Der Look zählt auch

Die Ähnlichkeit zwischen den beiden MEB-Stromern Cupra Born und VW ID 3 ist nicht von der Hand zu weisen. Ist der Born die Sportversion, die Volkswagen dem ID 3 nicht gönnt? Wie man aus der Verbrennerwelt weiss: Ganz so einfach ist es nicht.

Es ist das Dilemma von VW. Da baut man für teures Geld gar nicht einmal so schlechte Produkte, und am Ende hat man die Zwei am Rücken. Das war in der Verbrennerwelt bereits so, das wird sich auch bei den Stromern nicht ändern. Schaut man die Schweizer Zulassungszahlen der Modelle auf der MEB-Plattform an, so wird das besonders deutlich: Bei den SUV liegen Škoda Enyaq und Audi Q4 klar vor ID 4 und ID 5, und bei den Kompaktwagen hat der Cupra Born die Nase vorn vor dem ID 3. Volkswagen leistet also die Arbeit, die anderen sahnen ab? Nicht ganz, schliesslich passen die Marken die Basis an ihre eigenen Bedürfnisse an. Zwischen dem Born und dem ID 3 sind die Unterschiede zwar nicht riesig, aber die Spanier haben doch spürbar Hand angelegt und dem seriösen Wolfsburger noch etwas Latino-Temperament verpasst. Dieses beschränkt sich nicht bloss auf die Optik. Mit etwas mehr Leistung, Tieferlegung und direkterer Lenkung wird der Born tatsächlich etwas sportlicher als sein Bruder aus Wolfsburg.

Cupra hat für den Born in der Schweiz zwei Leistungsstufen und zwei Batteriegrössen im Angebot: eine mit 150 kW (204 PS) Motorleistung und 58 kWh Batteriekapazität sowie die Version mit E-Boost und 170 kW (231 PS), wahlweise mit 58-kWh- oder 77-kWh-Batterie. Mit der E-Boost-Funktion erhält der Born im Vergleich zum ID 3 ein Leistungsplus. Dieses lässt sich unter den richtigen Bedingungen (Batterie genügen geladen und richtig temperiert) während bis zu 30 Sekunden abrufen. Im Test hatten wir aber die 204-PS-Basisversion, die ab 39 950 Franken erhältlich ist und mit ihrer 58-kWh-Batterie bis zu 424 Kilometer weit kommen soll. Für die Variante mit E-Boost werden mindestens 42 000 Franken fällig, für die Version mit grösserer Batterie noch einmal 3500 Franken mehr. Bei der Anzahl an aufpreispflichtigen Optionen hat sich der Volkswagen-Konzern entschieden, mit Elektroautos ­eine etwas simplere Strategie zu fahren als die endlos langen Aufpreislisten. Stattdessen werden verschiedene Optionen zu Paketen zusammengefasst. In unserem Testwagen sind verschiedene Optionen drin, das grösste Paket ist das Advanced Pack, das unter anderem verschiedene Assistenzsysteme beinhaltet. So kostet das Auto am Ende rund 47 000 Franken.

Sportoptik

In den Abmessungen und Proportionen ist der Spanier seinem deutschen Bruder nicht unähnlich. Mit etwas kürzeren Überhängen misst er in der Länge von Auge kaum sichtbare drei Millimeter weniger, auch die Linien gleichen sich stark. Cupra bleibt auch optisch seiner sportlichen Wurzeln treu und verpasst dem Born ein aggressives Styling mit gedrungenen Scheinwerfern und natürlich massenhaft Designelementen in der markentypischen Kupferfarbe, die ­einen schönen Kontrast bilden zur dunkelblauen Wagenfarbe namens Aurora Blue. Der Schriftzug vorne guckt frech aus ­einem schmalen Spalt zwischen Haube und Schürze hervor. Die angedeuteten Sideblades vor den Hinterrädern, der Heckdiffusor und der riesige Grill sind zwar alle nicht funktional, aber wenn es um die Betonung des sportlichen Charakters geht, gilt nach wie vor: das Auge fährt mit.

Damit es nicht nur bei der sportlichen Optik bleibt, erhält der Born auch eine Abstimmung der MEB-Plattform, die ein klein wenig sportlicher ist, als es der Elektrobaukasten üblicherweise ist. Dazu wurden etwas steifere Federn verbaut und das Auto an der Vorderachse um 15, an der Hinterachse um zehn Millimeter tiefergelegt. Ausserdem gibt es eine etwas direktere Lenkung, bei der zudem bei sportlicher Gangart die Unterstützung etwas zurückgenommen wird. Am Lenkrad sitzen die beiden charakteristischen Satellitenknöpfe für die Fahrmodi: Mit dem einen lassen sich die Fahrprogramme durchschalten, mit dem anderen geht es direkt in den Cupra-Modus.

Dazu muss aber auch gesagt werden, dass sich der Born allen Versuchen der Spanier zum Trotz, ihn auf Sport abzustimmen, am Ende auch nicht wirklich anders fährt als ein ID 3. Bei der Werksangabe für den Spurt von 0 auf 100 km/h liegen Born und ID 3 mit 7.3 Sekunden gleichauf, im Test vermochte der Born den offiziellen Wert um 0.2 Sekunden zu unterbieten. Der Anzug aus dem Stand ist elektro­typisch flott, sodass der Born beim Ampelstart so manchen stärker motorisierten Verbrenner abhängen dürfte. Auch der Zwischenspurt am Dorfausgang (50–80 km/h in 2.4 Sekunden) oder auf der Autobahn (80–120 km/h in 5.0 Sekunden) geht problemlos. 

Mit einem Leergewicht von 1.8 Tonnen ist der Born aber auch schwer – was sich zwar beim Beschleunigen mit genügend Drehmoment kaschieren lässt, nicht jedoch in den Kurven. Da heisst es dann wieder: Es ist nicht alles Sport, wo Cupra draufsteht. Der tiefe Schwerpunkt hilft mit, das Wanken des Aufbaus zu minimieren, der Born weist aber eine klare Tendenz zum Untersteuern auf. Dem können auch die vielen elektronischen Helferlein nicht viel entgegensetzen. Ansonsten halten vor allem ESP und Traktionskontrolle die Zügel eng. Ganz deaktivieren lässt sich das ESP nicht, aber immerhin kann der Fahrer es in einen Sport-Modus versetzen, der ihm etwas mehr Eigenverantwortung zumutet. Trotz des hinten liegenden Motors und 310 Nm auf der Hinterachse, einst ein Garant für viel Fahrspass, kommt aber kein typisches Hecktrieblergefühl auf, und der Born bleibt ein zahmer Sportler.

Bekannte Elemente

Leicht über dem Durchschnitt liegt der Verbrauch. Das Testmittel nach gut 2400 gefahrenen Kilometern lag knapp unter 20 kWh/100 km. Auf der 120 Kilometer langen Normrunde war der Verbrauch mit 17.7 kWh/100 etwas höher als der Durchschnitt in diesem Segment (16.9 kWh/100 km). Die maximale Reichweite bei einer nutzbaren Batteriekapazität von 58 kWh beträgt somit 320 Kilometer. Unser Testwagen war ausserdem mit der optionalen Wärmepumpe ausgerüstet, die vor allem im Winter noch einmal für einige Kilometer zusätzliche Reichweite sorgen sollte. Nachladen kann der Born am Gleichstromanschluss mit bis zu 120 kW, was theoretisch eine Ladung auf 80 Prozent in einer knappen halben Stunde ermöglicht. In der Praxis leidet der Spanier aber am selben Problem wie alle MEB-Fahrzeuge: Die Ladeleistung setzt zwar stark ein, fällt aber auch relativ bald stark ab, sodass sie ab einer Ladung von rund 35 Prozent linear bis auf rund 50 kW abnimmt. Die Vermutung liegt nahe, dass dies mit der immer noch fehlenden Vorkonditionierung der Batterie auf den Ladevorgang zusammenhängt.

Auch bekannt aus den übrigen MEB-Modellen sind die Grundzüge des Interieurs. Über dem Lenkrad sitzt ein kleines digitales Instrument mit dem seitlichen Gangwählhebel, dazu gibt es den grossen zentralen Bildschirm und das Head-up-Display. Bei den Materialien im Interieur zieht Cupra den Ökogedanken konsequent durch. Die Sitzbezüge beispielsweise fühlen sich zwar an wie Alcantara, bestehen aber aus sogenanntem Seaqual-­Yarn, einem Material aus Recyclingplastik. Dazu werden vor den Stränden von Cupras Heimatstadt Barcelona PET-Flaschen und Plastikabfälle aus dem Meer gefischt und dann zu einem Polyester verarbeitet. Auch versucht man, so viel wie möglich auf Kompositmaterialien zu verzichten, da diese sehr viel mühsamer zu rezyklieren sind als Bauteile, die bloss aus einem einzelnen Werkstoff bestehen. Falls noch jemand bezweifelt, dass Öko auch attraktiv sein kann, liefert der Cupra den Gegenbeweis. Die Gestaltung des Interieurs ist ansprechend, und überall fallen wieder markentypische Details wie die Kupferbeschichtung oder die Dreiecksform auf. Diese kommt beispielsweise auch in den Sitzen als Perforierung zum Einsatz oder eingeprägt auf dem Armaturenbrett vor dem Beifahrer.

Die Gleichteile im Innenraum der MEB-Modelle bedeuten aber, dass auch die Probleme die gleichen sind. Die Bedienung des Fahrzeugs nahezu ausschliesslich über den Touchscreen, die verschachtelten Menüs und die eher dürftige Sprachbedienung trüben das Fahrerlebnis und sorgen auch unnötig für Ablenkung. Die unbeleuchteten Bedienelemente für Temperatur und Lautstärke hat man trotz konstanter Kritik und mehrfacher Gelobung auf Besserung von ganz oben bei VW noch immer nicht korrigiert. Die Touchknöpfe auf dem Lenkrad sind ein Garant für Fehlmanipula­tionen, da sie auf jede noch so feine Berührung ansprechen, wenn der Finger mal wieder falsch auf dem Lenkrad platziert wird. Das Gleiche gilt für die Bedienkonsole für Rückspiegel und Fensterheber. Touchknöpfe genau dort in der Armauflage zu platzieren, wo üblicherweise die Hand zu liegen kommt, ist alles andere als ideal. Und was der Vorteil von bloss noch zwei Fensterhebern und einem Umschaltknopf zwischen vorne und hinten ist, versteht ausser Cost-Control bei Volkswagen wohl auch kaum jemand.

Auf der positiven Seite: das Platzangebot. Mit dem flachen Boden und dem langen Radstand ermöglicht die Plattform eine effiziente Platzausnutzung. Die kurzen Überhänge und die fast van­artige Dachlinie des Born sorgen für ein gutes Raumgefühl auf den stattlichen Vordersitzen und viel Platz auf der Rückbank. Auch für erwachsene Passagiere bietet der Born genügend Kopf- und dank des Wegfalls des Mitteltunnels auch Beinfreiheit. Auch hier ist die Ähnlichkeit mit dem ID 3 nicht von der Hand zu weisen.

Ist der Cupra Born also die Sportvariante des ID 3, die VW diesem nicht gönnt? Der Spanier ist etwas dynamischer, frecher und jugendlicher unterwegs. Und dass Cupra und Volkswagen mit ihren Produkten eine ganz unterschiedliche Kundschaft ansprechen und sich somit nicht ins Gehege kommen sollten, ist auch kein Geheimnis. 

Testergebnis

Gesamtnote 70.5/100

Antrieb

Der Antrieb des Cupra Born ist trotz nur 204 PS kräftig beim Spurt aus dem Stand. Der Verbrauch ist mit 17.7 kWh/100 km überdurchschnittlich hoch, was auch auf die Reichweite schlägt.

Fahrwerk

Das etwas straff abgestimmte Fahrwerwerk und die direkte Lenkung verleihen dem Born eine leicht sportliche Note.

Innenraum

Den Nachhaltigkeitsgedanken versucht Cupra im Innenraum mit rezyklierten Materialien aufzugreifen. Dank des hohen Daches erfreut der Born auch mit viel Platz, vor allem auf den Rücksitzen.

Sicherheit

Es ist ein ewiger Streitpunkt: Die Bedienung des Fahrzeuges mit Touchknöpfen und dem zentralen, komplexen Infotainment ist nicht nur wenig intuitiv, sie sorgt auch für Ablenkung. Die Bremsen jedoch sind kräftig.

Budget

Der Basispreis von knapp 40 000 Franken ist fair, ebenso die Aufpreisgestaltung. Aber die zwei Jahre Garantie auf das Auto (Batterie 8 Jahre) sind etwas dürftig – bei den Koreanern geht viel mehr.

Fazit 

Ist der Cupra Born nur ein Abklatsch des ID 3? Oder etwa der sportliche Spross, den der VW ID 3 nicht erhält? Weder noch! Der Born hat es trotz seiner Ähnlichkeit verdient, als eigenständiges Fahrzeug behandelt zu werden. Mit seiner leicht sportlichen und frechen Attitüde überzeugt er in vielen Belangen – und die Probleme kennt man von den Konzernbrüdern.

Die technischen Daten und unsere Messwerte zu diesem Modell finden Sie in der gedruckten Ausgabe und im E-Paper der AUTOMOBIL REVUE.

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