Effizienzmonster

Die Kraft des Audi RS3 stagniert bei 400 PS, doch die verblüffende Effizienz des Antriebsstrangs ermöglicht einen Leistungssprung. Der Spass bleibt jedoch auf der Strecke.

Diesmal hat Audi beschlossen, dass es reicht. Die Marke aus Ingolstadt unterbrach das Wettrüsten mit Mercedes, indem sie dem RS3, dem dritten Modell seines Namens, nicht eine einzige Pferdestärke mehr zugestand. Der fabelhafte Fünfzylinder-Turbo bleibt bei 294 kW (400 PS), während der Zweilitermotor seines Rivalen mit dem Stern, des Mercedes-AMG A45 S 4Matic, auf 310 kW (421 PS) hochgezüchtet wurde. Aber deswegen muss sich der kompakte Ingolstädter nicht geschlagen geben. Der RS3 hat im Kampf um die Leistung einen Trumpf im Ärmel: einen noch schärferen Quattro-Antrieb.

Audi weiss, dass eine Fahrt auf dem Nürburgring den Enthusiasten mehr sagt als Marketingphrasen, wenn es darum geht, die Leistungsfähigkeit des Kompaktwagens zu beweisen. Der Audi RS3 durchfuhr die grüne Hölle in 7:40.45 Minuten und war damit rund fünf Sekunden schneller als der Renault Megane R.S. Trophy-R. Diesen Rekord stellte Audi mit der Limousine auf, die nun wieder im Katalog steht (ab 79 500 Fr.), der Löwenanteil der Kunden wird sich aber gewiss für den Sportback (ab 78 250 Fr.) entscheiden, der hier getestet wurde.

Die Limousine hat zwar einen Vorteil beim Laderaum – 312 Liter gegenüber 282 Litern beim Sportback –, aber dieser Vorteil verpufft, wenn die Rücksitze abgesenkt werden und die Schrägheckvariante mit 1104 Litern die Nase vorn hat. In beiden Fällen kann man nicht behaupten, dass der RS3 ein Umzugswagen ist, da das Kofferraumvolumen geringer ist als bei vielen anderen Stadtfahrzeugen. Ein VW Polo beispielsweise verfügt über ein Kofferraumvolumen von 351 Litern.

Enttäuschende Materialien

Der kompakte Ingolstädter ist auch kein Personentransporter, und Erwachsene werden sich auf der Rückbank schnell eingeengt fühlen. Man wird darum kämpfen, auf den Vordersitzen Platz nehmen zu dürfen, nicht nur wegen des verfügbaren Platzes, sondern vor allem wegen der wunderschönen Halbschalensitze. Schade, dass sich die Sitzfläche nicht noch ein paar Zentimeter weiter nach unten absenken lässt, denn dann wäre die Fahrposition ideal. Die Bedienelemente liegen alle gut zur Hand, und Audi belässt physische Bedienelemente dort, wo sie am nützlichsten sind, wie zum Beispiel bei der Klimaanlage. Allerdings sind manche der Tasten nicht mit einer Hintergrundbeleuchtung versehen, sodass man sie bei Dunkelheit suchen muss, weil man sie nicht sieht. Ein kleiner LCD-Bildschirm über der Tastenreihe hilft jedoch, sich zu orientieren.

Der grösste Schwachpunkt des Innenraums ist die Qualität der Materialien. Zwar ist der obere Teil des Armaturenbretts mit einem fülligen, satinierten Kunststoff überzogen. Doch sobald man mit den Händen über die untere Hälfte der Konsole streift, wird die Täuschung offensichtlich: Die Materialien sind hart und rau, und die schwarze Klavierlackeinlage um den Gangwahlschalter sammelt Fingerabdrücke. Die Farbgebung – dunkelgrau auf schwarz – trägt nicht gerade zur Verbesserung der Qualitätsanmutung bei. Bei einem RS3, dessen Gesamtpreis über 100 000 Franken betragen kann, ist das störend. Andererseits wird Audi seinem Namen bei der Montagequalität gerecht: Die Spaltmasse sind gering und gleichmässig, die Entgratungen makellos.

Rekordsprint in diesem Segment

Dem werden Sie entgegnen, dass man sich einen RS3 nicht kauft, um sich an seinen Kunststoffen zu ergötzen, sondern um sich an seiner Leistung zu erfreuen. Der preisgekrönte Fünfzylinder-Turbo hat sich seit der letzten Generation des RS3 nicht verändert. Die 400 PS sind nun 250 Umdrehungen pro Minute früher verfügbar, zwischen 5600 und 7000 U/min. Das Drehmoment beträgt nun runde 500 Nm (+20 Nm). Trotz dieser nur kleinen Änderungen gibt Audi an, dass die Beschleunigungszeit von 0 auf 100 km/h um drei Zehntel auf 3.8 Sekunden gesunken sei. Wir erreichten sogar den spektakulären Wert von 3.6 Sekunden, ein Rekord in diesem Segment.

Der Grund für diese bemerkenswerte Leistung heisst Quattro, der berühmte Antrieb aus Ingolstadt. Audi hat die Steuerung seines Allradantriebs weiter verfeinert und einen Torque-Splitter an der Hinterachse eingebaut. Jede Antriebswelle wird von einer elektronisch gesteuerten Lamellenkupplung geregelt. Dieses System, das bereits im Cupra Formentor VZ5, VW Golf R und Tiguan R zu finden ist, kann bis zu 50 Prozent des gesamten Drehmoments auf eines der beiden Hinterräder leiten. Die andere Hälfte bleibt immer an der Vorderachse.

Die Einführung des Torque-Splitters wird von zwei neuen Fahrmodi begleitet, RS Torque Stear und RS Performance. Der erste ist nichts anderes als der Drift-Modus, den man aus dem Golf R und dem Cupra Formentor kennt und der für abgesperrte Strassen reserviert ist, während der zweite das Beste aus dem RS3 für die Rennstrecke herausholen soll.

Mehr Effizienz, weniger Spass

Das Feedback der Strasse, ob trocken oder nicht, ist eindeutig: Die Effizienz des Antriebsstrangs ist atemberaubend, obwohl der Fünfzylinder – nach anfänglichem Zögern – spektakuläre und unaufhaltsame Ausbrüche bis zum Abriss vollführt. Das Quattro-System kanalisiert dieses überbordende Temperament mit bemerkenswerter Geschicklichkeit, nichts geht durch Schlupf oder Rutschen verloren. Der RS3 zieht wütend aus den Kurven, aber er bricht nie ein, sondern lässt höchstens das Drehmoment im Lenkrad etwas ansteigen. Auch die Hinterachse trägt ihren Teil zu diesem Fest bei, indem sie das kurvenäussere Rad stärker beschleunigt und das Auto so um die eigene Achse dreht. Die daraus resultierende Agilität ist verblüffend, die 1580 Kilogramm sind vergessen und das Vertrauen zwischen Fahrer und Fahrzeug vollkommen. Die Bremsen, die optional aus Karbonkeramik bestehen (+6050 Fr.), lassen nie nach. Und auch das Doppelkupplungsgetriebe erweist sich als würdiger Verbündeter des Fünfzylinders, da es schnell und sanft schaltet und immer den richtigen Gang wählt.

Auch ist es so, dass die Nase des Autos beim Einfahren in die Kurve manchmal fast schon überladen wirkt. Das Quattro-System ist zwar eine Referenz, wenn es darum geht, Kraft auf die Strasse zu übertragen, aber es bleibt hinter den Erwartungen des Fahrers zurück, wenn es um Fahrspass geht. Vor allem auf der Strasse wäre eine spielerischere und beweglichere Hinterachse willkommen. Das ist aber Kritik auf höchstem Niveau. Schön ist, dass der RS3 im Komfort-Modus wieder zum Kilometerfresser wird. Die adaptive Federung macht ihn zwar nicht zu einem komfortablen Auto, aber sie erhöht seine Vielseitigkeit erheblich. In dieser Hinsicht bleibt der RS3 seiner Linie treu. 

Testergebnis

Gesamtnote 76/100

Antrieb

Von Anfang bis Ende des Drehzahlmessers schafft es der Fünfzylinder zu begeistern. Die Beschleunigung ist atemberaubend, auch dank des schnellen Siebengang-Doppelkupplungsgetriebes.

Fahrwerk

Der Quattro-Antrieb mit Torque-Splitter ist die eigentliche Innovation. Während die Effizienz meisterlich ist, bleibt der Fahrspass etwas auf der Strecke.

Innenraum

Der Schwachpunkt des RS3: Die Materialien sind unwürdig für ein Auto, das zu diesem Preis verkauft wird. Der Innenraum ist genügend, mehr aber nicht.

Sicherheit

Die Bremsanlage, die auf Wunsch aus Karbonkeramik besteht, ist ausdauernd und stark. Bei den Fahrhilfen ist gegen Aufpreis alles mit dabei.

Budget

Der Verbrauch ist erwartungsgemäss eher hoch. Audi hat bei der Optionspolitik einige Fortschritte gemacht, doch es gibt immer noch zu viele Extras, die keine sein sollten, für die man aber extra bezahlen muss.

Fazit 

Der RS3 schmeichelt dem Fahrer in vielerlei Hinsicht, von der einfachen Fahrbarkeit bis zur atemberaubenden Effizienz. Er ist der schnellste Kompaktwagen, sowohl bei der Beschleunigung als auch bei der Höchstgeschwindigkeit. Allerdings wird dieses Perfektionsstreben auf der Strasse durch einen gewissen Mangel an Emotionen hinter dem Lenkrad erkauft.

Die technischen Daten und unsere Messwerte zu diesem Modell finden Sie in der gedruckten Ausgabe und im E-Paper der AUTOMOBIL REVUE.

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