Kinder, Kinder!

Autos für Kinder oder für verspielte Erwachsene? Die Miniaturen der Little Car Company machen in jedem Alter Spass.

Der erste Eindruck ist der eines klassischen Autos, besonders gut gelungen ist der Ferrari. Beim zweiten Blick wird klar, dass etwas nicht stimmen kann. Zwischen 66 und 75 Prozent der Originalgrösse messen die vier Automodelle der Little Car Company aus dem englischen Bicester. Die ehemalige RAF-Basis ist heute ein Zentrum für historische Fahrzeuge und traditionelles Handwerk: Sattlerei, Blechbearbeitung und Mechanik. Hier liess sich 2019 die Little Car Company nieder, um den Bugatti Type 52 wieder aufleben zu lassen. Das elektrische Kinderauto wurde in den 1920er- und 1930er-­Jahren in Molsheim (F) gebaut. Ursprünglich sollte nur ein einzelnes Exemplar für Ettore Bugattis jüngsten Sohn Roland entstehen. Daraus wurden je nach Quelle zwischen 70 und 250 Stück. 

Neu interpretiert

Die Little Car Company startete vor vier Jahren mit einer Neuinterpretation dieses Baby-Bugatti zur 110-Jahr-Feier der Molsheimer. Wie das Original treibt den Schrumpf-Bugatti ein Elektromotor an. Erstmals gezeigt wurde der Little Car am letzten Salon in Genf. Mit einem Zwölf-Kilowatt-Motor ausgestattet, lässt es sich mit dem Zweisitzer auf dem Hof des elterlichen Landsitzes herumkurven. Als Fahrschalter dient der Nachbau des Benzinpumpenhebels aus dem Vorbild. Little Cars werden nie in der Spielzeugabteilung eines Warenhauses zu finden sein, sondern in der Schweiz von Schmohl Exclusive Cars importiert. Damit stehen sie in Kemptthal ZH, Weinfelden TG und in naher Zukunft auch in Zug in denselben Showrooms wie ausgewachsene Klassiker und Klasseautomobile. Offen bleibt die Frage nach der Anzahl Landgüter, auf denen sie gefahren werden können, denn sie sind nicht für den Strassenverkehr zugelassen. Allerdings gibt es gewiss Sammler, die sich zum Aufrunden noch ein kleines Auto in die Halle stellen. Egal wie teuer, bei Schmohl Exclusive Cars gibt man sich in Sachen Nachfrage durchaus zuversichtlich.

Segen aus Maranello

Auf Wunsch gibt es Borrani-Speichenfelgen mit Pirelli Cinturato im Zwölf-Zoll-Format, die Karosserie wirkt harmonisch wie beim grossen Vorbild, einzig beim Sound geht der Ferrari aus Bicester andere Wege als seine grossen Vorbilder aus Maranello (I). Doch er liegt gut, dieser Schrumpfsportwagen. Es gibt sogar eine Option mit Vierpunktgurten und Überrollbügel. Unser Probewagen verzichtet auf solche Dinge. Die Rundstrecke vor Fredy Lienhards Autobau in Romanshorn TG bietet zu wenig Anlauf für den Stromboliden, um auf gefährliche Geschwindigkeiten zu kommen. Dennoch ist der Testarossa J, so sein korrekter Name, mit 80 km/h der schnellste der mittlerweile aus vier Modellen (Bugatti, Testarossa J, Aston Martin DB5 und DB5 «No Time to Die») bestehenden Flotte von Little Cars. Ja, der Elektroflitzer hält gar den Streckenrekord für einen rein elektrisch betriebenen Ferrari auf der hauseigenen Teststrecke des steigenden Pferdes in Fiorano (I).

Ein Bond – aber kindersicher

Der Aston Martin DB5 «No Time To Die» wirkt selbst in Zweidrittel-Verkleinerung noch imposant. Die Serie, limitiert auf 125 Stück, ist für wahre Bond-Fans gedacht, denn das kleine Auto wartet mit einigen Gadgets auf. Es gibt eine Rauchmaschine im Heck und ausfahrbare Maschinengewehre unter den vorderen Positionsleuchten. Es versteht sich, dass es sich bei den Gewehren um Attrappen handelt, ausser mit einem knarrenden ­Geräusch können sie niemanden ernsthaft erschrecken. Bei so viel Spieltrieb ist es interessant zu erfahren, das der Aston das stärkste Fahrzeug der Flotte ist: 16 Kilowatt leistet der Elektromotor, für die lieben Kinderlein lassen sich diese allerdings auf ein einziges Kilowatt limitieren. Voll aufgedreht aber schwingt sich der wie alle anderen Little Cars heckgetriebene Aston flott um die Kurven, gedreht wird dazu an einem echten Nardi-­Holzlenkrad. Was der Spass kostet will übrigens niemand wissen. Wer fragen muss, gehört ganz gewiss nicht zur avisierten Zielgruppe. Wer sich ein Little Car kauft, wird den Preis sowieso rasch vergessen. Und wer einen geschenkt bekommt, der soll es nicht erfahren. Vielleicht braucht es aber für uns, das Fussvolk, das höchstens einmal ein Kettcar besass, einen Hinweis: Etwa zum gleichen Preis gäbe es auch einen neuen Porsche 911 Cabriolet. 

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