Und auf die Grösse kommt es doch an

Männer, die körperlich etwas unter-aus­gestattet sind, kompensieren das mit ihrem Auto. Eine Studie scheint dieses Klischee zu bestätigen.

Das Klischee ist so alt wie das Automobil. Grosses Auto, kleiner Penis, geht der gängige Spott. Natürlich schwingt auch immer eine Spur Neid mit, wenn ein Mann in einen Sportwagen aus Zuffenhausen oder Maranello steigt. Eine Studie des University College London bestätigt, dass es einen «Beweis für eine psychologische Verbindung» zwischen ­einem unterdurchschnittlichen Geschlechtsteil und dem Wunsch nach einem sportlichen Auto gibt. Dies besagt die Untersuchung «Kleine Penisse und schnelle Autos» von Daniel C. Richardson und Chuck Thompson.

Listige Manipulation der Teilnehmer

Um zu diesem Ergebnis zu gelangen, warteten die beiden Männer und ihr Team nicht mit einem Massband auf die Fahrer von Sportwagen an roten Ampeln. Sie forderten die Herren auch nicht auf, sich selbst einzuschätzen. Solche Schätzungen fallen immer deutlich zu optimistisch aus, wissen Experten. Richardson musste eine List anwenden. Er lud 200 Männer jeden Alters ein, sich vor einen Computer zu setzen, ohne ihnen zu sagen, worum es in der Studie ging. Auf dem Bildschirm wurden unterschiedliche Fakten präsentiert, die sich die Teilnehmer wie bei einem Gedächtnistest einprägen sollten. In anderen Fragen wurden die Herren aufgefordert, zu erklären, wie sehr sie sich nach Luxusgegenständen oder bestimmten Lebensmitteln sehnen. Inmitten dieser Infos schob Richardson eine Frage über die durchschnittliche Grösse des erigierten Penis ein. Er liess die eine Hälfte der Teilnehmer glauben, dass der durchschnittliche Penis nicht grösser als zehn Zentimeter sei, und die andere Hälfte, dass der durchschnittliche Penis 18 Zentimeter lang sei – die Wahrheit liegt wie meistens im Leben ziemlich exakt in der Mitte der beiden Werte.

Die Studienteilnehmer wurden also manipuliert – und fühlten sich unbewusst von der Natur bevorzugt oder benachteiligt. Ein paar Klicks weiter wurde den Teilnehmern das Bild eines Sportwagens gezeigt. Überraschendes Ergebnis: Die Teilnehmer, die sich zu kurz gekommen fühlten, zeigten ein grösseres Verlangen nach dem Sportwagen als die Mitglieder der anderen Gruppe. Die Forscher wiesen durch diese Manipulation also einen Zusammenhang zwischen der Grösse des Penis und dem Verlangen nach einem sportlichen Auto nach. Eine gemeine Art, sein Ziel zu erreichen? Daniel C. Richardson verteidigt sich mit einem Lächeln: «Sagen wir es so: Das ist erlaubt, um solche Fragen untersuchen zu können. Am Ende machen wir immer ein Debriefing, in dem wir offenlegen, wo die Manipulation stattgefunden hat.»

Es ist nicht überraschend, dass sich die Medien auf die Anfang Januar veröffentlichte Studie stürzten, obwohl sie noch nicht im ­Rahmen eines wissenschaftlichen Peer- Reviews bestätigt wurde. Die britischen Medien gingen nicht gerade zimperlich mit dem Forscherteam um: «Wir wurden als dumme Wissenschaftler bezeichnet, die nichts anderes zu tun hätten, als auf der Titelseite des ‹Daily Mail› zu erscheinen», sagt Richardson, der «sehr überrascht» war, dass seine Studie so viel Aufmerksamkeit erhielt.

Wortgefecht Thunberg gegen Tate

Richardson goss jedoch Öl ins Feuer in der Ausein­andersetzung zwischen der Umweltaktivistin Greta Thunberg und Andrew Tate. Der Influencer provozierte die junge Schwedin mit seinen Sportwagen, während Thunberg dem ehemaligen Kickbox-Champion sarkastisch entgegnete, dass er wohl «etwas» ausgleichen müsse. «Die Wissenschaft ist wieder einmal auf deiner Seite, Greta», twitterte Richardson, um die junge Aktivistin zu unterstützen. Die Studie wurde weltweit bekannt und rief sehr negative Reaktionen hervor.

Für Thompson, der sich in seinem aktuellen Buch mit dem Thema Status und dem Wandel von Statussymbolen beschäftigt, belegt der Wirbel um die Studie deren Berechtigung: «Die Aufmerksamkeit, die die Studie erhalten hat, beweist, dass es sich um ein relevantes Thema handelt, das in den Köpfen aller Menschen ist. Männer forschen am Penis, mehr als an jedem anderen Körperteil», sagt Thompson.

Dennoch lassen die Ergebnisse der Studie einige Menschen ratlos zurück, wie etwa Sofia Ferrazzini, eine Sexualwissenschaftlerin, die in Mont-sur-Lausanne praktiziert. «In unserer Praxis fanden wir es ziemlich lachhaft, eine solche Verbindung herzustellen», sagt sie. «Es gibt viele Faktoren, die eine Rolle spielen können, wie zum Beispiel die sozio-professionelle Klasse. Ich denke, dass jemand aus der Arbeiterklasse eher Lust auf ein grosses Auto hat, auch wenn er ein grosses Geschlechtsteil hat.» Ferrazzini sieht hinter dem Wunsch nach Sportlichkeit eher einen evolutionär vererbten Reflex, den Konkurrenzinstinkt unter Männern: «Das Auto könnte ein Mittel zur Kompensation sein, aber auch ein Instrument des Vergleichs. Man sieht zum Beispiel oft, wie Burschen ihren Roller frisieren, damit er schneller und lauter ist als der des Freundes. Es geht dann weiter mit dem Auto, eine Art, sich zu vergleichen, sich in Konkurrenz zu stellen.»

Entspannt im Sportwagen

Ferrazzini findet Bestätigung in den Worten von Thomp­son: «Das Auto ist zum ultimativen Objekt der Statusdarstellung geworden, weil es mobil ist und Reichtum demonstriert. Kein anderes Objekt in der Geschichte der Menschheit vereint diese Elemente. Es wurde auch zu einem Instrument der Dominanz, das mit Männlichkeit in Verbindung gebracht wird. In diesem Kontext sind die Muscle-Cars entstanden, als die USA nach dem Zweiten Weltkrieg ihren Höhepunkt an Einfluss erreichten.» Sofia Ferrazzini möchte die Herren jedoch beruhigen: «Männer machen sich Sorgen um die Grösse ihres Geschlechts, weil sie sich mit anderen Männern vergleichen, es ist eine Frage des Selbstwertgefühls. Es gibt jedoch eine Verwechslung zwischen der Grösse des Penis und der Fähigkeit, eine Partnerin zu befriedigen.»

So gesehen kann man ganz entspannt mit seinem Sportwagen fahren. 

In seinem aktuellen Buch «The Status Revolution»
beschreibt Chuck Thomp­son, was Status heute bedeutet.

«Ein Wettbewerb zwischen Männern»

Die Studie «Small Penises and fast Cars» erregte weltweit Interesse. Daniel C. Richardson, Experimentalpsychologe am University College London, und Buchautor Chuck Thompson erklären den wissenschaftlichen Ansatz.

Automobil Revue: Was für ein Auto fahren Sie?

Chuck Thompson: Ich besitze einen Dodge Ram 1500 von 2014 und einen Buick Le Sabre von 2002. Wenn ich damit fahre, sagen mir meine Freunde, dass ich wie ein Versicherungsmakler im Ruhestand aussähe (lacht).

Daniel C. Richardson: Ich fahre das unsexyste Auto der Welt, einen Toyota Prius.

Wie kam es zu der Idee zur Studie?

Thompson: Jeder hat von dem Klischee gehört, dass Männer, die ein sportliches Auto besitzen, ­einen kleinen Penis haben. Ich habe nichts gefunden, was diesen Glauben unterstützt. Jeder scheint daran zu glauben, aber es gibt keine Beweise. Ich dachte mir: Was ist, wenn ein Körnchen Wahrheit dahinter steckt? Ich interessierte mich nicht für das Ergebnis, sondern für den wissenschaftlichen Prozess. Ich lernte Daniel Richardson kennen, und wir teilen denselben inquisitorischen Geist und diese wenig intellektuelle Sensibilität.

Richardson: Als ich den Anruf von Chuck Thomp­son bekam, war meine erste Reaktion: Auf keinen Fall, ich fasse das Thema nicht an. Ich dachte mir, das ist nur der gesunde Menschenverstand. In der Psychologie gibt es jedoch diese Grauzonen, in denen jeder glaubt, etwas zu wissen, aber niemand wirklich weiss, ob es wahr ist, so wie «Gegensätze ziehen sich an». Für mich ist die Frage nach der Penisgrösse und Sportwagen die Art von Thema, von dem jeder glaubt, es zu kennen, das aber niemand wirklich kennt. Die Frage war, ob wir diese Frage beantworten können, ohne etwas zu messen (lacht). Das Wichtigste war, die Neugierde, um das Projekt zu initiieren, und die richtigen Werkzeuge zu haben.

Woher kommt der Wunsch von Männern, zu kompensieren, wenn sie sich von der Natur schlecht ausgestattet fühlen?

Richardson: Ich denke, dass der Wunsch nach ­einem grossen Geschlechtsteil auf den Wettbewerb zwischen Männern zurückzuführen ist. In der Tierwelt kann man beobachten, dass die Paarung zu einem Wettbewerb zwischen den Männchen führt. Sie setzen sich in Szene wie die Pfauen, die ein Rad schlagen, um die Weibchen zu verführen. Es gibt eine Reihe von Studien, die belegen, wie sehr der Wunsch, eine Frau zu verführen, den Wettbewerb unter Männern anheizt. Wenn eine Wohltätigkeitsorganisation Spenden sammeln will, bekommt sie mehr Geld, wenn eine attraktive Frau die Spendensammlung leitet und die Männer sehen können, was die anderen gespendet haben. 

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