Gross geworden

Der X1 ist das kleinste SUV bei BMW. In der dritten Generation tritt er aber an wie die grossen Brüder: mit einer selbstbewussten Front und markanten Linien. Und das ganz zu Recht.

Dass der iX1 die beste Variante des BMW X1 wäre, haben wir bereits geschrieben. Aber das gilt erst einmal dann, wenn man das Auto für eine Fahrpräsentation übernehmen und einige Stunden damit verbringen kann. Die Realität zeigt, dass sich die Kunden in diesem Segment in den meisten Fällen eben doch für einen Verbrennungsmotor entscheiden. Dessen Spitzenversion ist beim X1 der xDrive 23i mit einem Zweiliter-Turbomotor und Allradantrieb. Der Benziner leistet 150 kW (204 PS) und wird unterstützt von einem 48-Volt-Mildhybrid. Dazu hat BMW im Getriebe einen Elektromotor mit noch einmal zusätzlichen 14 kW (19 PS) verbaut. Dieser wird aus ­einer separaten 48-Volt-Batterie gespiesen, die im Kofferraum verbaut ist. Ausgeführt ist das ganze als klassischer Mildhybrid, jedoch mit deutlich mehr Unterstützung, als das bei der Mehrheit der Konkurrenz der Fall ist. So kann die E-Maschine beim Verzögern Energie zurückgewinnen und den Verbrennungsmotor beim Beschleunigen durch eine Lastpunktverschiebung unterstützen. Beim Anfahren kommen zu den 320 Nm des Benziners so noch einmal 55 Nm des Verbrennungsmotors, was in ­einem Systemdrehmoment von 360 Nm resultiert. Die Leistung steigt auf 160 kW (218 PS).

Hart, aber ruhig

Es ist dieselbe Antriebskonfiguration wie im neuen 2er Active Tourer, mit der sich der X1 auch die UKL2-Plattform teilt, aus der man für den rein elektrischen iX1 dann die FAAR-Plattform abgeleitet hat. Die Gemeinsamkeiten zwischen dem SUV X1 und dem Minivan 2er Active Tourer zeigen sich auch in anderen Bereichen, deutlich aber auch in der Charakteristik des Antriebes. So macht der Vierzylinder einen soliden Eindruck, und das Drehmoment liegt, auch dank 48-Volt-Unterstützung, früh an. Allerdings fühlt sich der X1 gerade beim Beschleunigen nicht ganz so spritzig an, wie es das dynamische Design des SUV vermuten liesse. Zwar spricht der Motor dank Twinscroll-Turbolader unvermittelt auf jede Änderung der Gaspedalstellung an, allerdings setzt sich das nicht ganz so unvermittelt in Vorwärtsbewegung um. Er ist alles andere als langsam – aber völlig entspannt fühlt es sich eben auch nicht an. Die 218 PS müssen bei der Version mit Allradantrieb immerhin mit über 1.7 Tonnen fertig werden, was doch ein ganz ordentliches Gewicht ist. Die leichte Trägheit schlägt sich auch in der Beschleunigung nieder: für den Spurt von 0 auf 100 km/h gibt BMW 7.1 Sekunden an, in der Realität waren es – mit Winterreifen auf feuchtem Asphalt allerdings – dann noch etwas mehr.

Ist die Masse aber einmal in Bewegung – und kommen nicht allzu viele Kurven auf –, gibt es kaum noch etwas auszusetzen am X1. Der Motor läuft ruhig, Vibrationen oder Lärm im Innenraum sind kaum zu vernehmen. Auch die Lärmdämmung ist ausgezeichnet, Abroll- und Windgeräusche sind auch bei Autobahntempo kaum zu vernehmen. Das Fahrwerk ist eher auf der harten Seite und lässt die Insassen bereits kleine Unebenheiten auf der Strasse spüren. Das soll wohl ein sportliches Fahrgefühl vermitteln, und wer sich dies für ein Kompakt-SUV wünscht, wird zufrieden sein damit, dass BMW hier auch im untersten Segment gewissermassen das Markenversprechen der Sportlichkeit einlöst. Optional ist ein Fahrwerk mit adaptiven Dämpfern erhältlich, das die Spreizung zwischen komfortablem Dahinrollen und sportlichen Kurvenfahrten noch besser unter einen Hut bringen soll. Ausserdem steht der X1 damit noch 15 Millimeter tiefer auf der Strasse, was auch optisch die Sportlichkeit betonen soll.

Neu gestaltet

Beim Kurvenverhalten zeigt sich der X1 als typisches SUV. Der Schwerpunkt liegt relativ weit oben, was in Kombination mit dem hohen Gewicht zu einem Wanken führt, das auch die adaptiven Dämpfer nicht vollständig zu kaschieren vermögen. Insgesamt fühlt sich der getestete X1 xDrive 23i aber dank Allradantriebs auch auf Passstrassen zu Hause, Kurven lassen sich sicher und flüssig durchfahren, und solange stets etwas Zug im System ist, kommt auch im Antrieb keine Trägheit auf. So lohnt sich auch im Sport-Modus das eine oder andere Mal der Zug an der linken Schaltwippe bereits vor der Kurve, damit die Elektronik nicht beim Beschleunigen noch die Gänge sortieren muss. Gerade jetzt im Winter wichtig: Auch auf Schnee gibt der Allradantrieb ein gewohnt gutes Bild ab, und die Drehmomentverteilung an die vier Räder spricht blitzschnell an, wenn die Traktion verloren geht. Die Lenkung spricht direkt auf kleine Lenkimpulse an, sodass sich der X1 präzise durch die Kurven dirigieren lässt. Wie immer bei BMW liegt das voluminöse Lenkrad gut in der Hand – es ist aber Geschmacksache, ob man es mag oder nicht.

Ganz neu wird es bei der Gestaltung des Innenraums, auch hier weist der X1 jetzt grosse Parallelen zum 2er Active Tourer auf. Die Anzahl der Knöpfe wurde auf ein Minimum reduziert, der bekannte Drehdrücksteller für die Bedienung des Infotainments ersatzlos eliminiert. Geblieben ist ausser einigen Tasten für Fahrmodi und -hilfen sowie die Lautstärkeregelung nicht mehr viel. Alles andere soll über die Sprachbedienung erledigt werden. Auch wenn die Spracherkennung von BMW mit Sicherheit zu den besten auf dem Markt gehört, so ersetzt sie in vielerlei Hinsichten – und für viele Kunden – nicht eine Bedienung über einen Schalter oder Regler. Alternativ kann alles auch über den Touchscreen bedient werden. Vor dem Fahrer baut sich das Curved Display auf, der Verbund aus Instrumentenanzeige (10.25 Zoll) und Infotainmentsystem (10.7 Zoll). Beide Bildschirme sind gestochen scharf, die Bedienung des Infotainments jedoch wenig praktisch, da der Bildschirm zu weit vom Fahrer weg sitzt, um bequem erreicht zu werden. Auch benötigt die Logik einiges an Eingewöhnungszeit, bis klar ist, was wo zu finden ist. Anders als im Active Tourer gibt es im X1 übrigens ein echtes Head-up-Display auf der Frontscheibe anstelle des Plastikteils auf dem Armaturenbrett. Kompetenz beweist BMW bei den Assistenzsystemen. So arbeiten der adaptive Tempomat und der Spurassistent zuverlässig, Letzterer zudem äusserst unaufdringlich. So kann er selbständig die Lenkung übernehmen oder nur warnen, was er mit ­einer sanften Vibration des Lenkrades tut. Nicht nur einparkieren kann der X1 selbständig, er findet auch über längere Distanzen selbständig den Weg aus dem Parkplatz auf die Strasse wieder.

Geräumig und komfortabel

Überraschend grosszügig zeigt sich der X1 beim Platzangebot. Der grossspurige Auftritt, den das Kompakt-SUV mit seiner markanten Front und dem grossen Grill hinlegt, ist also nicht nur Show. So bietet der Kofferraum mindestens 500 Liter Platz. Die Rückbank lässt sich bei allen Versionen mit Verbrennungsmotor in Längsrichtung um 13 Zentimeter verschieben und zweifach geteilt im Verhältnis 40:20:40 herunterklappen. So wächst der Laderaum auf bis zu 1545 Liter, was mehr ist als im Minivan Active Tourer. Ebenfalls praktisch ist, dass sich die Sitzlehne der Rückbank in verschiedenen Neigungswinkeln einstellen lässt. Die Sitze sind vorne wie hinten äusserst komfortabel und bieten ausreichend Seitenhalt auch bei zügiger Kurvenfahrt.

Damit ist der X1 bestens gerüstet auch für längere Fahrten mit voller Hütte in die Ferien. Dabei zeigt sich auch der Zweiliter-Benziner mit der internen Bezeichnung B58 äusserst sparsam. Die Massnahmen, die man in München erarbeitet hat, um den Verbrauch zu senken, scheinen zu fruchten. Ausser dem kennfeldgesteuerten Ventiltrieb, der Steuerzeiten und Ventilhub variabel regelt, sodass der Motor auch im verbrauchsarmen Millerzyklus laufen kann, gehört dazu auch eine optimierte Aerodynamik mit aktiven Luftklappen im Grill, die sich nur bei Bedarf öffnen. Auf der AR-Normrunde liegt der Verbrauch bei 7.1 l/100 km, was zwar leicht über dem Durchschnitt in seinem Segment liegt, angesichts von Grösse und Gewicht des X1 aber ein guter Wert ist. Bei längerer Autobahnfahrt sinkt der Treibstoffverbrauch auf unter 7 l/100 km.

Ein tiefer Verbrauch hilft, das Portemonnaie zu schonen, das für die Anschaffung des X1 mit mindestens 45 900 Franken belastet wird. Für den xDrive 23i sind es exakt 10 000 Franken mehr, die BMW verlangt, dazu kommt noch eine nicht kurze Liste an teilweise kostspieligen Optionen. Der Preis unseres gut ausgestatteten Testwagens geht so bereits gegen 70 000 Franken. In Segment der Kompakt-SUV ist dies nicht wenig – aber es gibt auch viel dafür. Viel Auto, viel Komfort und viel Technologie. 

Testergebnis

Gesamtnote 73/100

Antrieb

Die Fahrleistungen des BMW X1 sind ausreichend, aber nicht über­ragend. Das 48-Volt-Hybridsystem verleiht einen Zusatzschub und hilft beim Sparen, sodass der Verbrauch äusserst moderat bleibt.

Fahrwerk

Das Fahrwerk ist für ein SUV ohne sportliche Ambitionen eher hart abgestimmt, an der direkten Lenkung hingegen gibt es nichts zu bemängeln.

Innenraum

Verarbeitung und Materialwahl können kaum beanstandet werden, vor ­allem, wenn etwas mehr Geld aufgewendet wird. Das Platzangebot im – eigentlich gar nicht so grossen – X1 ist sehr grosszügig.

Sicherheit

Lenkung, Fahrwerk und Bremsen sind gut, die Assistenten zuverlässig – kosten aber teilweise üppig Aufpreis. Zur Bedienung sollte die gut funk­tionierende Sprachsteuerung verwendet werden und nicht der ablenkende Touchscreen.

Budget

Ein BMW ist nie eine Lösung fürs schmale Budget. Der Basispreis des X1 ist fair, alle Extras lässt man sich in München aber fürstlich bezahlen. Der Verbrauch bleibt moderat, was das Portemonnaie schont.

Fazit 

Der BMW X1 setzt mit seinem grosspurigen Auftreten neue Akzente. Motorisierungen, Technologie, Komfort und Platzangebot des Kompakt-SUV überzeugen, das Fahrwerk ist etwas zu hart geraten und die Bedienung des Infotainments stellenweise zu wenig intuitiv.

Die technischen Daten und unsere Messwerte zu diesem Modell finden Sie in der gedruckten Ausgabe und im E-Paper der AUTOMOBIL REVUE.

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