Avantgarde mit Mass

Das Gleiche etwas anders, Citroën besinnt sich auf alte Werte und bringt unkonventionelle Ideen. Aber Citroën soll auch Marktanteile gewinnen. Der C5 spielt dabei eine Rolle.

Dem Gesetz der Plattform gehorchend, scheinen sich die Fahrzeuge von Stellantis zu gleichen wie ein Ei dem anderen. Wer sich mit den wesentlichen Bedienungselementen, der Funk­tionsweise oder der Menüführung des Infotainments vertraut gemacht hat, weiss, wie es geht, egal ob er in einem Wagen von Citroën, Peugeot, DS Automobiles oder Opel sitzt. Allerdings kennen wir die mitunter recht unverblümte Plattformpolitik auch von allen grossen Mitspielern im Automarkt. Bei Stellantis wird mit besonderer Hingabe aber auch die Pflege des Ungleichen innerhalb einer strikten Politik der Gleichteile praktiziert. Und irgendwie glaubt man diesem Spiel, wie der neu überarbeitete Citroën C5 Aircross beweist. Dessen Spitzenmodell, ein Plug-in-Hybrid-SUV, trifft auf ein  dicht besetztes Marktsegment mit etlichen Bestsellern der Mitstreiter. Da hilft ein unverkennbarer, markenorientierter Charakter gewiss, um sich mit einer eigenen Identität ein ordentliches Stück des Kuchens abschneiden  zu können. Beim ersten Kontakt mit dem Auto ist dieses Anderssein allerdings nicht sofort erkennbar, sofern man sich nicht einfach am Double Chev­ron am Wagenbug orientiert. Die Tage der reichlich weichgekochten Winkel sind allerdings gezählt, Citroën hat sein altes Logo aus seiner Frühzeit – inklusive Ovals und spitzer Winkel – wieder erhalten.

Gemässigt gallisch

Doch nehmen wir Platz. Vorne sind die Sitze äusserst bequem, hinten sitzt man wie auf der Reservebank. Dafür sind die drei gleich beschaffenen, flachen und kaum konturierten Rücksitze bestens geeignet, um Kindersitze aufzunehmen. Die äusseren Plätze verfügen dazu über Isofix-Verankerungen, warum dies beim mittleren Sitz nicht der Fall ist, bleibt hingegen rätselhaft. Ein willkommenes Feature sind die Verschiebbarkeit der Sitze und deren verstellbare Lehnenneigung. Beim Abklappen entsteht eine durchgehende, ebene Ladefläche. Dazu ist ein Handgriff pro Sitz nötig. Einzig die Ladekante von über 77 Zentimentern ist reichlich hoch.

Nun wenden wir uns dem Arbeitsplatz des Fahrers zu. Die Anzeigen respektive die Bildschirme sind grösser geworden, geblieben ist der etwas umständliche, kleine Wählschalter für das Getriebe. Um sicherzugehen, dass damit die richtige Fahrtrichtung eingelegt ist, ist ein Blick auf die Ganganzeige unabdingbar. Die Armaturen selber aber lassen sich bestens einsehen, ihre Grafik ist nüchtern und sie sind selbsterklärend. Im Innern hält sich der C5 Aircross somit mit gallischen Besonderheiten zurück – nur böswillige Zungen würden gar von Absonderlichkeiten sprechen. Aber nix da! Der Franzose glänzt mit real nutzbarer Variabilität und einem zielgruppengerechten sprich familienorientierten Pragmatismus, wie die verstellbare Rückbank und die freundlichen – auch pflegefreundlichen – Materialien zeigen.

Wenige Streitfragen

Vermissen wir die Hydropneumatik, oder präsentiert uns Citroën seit deren Ableben wenigstens einen valablen Ersatz? Wer sich noch gewohnt ist, auf einem Kissen von Stickstoff – dank Öldruck auf Niveau gehalten – unterwegs zu sein, mag diese Frage mit Nein beantworten. Wer den C5 Aircross hingegen völlig unbedarft von der Vergangenheit des Doppelwinkels bewegt, wozu das Gros der Zielgruppe gehören dürfte, dem fällt die durchaus schwebende Art des Fahrens mit diesem SUV auf. Als Citroën-­Besonderheit trägt es Stossdämpfer mit progressiv hydraulisch wirkenden Anschlagdämpfern. Das Auto, vorne mit einer Federbeinachse und hinten mit einer Verbundlenkerachse ausgestattet, wogt damit regelrecht über die Strasse, und als weitere Konzession an die weiche Fahrwerksabstimmung gibt es spürbare Aufbaubewegungen. Trotz einer Systemleistung von 165 kW (225 PS), die durchaus sportlich daherkommt, betont der Charakter des C5 Aircross eher dessen gemütliche Seite. Denn sowohl der Antrieb wie die Lenkung scheinen nicht darauf ausgelegt zu sein, den Fahrer übermässig mit Fahrinformationen einzudecken. Wer aktiven Fahrspass sucht, ist mit dem Familien-SUV definitiv falsch beraten. Ein Manko ist dies derweil kaum, die Auslegung passt gut zum Citroën als angenehmem Reisepartner mit gewissen Reserven für einen Zwischensprint.

Auch das niedrige Geräuschniveau gefällt. Der 1.6-Liter-Turbomotor läuft kultiviert und bietet selbst ohne E-Schub genügend Leistungsreserven, ohne dass man ihn bei zügiger Fahrt ständig auspressen müsste. Zudem spricht der Turbomotor recht gut auf Gaspedalbewegungen an – kein Wunder bei der sofortigen Unterstützung des E-Motors. Dennoch bleibt die Frage, ob sich Stellantis mit der strikten Downsizing-Politik nicht ins eigene Fleisch schneidet. Immerhin ist diese PHEV-Kobination bei vielen Modellreihen das höchste der Gefühle in Sachen Leistung und Hubraum. Die Antwort aber lautet: Reicht und passt! Und wer sich den C5 Aircross so vornimmt, wie er gedacht ist, nämlich als Wagen zum Pendeln während der Woche und für die gelegentliche Fernfahrten, dem wird es an nichts fehlen. Wer es übrigens ganz eilig hat beim Nachladen, kann sich als Option ­einen grösseren AC-Ladegleichrichter mit 7.4 statt 3.6 kW bestellen, wie er in unserem Testwagen verbaut war.

Die Wahrheit im Realbetrieb

Mit seiner 13.2-kWh-Batterie nennt Citroën für den Aircross eine elektrische Reichweite von 50 Kilometern. In der Praxis schwankt dieser Wert zwischen rund der Hälfte bei schnellerem Fahren und der Werksangabe im Stadtverkehr. Der Benzinverbrauch nach dieser Strecke bewegt sich dann mit leerer Batterie in einem durchaus akzeptablen Bereich um einen Wert von sieben Litern pro 100 Kilometern. Der Citroën C5 Aircross betreibt damit keine Schönfärberei, selbst wenn er, wie alle seine konzeptgleichen Artgenossen, mit Werksangaben zum Verbrauch aufwartet, die sich in der Realität kaum erzielen lassen. Dies und der Umstand, dass ein Plug-in-Hybrid eine gewisse Disziplin verlangt, lässt den C5 Aircross als ein Mittelding erscheinen. Abgesehen davon, dass er das stärkste C5-Modell ist, braucht es eine gewisse Überzeugung, ihn zu kaufen. Andererseits wäre er, gerade dank der kurzen Ladezeit mit dem grossem Gleichrichter, ein sehr frei einsetzbarer Wagen auch für wenig planbare Verwendungen. 

Dennoch hat man das Gefühl, es mit einem Fahrzeug von eben erst statt von gerade jetzt zu tun zu haben. Auch damit steht der Citroën also nicht alleine da. Und wenn die Spe­zies der Stecker-Hybride mit dem Auslaufen der Verbrenner dereinst auch wieder verschwinden wird, ist dieser Citroën bis dahin ­eine glaubwürdige Option als Auto und Transportmittel. Ja, der C5 Aircross ist ein durch und durch diesseitiges Auto. Die Markenfans mögen es bedauern, aber dieses SUV ist mehrheitsfähig. 

Testergebnis

Gesamtnote 74/100

Antrieb

Der laufruhige Motor mit guter Grundleistung sorgt unabhängig vom ­Ladestand für anregende Fahrleistungen. Dank des optional stärkeren Gleichrichters ist der Wagen nach kaum zwei Stunden wieder geladen.

Fahrwerk

Weich abgestimmt und dank der Citroën-Spezialität der hydraulischen Anschlagdämpfer fährt sich der Aircross tatsächlich wie auf Luft.

Innenraum

Erstaunlich konservativ in Auslegung und Bedienung, aber man findet sich schnell zurecht. Die grösseren Screens sind ein echter ­Fortschritt.

Sicherheit

Ein vollständiges Sicherheitspaket schafft Vertrauen, die Fussgänger- und Radfahrererkennung gibt es ohne Aufpreis dazu.

Budget

Knapp unter der Schwelle von 48 000 Franken für unseren Testwagen  eingepreist, ist der Aircross ein faires Angebot mit viel Nutzwert.

Fazit 

Mag die DS von Citroën damals laut dem Philosophen Roland Barthes auch vom Himmel herabgestiegen sein, so ist der C5 Aircross trotz des Namens kein Luftikus, sondern gut geerdet. Er bietet guten Nutzwert dank eines sinnig gestalteten, variablen Innenraums und kostet nicht die Welt. Nur wirklich aufregend ist er nicht. Aber Citroën scheint damit gut leben zu können – und der Käufer oder die Käuferin tut dies ebenso.

Die technischen Daten und unsere Messwerte zu diesem Modell finden Sie in der gedruckten Ausgabe und im E-Paper der AUTOMOBIL REVUE.

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