So pendelt die Schweiz

Der Berufsverkehr hat sich in den vergangenen Jahren verändert – das Auto war aber schon vor Corona der Schweizer liebstes Verkehrsmittel. Und wird es auch bleiben.

Für die meisten Schweizer ist das Auto das Verkehrsmittel der Wahl für den Arbeitsweg.

Des Schweizers liebstes Verkehrsmittel ist das Auto. Auch für den Arbeitsweg. Diese wenig überraschende Erkenntnis bringt die letzte Pendlerstatistik des Bundesamtes für Statistik. Schweizweit pendelten im Jahr 2021, aus dem die kürzlich publizierten Zahlen stammen, 3.47 Millionen Menschen regelmässig zwischen Wohn- und Arbeitsort. Das sind knapp die Hälfte der 7.25 Millionen Einwohner und mehr als drei Viertel der 4.4 Millionen Erwerbstätigen in der Schweiz. Im Vergleich zum Jahr 2019 zeigte sich damit eine leichte Abnahme der Pendlerströme und eine Zunahme der berufstätigen Nichtpendler – eine Folge von Corona, Home­office-Pflicht und der vermehrten Akzeptanz von Homeoffice bei den Arbeitgebern. Dass gleichzeitig auch der Wert der Individualmobilität wieder erkannt wurde, ist auch bekannt.

Dämpfer für den ÖV

Für die meisten Schweizer ist das Auto dabei Verkehrsmittel Nummer eins. So nutzen 54.2 Prozent der Pendler das Auto als Hauptverkehrsmittel. Der öffentliche Verkehr kommt auf 27.1 Prozent, der Langsamverkehr auf 18.1 Prozent. Nur in wenigen Kantonen ist der öffentliche Verkehr erste Wahl für den Berufsverkehr, nämlich in den Stadtkantonen Genf (41.0 %) und Basel-Stadt (41.1 %) sowie in Zürich (42.6 %). Im Kanton Basel-Stadt übrigens hält sich der ÖV fast die Waage mit dem Langsamverkehr als beliebtestes Verkehrsmittel. So nutzen vier von zehn Baslern das Velo für den Arbeitsweg oder gehen zu Fuss. Nach wie vor am wichtigsten ist das Auto in den ländlich geprägten Regionen. So ist der Stellenwert des Autos für den Berufsverkehr am stärksten in den Kantonen Wallis (68.5 %), Appenzell Innerrhoden (69.8 %) und Freiburg (70.8 %).

Betrachtet man die Entwicklung in den vergangenen Jahren so zeigt sich, dass Corona im Jahr 2020 dem öffentlichen Verkehr einen klaren Dämpfer verpasst hat. Daran konnte auch die Panik vor der Klimaveränderung und die Darstellung der Bahn als vermeintlichen Saubermann wenig ändern. So ist der Anteil des öffentlichen Verkehrs am Pendlerverkehr weiterhin rückläufig. Nutzniesser dieser Verschiebung ist aber nur in beschränktem Masse das Auto, sondern vor allem der Langsamverkehr – also das Velo und der Fussverkehr –, dessen Anteil seit 2019 einen klaren Aufwärtstrend aufweist (s. Grafik oben r.). Dabei sind es nicht ausschliesslich die Städter, die auf das Velo als Verkehrsmittel setzen, sondern auch in ländlichen Kantonen kommt es gerne zum Einsatz – überall da nämlich, wo die Pendeldistanzen kurz sind, weil die Bevölkerung zu einem grossen Teil innerhalb der Gemeinde arbeitet und gar nicht weit pendelt.

So ist die Dauer, die die Bevölkerung täglich im Verkehr unterwegs ist, tatsächlich in den ländlichen Kantonen oftmals kürzer als in den Städten. Im Durchschnitt verbringen die Schweizer Pendler 58 Minuten pro Tag auf dem Arbeitsweg. Rund zwei Drittel der Pendler verbringen weniger als zwei Stunden täglich auf ihrem Arbeitsweg, 22 Prozent über zwei Stunden und acht Prozent über vier Stunden. Dabei sind es aber nicht die Städter, die besonders schnell im Büro sind. Wie die Statistik des Bundes zeigt, verbringt die Bevölkerung in ländlichen Gebieten im Durchschnitt deutlich weniger Zeit auf dem Arbeitsweg als die Stadtbevölkerung.

Für die Büezer unerlässlich

Wenig überraschend ist das Auto bei den handwerklich tätigen Berufsgruppen besonders stark vertreten. Einerseits, weil da eine hohe Mobilität besonders gefragt ist, die nur das Auto bieten kann. Andererseits aber auch, weil in der Pendlerstatistik auch Fahrten mit sogenannten Werksbussen in den motorisierten Individualverkehr mit einfliessen, also beispielsweise ein Handwerker, der am Abend mit seinem Dienstfahrzeug nach Hause fährt und dabei vielleicht noch Werkzeug oder Material transportiert, mit dem er am Morgen direkt zur nächsten Baustelle fährt. Dafür ist das Lastenfahrrad nicht besonders geeignet, und wenig überraschend sind im schweizerischen Durchschnitt fast drei Viertel aller Handwerker mit dem Auto unterwegs. Bei den Akademikern ist der Anteil der ÖV- und Velo-Pendler deutlich höher, sie sind die einzige Berufsgruppe, bei der das Auto als Verkehrsmittel in der Minderheit ist. Diese Berufsgruppe ist denn auch in den grossen ÖV-Kantonen Zürich, Genf und Basel besonders stark vertreten.

Die detaillierte Statistik des Bundes erfasst ausser der Berufsgattung noch eine Vielzahl weiterer Faktoren wie Herkunft oder Geschlecht der Pendlerinnen und Pendler. Ein Blick auf diese Zahlen offenbart keine Aussergewöhnlichkeiten – und auch das sagt etwas aus. So sind Männer und Frauen zu fast gleichen Teilen am Pendlerverkehr beteiligt. Ausgewogen ist auch ihr Anteil an den verschiedenen Verkehrsmitteln, obwohl bei den grösstenteils männlich besetzten Handwerksberufen das Auto besonders stark vertreten ist. Auch zwischen Schweizern, Schweizern mit Migrationshintergrund und Ausländern zeigen sich kaum Unterschiede bei der Wahl des Verkehrsmittels für den Arbeitsweg.

Auto war schon immer stark

In der längerfristigen Betrachtung über die vergangenen rund 30 Jahre zeigt sich, dass sich der Stellenwert des Autos kaum verändert hat – trotz Milliardeninvestitionen in den öffentlichen Verkehr. Von den 3.4 Milliarden Pendlern nutzten im Jahr 1990 fast genau die Hälfte das Auto als Hauptverkehrsmittel (50.1 %) und 28 Prozent den öffentlichen Verkehr. Bis ins Jahr 2019 blieb der Anteil des Autos nahezu konstant, derjenige des öffentlichen Verkehrs nahm um rund zwei Prozentpunkte auf 30.6 Prozent zu. In den vergangenen drei Jahren haben sich die Anteile bekanntlich noch einmal klar verschoben, und das Auto hat zulasten des öffentlichen Verkehrs deutlich zugelegt. Ob diese Veränderung nachhaltig ist, wird sich in den kommenden Jahren weisen. Es ist aber zu erwarten, dass der Individualverkehr nicht an Attraktivität einbüsst. Schliesslich ist sein Anteil am Pendlerverkehr sogar in den Städten hoch – trotz kurzer Distanzen, autofeindlicher Verkehrsgestaltung und gut ausgebauten öffentlichen Verkehrs. 

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