Endversion

Der grosse Bruder des GTI wurde vor 20 Jahren als Golf 4 R32 geboren. Das Jubi­läumsmodell Golf R erscheint mit mehr Leistung, bevor sich die Welt ein Stück weiterdrehen wird.

Der stärkste Serien-Golf aller Zeiten und die wohl letzte Inkarnation des klassischen Spitzen-Golf mit Verbrennungsmotor – so lässt sich der R 20 Years einordnen. Bemerkenswert ist, dass die R-Abteilung von VW es sich nicht hat nehmen lassen, zur Feier des Jubiläums einige technischen Upgrades vorzunehmen. Die Mehrleistung von 13 PS als erstes resultiert aus einer geänderten Motorelektronik, man könnte auch sagen, durch Chiptuning. Dazu ist der Jubiläums-Golf erst bei 270 km/h abgeregelt statt bei 250 km/h wie der normale R. Das Drehmoment und alle wesentlichen Daten sind hingegen identisch. Allerdings schaltet, wie VW bei einer ersten Vorstellung im letzten Herbst erklärte, das Siebengang-Doppelkuplungsgetriebe etwas schneller und kuppelt härter. Zudem wird dank nicht ganz geschlossener Drosselklappe der Turbolader beim Gaswegnehmen bei Laune gehalten, was den Zweiliter besser am Gas hängen lässt. Und zu guter Letzt soll auch die Lenkung nun etwas direkter ansprechen, zumindest in der Theorie. Tatsächlich war der Golf R Performance die Basis für 20-Years-Version.

Eines vorweg: Im AR-Testbetrieb führte sich der Golf R nicht wie ein aufgemotzer Wilder auf, sondern blieb sich als Golf treu. Das heisst, er ist ein bewährtes Auto, das aus einer Fitnesskur zu kommen scheint – zugegebenermassen mit einigen Macken bei der Bedienung, die seit dem Erscheinen der achten Generation schon genügend kritisiert worden sind.

Schön sind aber die Karbonapplikationen im Innenraum. Zum Startpreis von 68 400 Franken gibt es dazu Nappaleder-Mittelbahnen auf allen Sitzen und einiges mehr. Die Sportsitze, von denen nur jener des Fahrers elektrisch verstellbar ist, sind nicht allzu extrem konturiert und durchaus alltagstauglich, was das Ein- und Aussteigen betrifft. 

Für Freunde des Golfsports

Wie seit dem ersten Erscheinen eines R-Golf vor 20 Jahren, damals noch mit dem VR6-Motor und 241 PS, zeichnet sich die aktuelle Version durch ­eine erstaunliche Spannbreite zwischen kultiviertem Reisen und forciertem Fahren aus. Der Motor ist jederzeit willig und präsent, aber nie aufdringlich, die Gangwechsel erfolgen im Komfort-Modus recht früh und vermitteln das Gefühl eines eher untertourigen Fahrens. Das hohe Drehmoment lässt dies klaglos zu, der R wirkt in diesem Status eher wie ein Werkzeug zur Entspannung als wie ein heissblütiger Performer. 

Ein Druck auf die R-Taste am Lenkrad allerdings sorgt für einen recht markanten Stimungswechsel. Die Klangkulisse ändert sich, die Einstellung der Gangwechsel ebenso. Nun poppt der Golf bei Gaswegnahme, der Motor dreht die Schaltstufen höher aus, alles rückt ein Stück näher zum Fahrer. Das ist durchaus gelungen und war schon beim normalen R festzustellen, ist hier aber noch eine Spur akzentuierter. Was allerdings in keiner Situation wirklichen Spass bereitet, ist die Lenkung. Die geringe Übersetzung von weniger als zwei Umdrehungen von Anschlag zu Anschlag mag sportlich klingen, die Lenkkräfte sind denn auch entsprechend höher als bei einem zivilen Golf, doch das Auto gewinnt dadurch kaum an mehr Lenkpräzision respektive Feedback für den Fahrer. Da bleibt alles etwas gar diffus, und es gibt besser gelungene Beispiele – auf derselben Plattform der Kollegen aus Ingolstadt. Dieser Vergleich ist allerdings ein Frevel für jene, die einen Kauf des Jubiläums-R ernsthaft in Betracht ziehen, die Golf-Fans. Bei einem Testwagenpreis von über 81 000 Franken ist dabei ein ordentliches Stück Enthusiasmus in der Tat hilfreich. 

Testergebnis

Gesamtnote 71.5/100

Antrieb

Der R wird seinem Anspruch gerecht und liefert Leistung in allen Lebenslagen. Je nach Fahrmodus von souverän-relaxed bis rasant.

Fahrwerk

Erstaunlich kultiviert und mit einem guten Mass an Restkomfort ist der auf dem R-Performance basierende 20 Years kein grober Hobel.

Innenraum

Ein Golf ist ein Golf ist ein Golf. Die Bedienung bleibt sich treu, alles andere wirkt gut durchdacht und hochwertig. Die Sportsitze sind gelungen.

Sicherheit

Die Fahrhilfen sind zahlreich, die Schildererkennung leidet unter häufiger Fehlinterpretation, dazu gibt es viele Warnhinweise – etwas gar viele.

Budget

Der Preis des Testwagens zeigt die Realität. Dieser Golf ist teuer, aber Liebhaber werden zweifellos auch diesen Preis gerne bezahlen.

Fazit 

Der Golf steht vielleicht nicht mehr so im Zentrum wie noch vor wenigen Jahren, und einige Fehlentscheide wie das Bedienungskonzept haben ihm kaum geholfen. In seinen Grundfesten aber ist er ein hervorragendes Auto geblieben und als R respektive R 20 Years tatsächlich ein Topmodell.

Die technischen Daten und unsere Messwerte zu diesem Modell finden Sie in der gedruckten Ausgabe und im E-Paper der AUTOMOBIL REVUE.

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