Zurück in die Zukunft

Mit seinem progressiven Aussehen und dem Elektroantrieb zeigt der iX, wie die Zukunft von BMW aussehen könnte. Die Bayer machen dabei einiges richtig.

Für die meisten Hersteller, egal ob aus Korea, Deutschland oder Japan, ist klar: Wenn man ein richtig gutes Elektroauto bauen will, braucht es dazu eine eigene Plattform. Einen Elektromotor in eine Verbrennerplattform zu packen, funktioniert zwar auch und meist gar nicht schlecht, aber man tut es eben nicht so gern. BMW geht einen eigenen Weg, da werden die Autos für das eine wie für das andere entwickelt. Und wie ein i4 oder ein i7 beweist, kann man auch mit einer hybriden Plattform vorzügliche Elektroautos bauen. Die grosse Ausnahme von der Regel ist – der iX. Seit 2021 ist das grosse SUV auf dem Markt und ausschliesslich als Elektroauto erhältlich. Damit will – oder muss – BMW den Beweis erbringen, dass man auch Elektroautos bauen kann, die von Grund auf als solche entwickelt wurden.

Gestalterisch steckt man bei BMW damit bereits in einem Dilemma, schliesslich hat sich die zunehmend grösser werdende Niere zu einem charakteristischen Merkmal entwickelt. Was tut man also bei einem Elektroauto, das gar keinen Kühlergrill und kaum mehr Frischluft benötigt? Man behält die Niere ganz einfach bei, in altbekannter Grösse. Fast ohne Nutzen ist sie als reines Designelement komplett aus Polyurethan gefertigt und kann unter der Wärmeeinwirkung kleine Steinschlagschäden oder Kratzer selbst reparieren. Dahinter verbergen sich diverse Sensoren für diverse Assistenzsysteme. Gesamthaft verfügt der iX über fünf Kameras, fünf Radar- und zwölf Ultraschallsensoren. Ebenso ausladend wie die Anzahl der Sensoren sind die Abmessungen des Autos. Mit ­einer Länge von fünf Metern und einer Breite von knapp zwei Metern wird es in der Stadt bereits eng, erst recht, wenn man am Strassenrand parkieren will, wo das Auto die Parkfelder nicht selten überragt. Zumal man gerne einen Sicherheitsabstand zum Randstein einhält, man will ja nicht die 2000 Franken teuren 22-Zoll-Felgen zerkratzen.

Schnell – aber nicht sportlich

Um das Schwergewicht zu bewegen, bietet BMW drei verschiedene Antriebssysteme an, allesamt mit Allradantrieb. Das Einstiegsmodell xDrive 40 leistet 240 kW (326 PS), der xDrive 50 bringt 385 kW (523 PS) und an der Spitze steht der M60 mit 455 kW (619 PS). Unser Testwagen ist ein xDrive 50. Mit einer Bruttokapazität von 111.5 kWh (netto 105.2 kWh) gehört die Batterie des iX zu den grössten auf dem Markt. Damit soll eine WLTP-­Reichweite von 633 Kilometern möglich sein, womit der BMW der Konkurrenz um mindestens 50 Kilometer davonfährt. Die Wahrheit liegt wie immer etwas darunter, aber auch die 554 Kilometer nach AR-Normrunde sind ein Spitzenwert. Dabei ist die riesige Batterie einer von zwei Erfolgsfaktoren, der zweite ist der gute Verbrauch von 19.0 kWh/100 km. Damit ist die Reichweitenangst endgültig besiegt. Nachzuladen dauert allerdings entsprechend länger, rund 35 Minuten von zehn auf 80 Prozent – bei einer Ladeleistung von maximal 200 kW, was Klassendurchschnitt ist. Tesla schafft beim Model X noch etwas mehr, Mercedes und Audi liegen mit dem EQE beziehungsweise dem SQ8 E-Tron etwas darunter.

Dass der iX ein reinrassiges Elektromodell ist, wie eingangs erwähnt, stimmt übrigens nicht ganz. So ist er zwar nur mit Elektroantrieb erhältlich, basiert aber im Grunde auch auf der modularen CLAR-Plattform, auf der alle grossen Modelle von BMW aufgebaut sind. Der iX wird im Werk von Dingolfing (D) in der Nähe von München auch auf der gleichen Produktionslinie gefertigt wie die Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor. Das Aluminiumchassis hat sich bewährt und kann seine Stärken auch im iX ausspielen. Durch den Einsatz von kohlefaserverstärktem Kunststoff ist das Auto trotz seiner überdimensionierten Abmessungen und der riesigen Batterie vergleichsweise leicht – sofern man bei einem Leergewicht von 2.5 Tonnen noch von leicht sprechen darf. Dass das Verbundmaterial im Türrahmen und im Kofferraum sichtbar ist, verleiht dem iX optisch noch einen sportlichen Touch. Die Aufhängung ist vorne als doppelte Dreiecksquerlenkerachse und hinten als klassische Mehrlenkerachse ausgeführt. Das Luftfahrwerk ist selbstredend elektronisch geregelt, ausserdem ist eine Allradlenkung Serie. Beim stolzen Preis von 121 300 Franken, den ein xDrive 50 mindestens kostet, ist das auch nicht verkehrt.

Die Fahrleistung ist durchaus beeindruckend, mit 4.7 Sekunden (gemessen) ist auch der Sprint von 0 auf 100 km/h schnell erledigt. Das kann aber auch nicht über die Tatsache hinwegtäuschen, dass der iX alles andere als sportlich ist. Die Wankbewegungen des Aufbaus halten sich zwar in Grenzen, aber die schiere Masse macht sich dennoch unweigerlich bemerkbar, in zügig gefahrenen Kurven neigt das Auto zum Untersteuern. Andererseits gibt die präzise Lenkung keinerlei Anlass zu Kritik, und die Luftfederung sorgt für einen Komfort an Bord, der seinesgleichen sucht. Die Stille, die im Inneren herrscht, ist unvergleichlich, die schallisolierten Fenster halten Abroll- und Windgeräusche konsequent draussen. Die Bremse ist gut dosierbar, allerdings lässt sich die Rekuperation nicht manuell über Lenkradpaddles verstellen. Anstelle der manuellen Einstellung tritt bei BMW die elektronische Intelligenz. Diese lässt das Auto beim Heben des Gaspedals frei rollen, solange die Strasse frei ist, und aktiviert die Rekuperation, sobald ein langsamer vorausfahrendes Fahrzeug erkannt wird. Ausserdem kann der Fahrer jederzeit auch den B-Modus aktivieren, mit dem One-Pedal-Driving ermöglicht wird.

Wertigkeit erhalten – fast überall

Bei der Türentriegelung folgt BMW nicht dem heutigen Trend der ausfahrbaren Türgriffe – sondern geht gleich noch einen Schritt weiter und lässt die Türen auf Knopfdruck aufschwenken. Auch von innen werden die Türen auf Knopfdruck geöffnet, optional gibt es noch ein Soft-Close-System, das die Türen sanft zuzieht. Einmal eingestiegen, werden Stammkunden der Marke ihre Mühe haben, sich zurechtzufinden. Das Armaturenbrett wurde auf ein Minimum reduziert, mit Ausnahme von drei kleinen Knöpfen (Warnblinker, Front- und Heckscheibenheizung) wurde es von jeglichen physischen Bedienelementen befreit. Ansonsten finden sich diese bloss noch auf der Mittelkonsole, wo BMW den bewährten Drehdrücksteller für die Bedienung des Infotainments beibehält. Einziges kleines Manko: Dieser sieht zwar elegant aus, je nach Einfall des Sonnenlichts blendet der Knopf aus geschliffenem Glas aber den Fahrer. Die Bildschirme von Infotainment und Kombiinstrument scheinen über dem Armaturenbrett zu schweben. Die Bedienung ist logisch aufgebaut und intuitiv zu verstehen, auch wenn die Menüs bisweilen etwas überladen sind. Wer sich aber nicht zurechtfindet, dem gehorcht die Sprachbedienung einwandfrei – was auch heute noch nicht selbstverständlich ist. Besonders erwähnenswert ist auch das Navigationssystem mit Augmented Reality. Das Lenkrad hat den BMW-typischen dicken Kranz und liegt gut in der Hand.

Die beeindruckenden Dimensionen des Fahrzeugs ermöglichen ebenso beeindruckende Innenabmessungen. Die gemessene Breite von 159 Zentimetern im Bereich der Ellenbogen von Fahrer und Beifahrer ist in diesem Segment rekordverdächtig und rund fünf bis zehn Zentimeter breiter, als die Konkurrenz anzubieten vermag. Verstärkt wird das grosszügige Raumgefühl dadurch, dass die Mittelkonsole vor dem Armaturenbrett endet und somit viel Leerraum zwischen den Sitzen entsteht. Dieser kann sogar zur Ablage von kleinerem Gepäck genutzt werden, beispielsweise wenn die Dame am Steuer ihre Handtasche nicht auf dem Beifahrersitz platzieren möchte, weil da bereits die Begleitung sitzt. Durch den komplett flachen Boden besteht allerdings das Risiko, dass Gegenstände wie Trinkflaschen vom Fussraum der Beifahrer­seite zum Fahrer rollen und den Pedalen in die Quere kommen. Und – um noch einmal auf die Dame am Lenkrad zurückzukommen – die eigenwillige Gestaltung der Sitze mit den Kunststoffeinsätzen in den Kopfstützen ist für kleinere Personen äusserst unbequem. Die Sitze der Rückbank sind nicht verstellbar, aber die Beinfreiheit ist vorbildlich und auch der Platz für die Füsse ausreichend, da sich diese unter den Vordersitzen platzieren lassen. Im Kontrast zur grosszügigen Rückbank – oder eben als Folge davon – fällt das Kofferraumvolumen mit nur 500 Litern unterdurchschnittlich aus.

Dies ist einer der wenigen Punkte, bei denen der BMW schlechter abschneidet als seine direkten Konkurrenten, in den meisten anderen Disziplinen lässt er sie hinter sich. Als weiteren Minuspunkt könnte man die wenig hochwertigen Materialien erwähnen, die im unteren Bereich des Innenraums verbaut sind und besonders in Kontrast stehen zum schönen Sichtkarbon in den Türbögen. Aber was den exzessiven Einsatz von billigem Plastik angeht, ist die Konkurrenz auch nicht besser. Und wer den Blick nach oben richtet, kommt zum Ausgleich in den Genuss eines wunderschönen, weil auf Knopfdruck dimmbaren Panoramadaches. So bleibt die Wertigkeit, die man von den Bayern erwartet, erhalten – man muss nur am richtigen Ort schauen. 

Testergebnis

Gesamtnote 75/100

Antrieb

Am Antrieb des BMW iX gibt es nichts auszusetzen. Der Vortrieb ist atemberaubend und die Reichweite von deutlich über 500 Kilometern bisher einzigartig.

Fahrwerk

Das adaptive Luftfahrwerk ist komfortabel abgestimmt, allerdings kämpft es mit dem Leergewicht von über 2.5 Tonnen.

Innenraum

Der Innenraum ist geräumig, der Kofferraum weniger. Die Materialwahl ist an gewissen Stellen einwandfrei, an anderen zeichnet sie sich durch billiges Plastik aus.

Sicherheit

Zusätzlich zu seiner Armada an Fahrhilfen verfügt der BMW iX über regenerative Bremsen, die die Rekuperationsleistung dem Verkehr anpassen.

Budget

Grosse Premium-SUV sind nicht günstig – nie. Allerdings liegt der iX mit seinem Grundpreis von 122 400 Franken noch einmal spürbar über dem Durchschnitt.

Fazit 

Mit dem iX hat BMW ein Elektrofahrzeug mit grosser Reichweite und ­guter Leistung, aber wenig Fahrspass gebaut und erzielt damit ein durchwachsenes Ergebnis. Dennoch übertrifft das Fahrzeug seine Konkurrenten in den meisten Bereichen, wie der Vergleich zeigt.

Die technischen Daten und unsere Messwerte zu diesem Modell finden Sie in der gedruckten Ausgabe und im E-Paper der AUTOMOBIL REVUE.

1 Kommentar

  1. Mit dieser Akkugrösse könnte man drei normale Autos ausrüsten. Und dann haben die Besitzer noch das Gefühl, dass sie nachhaltig unterwegs sind. Wehe, man crasht mit einem normalen Auto gegen diese rollende Felswand. Völlig falsche Entwicklung der Elektromobilität. Definitiv Daumen runter.

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