Etappenziel

Der C40 Recharge repräsentiere die Zukunft, erklärte Volvo anlässlich des Produktionsstarts des elektrischen SUV-­Coupés. Ist der C40 schon von morgen – oder ganz von heute?

Hehre Ziele, visionäre Pläne – Volvo stellte sich stets auf die Seite vernünftiger, zweckdienlicher und intelligenter Transportlösungen. Längst kann man sich jedes Volvo-Modell auch mit Steckern versehen bestellen, und die Flotte der vollelektrischen Autos wächst. Kein Wunder, dasselbe passiert auch im Gesamtverbund des Geely-Konzerns, des Besitzers von Volvo. Jüngstes Beispiel ist etwa der Lotus Eletre. Man darf vor diesem Hintergrund somit auch mit zahlreichen Skaleneffekten rechnen. Und tatsächlich, der Polestar 2 und der Volvo C40 bauen auf derselben CMA-Plattform auf, Volvo-intern mit P6 bezeichnet. Der von uns getestete C40 Recharge ist die Variante mit einem Motor an der Hinterachse. In dieser Konfiguration bringt es der belgische Schwede auf 231 PS und 330 Nm Drehmoment. Anders als sein zweimotoriger Bruder mit 408 PS ist dieser C40 weniger auf Sportlichkeit als vielmehr auf funktionale Alltagstauglichkeit ausgelegt. Dieser Eindruck entsteht zumindest, wenn man mit dem E-Volvo tatsächlich einen durchschnittlichen, automobilen Alltag durchlebt. Dazu gehören die Fahrt zur Arbeit, Einkaufstouren und auch die längere Reise mit einem Lade-Zwischenstopp.

Eingemittet

Auf Google vertrauend operiert das Bedienungssystem des C40 in weiten Teilen mittels Sprachsteuerung. Und in der Tat erlaubt dies dem Fahrer sich in nahezu völliger Unkenntnis der Benutzerführung das Leben an Bord bestens einzurichten. Mit «Hey Google» findet man für jeden möglichen Wunsch eine passende Antwort oder eine Funk­tions­änderung. Das überzeugt irgendwann selbst kritische Geister. Wer dem alten, mechanisch knackenden Schalter nachtrauert, wird von Volvo mit verblüffend punktgenauen digitalen Services eingelullt, gebauchpinselt und schliesslich auf die Seite der Ja-Sager gezogen. Dass sich ihr Auto nur mit dem gesprochenem Wort kontrollieren lässt, wie es manche Hersteller versprechen, das schafft der C40 tatsächlich. Und als tollen Nebeneffekt braucht man nicht nach jeder Fahrt den Touchscreen von Fingerprints zu befreien. Das ist famos.

Ja, mit Wenn und Aber

Weniger famos ist freilich in einigen Belangen der Qualitätseindruck des Interieurs. Gewiss, mit dem XC60, um ein Beispiel zu nennen, haben die Schweden einen extrem hohen Standard gesetzt, sowohl punkto Ästhetik wie auch Qualität. Der kleine Bruder fällt hier ab und wirkt besonders auch am Armaturenbrett nüchtern, bei den Paneelen und Verkleidungen an B- und C-Säule etwas dünnwandig-hohl. Modellpolitisch muss das wohl so sein. Durch das im Testwagen verbaute Schwarz entstanden kaum Hochgefühle. Als familienfreundliche Tapezierung hingegen ist es jeder anderen Farbe vorzuziehen. Wie der Innenraum – solid, aber nicht berauschend – präsentiert sich auch das Platzangebot. Vorne sitzt es sich gut, hinten sind die schaurig dünnen Sitzpolster ein Zugeständnis an die darunter liegenden Batteriezellen. Die Türöffnungen wirken dazu recht kurz. Der Laderaumboden liegt hoch, das Abteil ist jedoch variabel gehalten und bleibt auch bei abgeklappter Rückbank glattflächig. Er ist damit gut zu nutzen.

Gleich – aber anders

Es war zu befürchten, und die Realität hat es bestätigt, dass 231 PS im C40 heute anders wirken als 240 PS vor 30 Jahren im Volvo 850 T5-R – viel weniger sportlich. Gut, der alte war leichter. Der C40 Recharge, dazu verpflichtet, sowohl Mensch wie Maus samt Material emissionsarm von dannen zu bewegen, ist auch emotional weniger hoch dotiert. Wir sind vermutlich verwöhnt. Der Volvo C40 als Monomotor-Variante ist ordentlich motorisiert, aber er ist kein E-Auto, das mit seiner Beschleunigung – 7.4 Sekunden von 0 bis 100 km/h – für Begeisterungsstürme sorgt. Toll und gut abgestimmt ist das Fahrwerk, irgendwo zwischen sportlich und komfortabel und eher ruhig statt spektakulär. Erfreulich ist, wie der C40 recht erfolgreich sein Gewicht zu kaschieren vermag. Er wirkt präsent, ohne ein ausgesprochener Sportler zu sein.

Drehen wir dem Volvo C40 also keinen Strick, weil er nicht ähnlich breitspurig wie andere E-Protagonisten mit seinem Drehmoment protzt oder sich gar als verkappter Dragster auf lautlose Beschleunigungsorgien einlässt. Wir nehmen erfreut zur Kenntnis, dass es ein Zeichen von Qualität zu werden scheint, wenn der Elektrowagen sich in kaum einem Punkt vom Verbrenner zu distanzieren versucht, sondern sich damit begnügt, dem Benzinauto ebenbürtig zu sein.

Die Pause als Chance

Die Basis des C40 ist gut. Was aber bleibt, sind Fragen nach der Reichweite und der Ökonomie. Der Stromverbrauch ist klassenüblich, bei der Reichweite aber gibt es manche, die es besser können. Sie liess sich im Testbetrieb zur kalten Jahreszeit nicht  an die 400-Kilometer-Marke heranführen. Der Aufenthalt an Bord des Volvo ist angenehm, und auch längere Strecken machen Lust im lautlosen Gleiter. Dies hilft, die nötige Fahrtunterbrechnung zum Nachladen jenseits der Autonomie von rund 300 Kilometern positiv zu sehen. Man kann an ­einem Schnelllader, bei laufender Heizung gemütlich im warmen Auto sitzend, einige Telefonate erledigen oder gar den Laptop öffnen und arbeiten. Die Pause liegt im Winter etwa in der Mitte jener Strecke, die man sich pro Tag mit dem C40 zumuten darf. 500 Kilometer Tagesfahrleistungen sind bestens möglich und dank zahlreicher Fahrassistenten recht entspannt zu bewerkstelligen. Voraussetzung ist einzig die Gewissheit, dass der Ladepunkt zuverlässig seinen Dienst tut. 

Das ausgewogene Gesamtpaket des Volvo C40 Recharge beinhaltet damit nicht weniger Annehmlichkeiten als andere (Verbrenner-)Autos, aber andere – und das spricht für den Volvo C40. Denn in vielen Aspekten ist das kompakte SUV, eines der verheissungsvollsten Segmente künftiger Modellpaletten, eher unauffällig und wenig spektakulär, dafür aber solide und verlässlich. Dem C40 gelingt damit etwas, womit sich andere Hersteller mit starken Markenwerten bei der aktuellen Elektrotransition schwertun: Der Volvo C40 ist verhältnismässig einfach, intelligent und kommt ohne vordergründige Effekthascherei aus. Ein typischer Volvo eben, nur halt elektrisch. Der C40 ist damit tatsächlich ein weiterer Schritt der Schweden hin zum völlig verbrennungsmotorfreien Automobil. Gut auch, dass Elektro-SUV dabei nicht nur immer grösser und schwerer werden.

Testergebnis

Gesamtnote 65.5/100

Antrieb

Der C40 Recharge gehört zu jenen E-Autos, die weniger mit hohen Leistungswerten als vielmehr mit entspannter Leistungsentfaltung punkten.

Fahrwerk

Grundsolides Fahrverhalten mit angenehmem Abrollkomfort und gut ­kaschiertem Fahrzeuggewicht in flotten Kurven und beim Bremsen.

Innenraum

Etwas triste Farbwahl beim Testwagen und in einigen Bereichen recht ­billig wirkend. Als Familienfahrzeug ist der C40 variabel einsetzbar und leicht zu handhaben.

Sicherheit

Vollständige Sicherheitsausrüstung ist eine Volvo-Stärke. Fahraktives Fahrwerk und gute Übersichtlichkeit.

Budget

Eine Aufpreispolitik wie bei den deutschen Herstellern lässt den Preis rasch in stolze Höhen schnellen. Dafür gibt es das Premiumprädikat.

Fazit 

Er dürfte eine etwas bessere Reichweite aufweisen. Gerade bei kühler Witterung vollbringt der C40 Recharge hier keine Wunder. Die Wartezeit beim Laden wird aber angenehm verkürzt. Der einmotorige C40 Re­charge ist die vernünftige Wahl unter den Kompakt-SUV der Schweden, nicht mehr, aber auch nicht weniger.

Die technischen Daten und unsere Messwerte zu diesem Modell finden Sie in der gedruckten Ausgabe und im E-Paper der AUTOMOBIL REVUE.

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