt, ist die Erscheinung des Tonale. Er ist mit dem Scudetto an der Front sofort als Alfa Romeo zu erkennen, wirkt gefällig und passt perfekt zur grösseren Giulia und vor allem zum grossen Bruder Stelvio. Dabei betont der Wagen auch optisch seine Gedrungenheit. Die hochgezogene Fensterlinie der hinteren Tür wirkt zusammen mit der breiten C-Säule recht massiv.

Unerwartet stark

Richtig punkten kann der Tonale bei der Bedienung. Die Mischung aus Bildschirmbedienung und Tasten ist gelungen, dabei stellen sich keine allzu grossen Fragen. Für die Fahrmodi gibt es ein Drehrad, dazu einen währschaften Wählhebel, der selbsterklärend funktioniert, während der Startknopf an der linken Lenkradspeiche sitzt. So lässt es sich gut leben, auch wenn der Fahrer das Lenkrad noch etwas näher zu sich hinziehen können sollte. Wirklich erstaunlich ist aber der grosse Verstellbereich der Sitzhöhe. Von einer Position nahe am Boden bis zur SUV-typischen Thronposition ist alles möglich. Zudem sind die Sitze gut gestaltet, einzig die unterschiedliche Höhe der Armablagen in der Mitte und an den Türen ist gewöhnungsbedürftig. Im Zweifelsfall wäre der Verzicht auf Stauraum unter der Mittelablage besser gewesen.

Generell hat Alfa Romeo zugunsten der Bedienerfreundlichkeit auf allzu viele Extralösungen verzichtet. Das nimmt dem Tonale zwar etwas an Charme – besonders beim uniformen, dunklen Innenraum des Testwagens –, sorgt aber auf Dauer für weniger Konfusion und damit ein einfacheres Leben in diesem Auto. Zwar ist weder der Kofferraum besonders gross noch die Rückbank besonders bequem, dafür gibt es mehr Bewegungsfreiheit, als man glaubt. Durch das kleine Seitenfenster und das abfallende Dach wirkt der Aufenthalt hinten aber, als sässe man in einer Höhle.

Unterwegs schlägt sich der Tonale bei längeren Autobahnetappen ganz ordentlich. Wenn es allerdings gilt, die Tonlage zu ändern, Lücken auszunutzen oder eine kurvige Landstrasse mit etwas inspirierter Beweglichkeit abzufahren, stemmt sich der Plug-in-Hybrid richtiggehend dagegen. Hier fehlt viel Feinarbeit, gelegentlich beschleicht einen das Gefühl, dass sich alle Komponenten missverstehen – Fahrer inklusive. 

Das ist schade, wir wünschten uns ja einen Alfa Romeo als Alternative zu den immer selben Verdächtigen in diesem Segment. Aber – und hier liegt wohl des Pudels Kern – es stecken zu viele Kompromisse in diesem Auto. Man kann das Alfa Romeo noch nicht einmal verübeln, denn ein hervorragendes Fahrwerk und leistungsfähige Motoren machten Giulia und Stelvio zu brillanten Modellen – aber nicht zu Erfolgsautos. Auch herausragende und oft teure Technik allein reicht dafür nicht aus. Obwohl die Lenkung es etwas an Gefühl vermissen lässt und man auch das üppige Leergewicht von zwei Tonnen nicht einfach verschwinden lassen kann (o. k., man kann, aber nur mit viel teurem, technischem Aufwand und einem dadurch grösseren Preisschild), umrundet der Tonale Kurven recht ordentlich. 

Doch in einer oder zwei Disziplinen gut zu sein, ist nicht genug. Erst recht nicht, wenn man wie der Tonale Plug-in-Hybrid in keiner Disziplin wirklich herausragt. Zum Erfolg tragen auch weiche Faktoren wie eine konsistente Modellpolitik, Transparenz in der Preisgestaltung und der Kommunikation, aber auch spürbare Leidenschaft bei.

Immerhin ergänzt der Tonale die stark ausgedünnte Alfa-Romeo-Palette und bringt wieder etwas Bewegung in die Showrooms und die Marke zurück auf die Landkarte. Gemäss den Zulassungszahlen legten die Italiener nicht zuletzt wegen des Tonale signifikant zu.

Am Thema vorbei

Am Ende bleibt dennoch ein schales Gefühl. Müsste ein Alfa Romeo nicht Begeisterung auslösen, Freude, einzusteigen, um eine schöne Route beherzt abzufahren? Sollte er nicht der Person hinter dem Lenkrad als Autokenner schmeicheln? Der Tonale Plug-in wirkt, als sei er nur entwickelt worden, um auch in Innenstädten mit Zufahrtsbeschränkungen verkehren zu dürfen – gerade Norditalien zählt mehrere solcher Städte –, während ­eine Steckerversion des Stelvio eine Stufe darüber auf sich warten lässt oder befürchtet werden muss, dass eine solche Version gar nie kommt.

Die Lücke zwischen dem Mildhybrid mit 160 PS und dem Plug-in-Hybrid mit 280 PS ist zu gross. Dazu kommt ein saftiger Preisaufschlag von fast 10 000 Franken. 52 500 Franken kostet der Mildhybrid mit 1.5-Liter-Motor in der Ti-Version, 61 900 Franken der Plug-in-Hybrid in derselben Ausstattung. Immerhin verfügt der PHEV serienmässig über Allradantrieb. Der schon im Mildhybrid kleine Tank verliert durch die 15.5-kWh-Batterie fast ein Viertel seines Volumens (42.2 statt 55 l) und lässt die Reichweite schrumpfen. Mit knapp 50 Kilometern elektrischer Reichweite erfüllt der Tonale aber seinen Hauptzweck. Wir freuen uns über Autos mit Charakter, auch der Alfa Romeo Tonale zeigt gute Ansätze. Aber er braucht noch einigen Feinschliff. 

Testergebnis

Gesamtnote 66.5/100

Antrieb

Der Chor singt wohl laut, aber nicht immer sehr beherzt und manchmal schlicht dissonant. Hier fehlt bislang ein ordentlicher Dirigent.

Fahrwerk

Dank Federbeinen an beiden Achsen gibt es kaum Grund zu klagen. Die Lenkung ist zwar präzise, aber etwas diffus mit ihren Rückmeldungen.

Innenraum

Unerwartet sachlich geht es im Innenraum zu und her. Hinten gibt es mehr Platz, als es den Anschein macht. Die Qualität ist ansprechend.

Sicherheit

Der Totwinkelwarner nimmt seine Aufgabe sehr ernst und warnt selbst noch, wenn der Lastwagen längst überholt ist. Aber er ist verlässlich.

Budget

Der Preis ist für ein Auto mit 1.3-Liter-Motor eine stolze Ansage, wer gut feilscht, findet für nicht viel mehr Geld einen Stelvio mit derselben – und vom Ladestand unabhängigen – Leistung sowie mit wesentlich lustvollerem Motor und harmonischerem Antrieb.

Fazit 

Wir hätten uns gewünscht, dass der Tonale rockt, uns aus den Socken haut und zeigt, wo in seinem Segment der Hammer hängt, so wie dies seine beiden älteren Geschwister Giulia und Stelvio tun. Aber der Tonale schafft das nicht, bleibt medioker und hat damit ein Handicap. Bleibt zu hoffen, dass er mit seiner Form und seiner unkomplizierten Bedienung neue Alfisti begeistern und die alten bei der Stange halten kann.

Die technischen Daten und unsere Messwerte zu diesem Modell finden Sie in der gedruckten Ausgabe und im E-Paper der AUTOMOBIL REVUE.

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