Sonnige Aussichten für Treibstoffe

Das Schweizer Start-up ­Synhelion steigt in die ­Produktion synthetischer Treibstoffe mithilfe von Sonnenwärme ein. Das Potenzial der Technik ist gross.

Die Anlage im Rheinland besteht aus 2000 Spiegeln, die eine Fläche von 80 000 Quadratmetern abdecken.

Von den Sonnenstrahlen zum Treibstoff. Das ist im Schnelldurchlauf das von Synhelion gewählte Verfahren zur Herstellung von synthetischen, CO2-neutralen Treibstoffen. Das Schweizer Start-up, das 2016 von Gianluca Ambrosetti und Philipp Furler, Forschern und Absolventen der ETH Lausanne und Zürich, gegründet wurde, ist ehrgeizig: Sie wollen synthetische Kraftstoffe in Massenproduktion herstellen. Der Bedarf an Treibstoffen wird in den nächsten Jahrzehnten trotz des Verbots von Verbrennungsmotoren in Europa ab 2035 hoch bleiben, Bereiche wie die Luft- und die Schifffahrt können nicht elektrifiziert werden. Die Eidgenössische Materialprüfungs- und Forschungsanstalt (Empa) schätzt sogar, dass es im Jahr 2040 allein in der Schweiz zwischen 1.5 und 2.5 Millionen Autos mit Verbrennungsmotor geben wird – darunter etwa 300 000 Oldtimer. Die einzige Möglichkeit, diese Fahrzeuge CO2-neutral zu machen, besteht darin, sich von fossilen Energieträgern zu verabschieden und sie mit synthetischen Kraftstoffen zu betanken.

Solarwärme statt Strom

Die AR hat mehrfach über synthetische Kraftstoffe, kurz E-Fuels genannt, berichtet. Zur Erinnerung: Eine grüne Stromquelle – Sonnenkollektoren, Windräder – wird genutzt, um Wasserstoff­moleküle (H2) und Kohlenstoffmoleküle (CO) zu vereinen. Man kehrt sozusagen den Verbrennungsprozess um.

Das von Synhelion geplante Verfahren ist dem zur Herstellung anderer synthetischer Kraftstoffe sehr ähnlich, mit einem Unterschied: Anstatt Elektrizität als Energiequelle zu nutzen, nutzt Synhelion die Sonnenwärme. Riesige Felder aus rotierenden Spiegeln, die sich je nach Sonnenstand drehen, bündeln das Licht an einem Punkt auf einem Turm rund 20 Meter über dem Boden. Dort oben sammeln sich die Sonnenstrahlen in einem Empfänger und bringen den darin enthaltenen Wasserdampf auf eine Temperatur von bis zu 1500 Grad. Dieses Gas wird dann durch zwei getrennte Kanäle geleitet, auf der einen Seite in einen Wärmespeicher und auf der anderen Seite in einen Reaktor. Dort werden Kohlendioxid (CO2), Methan (CH4) und Wasser (H2O) in gasförmiger Form durch getrennte Kanäle geleitet. Der Wasserdampf dient lediglich dazu, die für den Prozess notwendige endotherme Reaktion zu aktivieren, bei der synthetisches Gas (2 H2 + CO) entsteht. «Dieses synthetische Gas ist das grundlegende Legosteinchen, um Kraftstoffe zu produzieren», erklärt Furler. «Mithilfe des Fischer-­Tropsch-Verfahrens verflüssigen wir das Synthesegas.» Bei diesem 1923 entwickelten Verfahren werden Eisen, Kobalt oder Ruthenium als Katalysator verwendet. Durch diesen Prozesswird das synthetische Gas zu flüssigem Rohöl, ähnlich wie es aus den Tiefen der Erde gefördert wird. Dieses Rohmaterial muss dann in eine Raffinerie geleitet werden, wo es zu Kerosin, Benzin, Diesel oder Heizöl und anderen chemischen Produkten verarbeitet wird.

Das Sonnenlicht wird an diesem Punkt des Turms, 20 Meter über dem Boden, gebündelt.

Abscheidung von CO2 aus der Luft teuer

Das Verfahren ist kohlenstoffneutral, vorausgesetzt, das CO2 wird aus der Atmosphäre gewonnen. «Wenn wir den Verbrauchskreislauf schliessen wollen, müssen wir entweder Direct Air-Capture (DAC) einsetzen und das CO2 aus der Luft filtern oder wir verwenden die Reststoffe einer Pflanze, welche bei ihrem Wachstum CO2 aus der Luft aufgenommen hat. Auf beide Arten stellen wir sicher, dass die gleiche Menge an CO2 aus der Luft entfernt wird wie bei der Verbrennung des Treibstoffs entsteht», sagt Furler. Das Problem bei DAC sind momentan die Kosten. Furler räumt ein: «Derzeit ist DAC noch zu teuer. Unseren Schätzungen zufolge werden die Preise in zehn bis 15 Jahren attraktiv werden. Dann wird DAC für die Herstellung von Kraftstoffen ausreichend preiswert sein.»

In seiner Versuchsanlage in der Nähe von Köln (D) verwendet Synhelion heute darum Papierabfälle als Kohlenstoffquelle. Diese Papierfasern werden mit Wasser vermischt und durch Methanisierung biologisch abgebaut. Bei der Zersetzung dieses Papierbreis entstehen das von Synhelion benötigte CO2 und Biomethan (CH4).

Ziel: Ein Franken pro Liter im Jahr 2030

Zurück zum Herstellungsprozess. Wie bereits erwähnt, wird während dem Tag ein Teil des 1500 Grad heissen Wasserdampfes direkt zum Betrieb des Reaktors genützt. Der grösste Teil des Dampfes – zwei Drittel – wird hingegen in ­einen Wärmespeicher aus keramischen Materialien zwischengespeichert. Ziel ist es, diese Energie während der Nacht, wenn die Sonne nicht scheint, wieder abzugeben. So kann die Anlage kontinuierlich laufen und Tag und Nacht synthetische Kraftstoffe herstellen. «Die kontinuierliche Produktion ist für uns eine Grundvoraussetzung», sagt Furler. «Wir können keine grosse Produktionsanlage wirtschaftlich betreiben, die nur dann läuft, wenn die Sonne scheint, schlicht weil sie zu wenig Stunden im Jahr in Betrieb ist »

Das ist auch der Grund, warum die Synhelionverfahren Wärme und nicht Strombasiert sind. «Bei elektrischem Strom braucht man Batterien zur Speicherung der Energie, die mindestens 20-mal teurer sind als unser thermischer Speicher.»

Den Taschenrechner und die Kosten hat das Unternehmen ständig im Blick, denn die synthetischen Kraftstoffe müssen zu einem günstigen Preis auf den Markt kommen. «Unser Ansatzist es, dass grosse Industrien wie die Luftfahrt diese synthetischen Kraftstoffe in ihr Geschäftsmodell integrieren können. Dafür müssen wir mit wettbewerbsfähigen Preisen aufwarten», sagt Furler. «Gleichzeitig wird es seitens der Politik Vorgaben geben: Die EU plant bereits verpflichtende Mindestmengen für Sustainable Aviation Fuel.» Der CEO hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Produktionskosten bis 2030 auf unter einen Franken pro Liter zu senken. Dazu muss er Skaleneffekte nutzen und riesige Mengen an synthetischen Kraftstoffen herstellen. Synhelion will in ca. 10 Jahren 875 Millionen Liter an künstlichen Treibstoffen pro Jahr produzieren. Das ist fast die Hälfte dessen, was für den Flugverkehr jährlich in der Schweiz vertankt wird.. Diese Menge entspricht auch ca. 15 Prozent des jährlichen Bedarfs an Benzin und Diesel in der Schweiz. Allerdings wird es noch eine Weile dauern, bis Autofahrer eine Zapfsäule mit der Aufschrift «Hier gibt es zu 100 Prozent synthetische Kraftstoffe» sehen werden. Synthetische Kraftstoffe werden zunächst allmählich den fossilen Kraftstoffen beigemischt, wobei dieser Anteil im Laufe der Zeit immer grösser werden wird. «Ein Vertriebsnetz aufzubauen, um synthetische Kraftstoffe zu verkaufen, wäre in jeder Hinsicht nutzlos», erklärt Furler, «wir müssen uns auf die Skalierung neuer Technologien konzentrieren und können problemlos die bestehenden Verteilinfrastrukturen nutzen.»

Ergänzung zur Elektrifizierung

Die Roadmap Synhelions sieht die Fertigstellung der ersten Anlage im industriellen Massstab in Deutschland Ende 2023 vor. Diese wird vor allem Demonstrationszwecken dienen und nur einige Tausend Liter pro Jahr produzieren. Im Jahr 2025 wird es dann ernst, wenn die Anlage in Spanien eingeweiht wird. Diese Anlage wird ca.zehnmal grösser sein als die deutsche Solarfarm und 1,25 Millionen Liter pro Jahr produzieren können. Für weitere Standorte schaut Synhelion in die Wüstenregionen der USA, des Nahen Ostens und Australiens: «Das sind stabile Märkte, es gibt Investoren und Industrien. Und vor allem gibt es dort viel Solarenergie.» Dennoch gehört nach Ansicht Furlers die Zukunft zumindest grösstenteils dem Elektroauto: «Wir sagen, dass alles, was einfach elektrifiziert werden kann, auch elektrifiziert werden sollte, und zwar so schnell wie möglich. Das ist in der Tat viel effizienter.» Es gibt aber auch Bereiche, die nicht elektrifiziert werden können wie zum Beispiel die Luftfahrt. «Und dafür haben wir die Lösung», so Furler,  «wir sehen uns als Ergänzung zur Elektrifizierung.» Grosse Schweizer Unternehmen wie Swiss oder Amag glauben an das Projekt von Synhelion und haben bereits Millionen in das Start-up investiert. Die Aussichten sind also sonnig.

Von der Sonne an die Säule

Das von Synhelion entwickelte Verfahren nutzt Sonnenwärme, um eine chemische Reaktion zu aktivieren, bei der Moleküle aus Wasser, Biomethan und Kohlendioxid in synthetisches Gas umgewandelt werden, das verflüssigt wird. Daraus entsteht -Rohöl, das raffiniert werden muss. Der synthetische Kraftstoff ist CO2-neutral und wäre mit allen aktuellen Motoren kompatibel. Derzeit laufen Tests mit Oldtimern.

  1. Die Sonnenstrahlung wird vom Spiegelfeld eingefangen und konzentriert auf den ­Solarempfänger in 20 Metern Höhe geleitet.
  2. Im Solarempfänger ent­stehen Temperaturen von etwa 1500 Grad. Als Trägermedium für die produzierte Wärme dient Wasserdampf.
  3. Diese Wärme wird in den Reaktor geleitet. Mit drei ­Reaktanten (CO², H2O und CH4) wird Synthesegas erzeugt (2 H2 + CO).
  4. Das Synthesegas wird mit dem bereits 1923 entwickelten Fischer-Tropsch-­Verfahren in flüssiges Rohöl umgewandelt.
  5. Überschüssige Wärme wird im Wärmespeicher ­gespeichert, um einen kon­tinuierlichen Betrieb rund um die Uhr zu gewährleisten.

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