Versprechen der Zukunft

Einen Tesla in ein Raster zu stecken, ist schwierig, weil er ohnehin beinahe jeden Vergleich sprengt. Mit dem ­Model Y Performance verhält sich das nicht anders.

Wir hatten es bereits beim Test des Model Y Long Range geschrieben. Tesla dürfen nicht einfach als Autos betrachtet werden, deren Hauptaufgabe darin besteht, seine Insassen sicher und komfortabel oder sportlich von A nach B zu bringen. Ein Tesla ist Multifunktions-Hightech, erweitert Primärfunktionen um mehr oder weniger sinnvolle Features, etwa so, wie man mit dem Smartphone längst nicht mehr nur noch telefonieren kann. Autokino kann man im Tesla dank Netflix-Einbindung auch in der heimischen Garage haben. E-Mails können dank Browsersupport am Supercharger auf dem Tablet gelesen und beantwortet werden. Oder aber man spielt eines der Arcade-Games, bald sollen auf einen Schlag über 50 000 technisch anspruchsvolle Computerspiele wie auf der Konsole laufen. Und und und …

Cool, sagen die einen, umso mehr, als der Grossteil solcher Features direkten Kundenwünschen entspricht, Elon Musk holt sich solches Feedback regelmässig auf Twitter ab. Unnötig, sagen andere, alles viel zu viel und in einem Auto kaum notwendig. Aber, und darum ging es bei Tesla schon immer, all diese Spielerein sind vor allem eines: ganz nett – also wieso nicht? Zudem sind sie ein Ausdruck der Überlegenheit sowie letztlich ein Teaser dafür, was – irgendwann – noch kommen mag.

Die Bezeichnung «Computer auf vier Rädern» kommt nicht von ungefähr und wird vor allem in Verbindung mit Elektroautos immer häufiger gebraucht. Kaum irgendwo trifft dieser Umstand derart zu wie bei Tesla. Das, was andere Hersteller mühselig im Nachhinein implementieren und dann meist auch mehr schlecht als recht funktioniert, ist bei Tesla seit Beginn einfach drin. Oder aber es wird effizient per Over-the-Air-Update nachgereicht. So beispielsweise erlernte der Model Y während des Tests einen Hinweiston abzuspielen, sobald eine Ampel auf Grün schaltete.

Verarbeitungsqualität aus Deutschland

Tesla beinhaltet aber nicht nur technischen Sch(n)ick, sondern auch viel Schnack. Im positiven wie im negativen Sinne. Tesla-Fahrer sind so etwas wie die Apple-Jünger von heute, entsprechend gross sind das Gerede und die Vorurteile. Dasjenige über die schlechten Spaltmasse hält sich hartnäckig. Unser Model Y Performance kam direkt aus der neuen Gigafactory in Grünheide und ist damit eines der ersten aus deutscher Produk­tion. Der letzte Test fand mit einem Exemplar aus Shanghai statt. Und wir müssen feststellen, dass es nicht mehr viel festzustellen gibt. Zumindest wenn man nicht ganz genau hinschaut. Rund um die LED-Frontscheinwerfer ist nicht jeder Spalt ganz passend. Noch auffälliger ist es beim Übergang vom riesigen Panoramaglasdach zum Heck. Beim Karosserieteil an der Seite klafft eine grössere Lücke. Aber alles in allem ist das im Rahmen. Auch wenn die sich die Diskrepanz zwischen grossen und engen Spaltmassen rund ums Auto zieht, ist die stetig verbesserte Produktionsqualität ersichtlich.

Das zeigt sich vor allem innen. Hier passt alles, ist solide und gut verarbeitet. Einzig die Verkleidung der A-Säule dürfte passgenauer sein, die Mittelarmlehne weniger knarzen. Sonst? Alles im Lot. Von den Alcantara-Türeinlagen über das Holzdekor im Armaturenbrett bis zu den Softtouch-Oberflächen, die bis weit nach unten reichen. Hartplastik finden man nur an entlegenen Stellen, flächendeckend kommt Kunstleder zum Einsatz. Die Sitze sind in Ordnung und gut gepolstert, aber etwas zu hoch angebracht und bieten nur wenige Einstellmöglichkeiten und noch weniger Seitenhalt. Dafür gibt es viele Ablageflächen, auch wenn das Interieur bei Tesla sich keineswegs wie eine Lounge präsentiert wie bei manchen Konkurrenten.

Die rahmenlosen Scheiben verleihen dem minimalistischen Interieur – wieder Geschmacksache, aber durchaus konsequent – etwas Eleganz, das riesige Panoramadach verbreitet ein gewisses Flair. Vor allem, wenn man auf der überraschend spartanisch eingerichteten Rückbank Platz nimmt. Serienmässig gibt es da zwei USB-C-Anschlüsse, eine zu weit nach unten reichende Mittelarmlehne und sonst: nichts. Die verarbeiteten Materialien sind dieselben wie vorne, die Platzverhältnisse für Kopf und Beine üppig. Da es keinen Mitteltunnel gibt, finden auch drei Erwachsene bequem Platz, solange sie nicht allzu breit gebaut sind. Einzig die Sitzflächen sind steil, die Beine daher stark angewinkelt. Zudem gibt es auch hier keinerlei Seitenhalt. Die Neigung der Rückenlehnen lässt sich in zwei Stufen einstellen. Zudem lassen sich die Teile einzeln abklappen, was für den Transport langer Gegenstände von grossem Vorteil ist.

Erleichtert wird dieser Vorgang durch Tasten im ziemlich variablen Kofferraum. Dadurch, dass die Batterie im Unterboden verstaut ist, eröffnet sich hinter der elektrischen Heckklappe ein wahres Raumwunder. Angegeben ist das Fassungsvermögen des Model Y mit 854 bis 2158 Litern. Das Kofferraumlayout reicht dabei durch die faltbaren und per Magnet in Position gehaltenen Ladeböden von klassisch quadratisch bis ausgefallen tief. Wer noch mehr Platz braucht, der sollte das Ladeequipment in den vorderen Kofferraum (117 l) legen. Die kleine Plastikwanne ist perfekt für das Ladekabel oder aber Dinge, die den Filz hinten nicht schmutzig machen sollen.

Effizienter Auftritt

Punkto Laden ist Tesla zumindest in Sachen Einfachheit der Konkurrenz nach wie vor voraus. Wer an einem der elf Supercharger-Standorten in der Schweiz lädt – acht weitere sind in naher Zukunft geplant –, braucht keine Unzahl an Apps, keine Karten, muss nicht überlegen, Stecker rein und fertig. Entlang der wichtigsten Verkehrsachsen ist man in Mittel- und Süd­europa gut bedient. Wie schnell dabei geladen wird, ist ein bisschen eine Lotterie, wenn man sich nicht im Voraus damit auseinandersetzt. Nach und nach kommt die dritte Generation des Superchargers zum Einsatz, womit der Tesla mit maximal 250 kW lädt. Damit können beim Model Y im Optimalfall bis zu 241 Kilometer Reichweite in nur 15 Minuten eingespeist werden. An älteren Säulen ist die Ladeleistung entsprechend tiefer, die ersten Säulen liefern rund 90 kW, die der Generation 2 bis zu 150 kW.

Das reicht, um in angemessener Zeit viele Kilometer Reichweite nachzutanken. Zumal auch der Model Y absolut effizient unterwegs sein kann. 17.9 kWh/100 km verbrauchte er auf der AR-Normrunde, was einer maximalen Reichweite von 430 Kilometern entspricht. Wer ordentlich auf die Tube drückt, zehrt die nur 76.8 kWh grosse Batterie natürlich früher aus.

Und dafür ist das Performance-Modell ja geradezu prädestiniert. Mit 393 kW (534 PS) und dem Drehmoment von 660 Nm schiesst der Tesla jederzeit ansatzlos nach vorne. Die Zeit für die Beschleunigung von 0 auf 100 km/h (3.9 s) und die Durchzugswerte sind auf ultimativem Sportwagenniveau. Trotzdem fährt sich der Model Y überaus angenehm, die Kennlinie des Fahrpedals ist gut dosierbar abgestimmt. Die Rekuperation lässt sich dreistufig einstellen, One-Pedal-Driving ist bis zum Stillstand möglich, wenn auch auf den letzten Metern die Bremse unmerkbar zu Hilfe gezogen wird.

Allerdings, was nicht mehr so dem Namenszusatz entspricht, verhält sich der Model Y in Kurven extrem behäbig, schiebt schnell über alle vier Räder. So faszinierend Geradeausfahrten auch sind, so ernüchternd wird es, wenn eingelenkt wird. Die Lenkung ist synthetisch, die Gewichtung inkonsistent und die Rückmeldung gleich null. Aber seien wir froh darüber, dass es überhaupt noch ­einen Lenkkranz an Bord gibt.

Gegenseitige Überwachung

Im Testwagen war der Enhanced Autopilot (3700 Fr.) freigeschaltet. Die Erweiterung kann zusätzlich zur Basisfunktionalität, die einen Notbremsassistenten, eine Auffahrwarnung und den Tot-Winkel-Überwacher beinhaltet, den Tesla mit dem Autopiloten navigieren, selbständig Spurwechsel vornehmen, automatisch parkieren oder das Auto zum Parkieren vor- und zurückrollen lassen. Allerdings darf man sich vom Namen nicht täuschen lassen. Es handelt sich um eine reine Fahrassistenz auf Level 2 (von 5). Sie soll vor allem auf langer Strecke die Sicherheit erhöhen, da der Fahrer bei den potenziell ermüdendsten Aufgaben unterstützt wird. «Mehr ist im Sinne von autonomem Fahren aktuell nicht möglich, was vor allem der europäischen Gesetzgebung geschuldet ist», sagt Samy Abdel Aal, Associate Manager Content and Programs bei Tesla.

Das wiederum bedeutet, dass Funktionalität und Zuverlässigkeit der Systeme zwar meist überdurchschnittlich gut sind, aber auch nicht über alle Zweifel erhaben. So ist auf der Autobahn meist alles fein, der Tesla zieht sicher seine Bahn, schlägt bei eingeschalteter Routenführung selbständig Spurwechsel vor und führt diese nach Blinkerbetätigung auch selber aus. Etwas langsam zwar, aber souverän – die Zeitung lesen oder ein Nickerchen machen, wie in so manchem Video im Netz zu sehen, würden wir hingegen nicht, ständige Überwachung beruht am besten auf Gegenseitigkeit.

Etwas anders sieht es über Land und vor allem in der Stadt aus. Zwar verhält sich der Tesla auch hier überdurchschnittlich gut, überdurchschnittlich heisst jedoch nur, dass er gerade Strecken ohne grössere Hindernisse teilweise allein bestreiten kann. Beim Autopiloten mit vollem Potenzial (7300 Fr.) wird in Zukunft ein City-Lenkassistent versprochen. Wann genau dieser verfügbar ist, weiss niemand. Man investiert bei Tesla also nach wie vor in Versprechen für die Zukunft – die allermeisten werden irgendwann eingehalten. 

Testergebnis

Gesamtnote 79/100

Antrieb

Der Model Y Performance verbindet alle Vorteile des Antriebskonzepts. Stets abrufbares Drehmoment, angenehmes Fahrgefühl und Verbrauchswerte, die in Anbetracht der Leistungskompetenz herausragend sind.

Fahrwerk

In der Stadt und auf der Autobahn macht die ausgewogene, aber lasche Abstimmung Sinn. Zum Kurvenräuber wird auch der Performance nicht.

Innenraum

Das Infotainment ist kontrovers, aber erstklassig. Die Qualitätsanmutung verbessert sich fortlaufend. Noch ist nicht alles perfekt, man sollte immer auch den Preis im Hinterkopf haben. Die Raumausnutzung ist erstklassig.

Sicherheit

Die Bremsen packen souverän zu, das Zusammenspiel mit der Rekuperation ist gut gelungen. Das Angebot an Fahrassistenen ist üppig, sie arbeiten sicherlich gut, aber noch keineswegs fehlerfrei. Aber: Update folgt.

Budget

Die Preise sind bei Tesla ohnehin fair. Der Aufpreis für die Performance-­Variante des Model Y ist aber geradezu lächerlich klein. Beim Autopiloten wiederum muss man abwägen, was man dereinst vielleicht brauchen wird.

Fazit 

Man mag Tesla oder auch nicht. Unbestritten ist die Tatsache, dass die Amerikaner nach wie vor Vorreiter der E-Mobilität sind. Der Model Y vereint viele triftige Gründe, die genau das bezeugen. Mit noch mehr Leistung zum kleinen Preis schöpft die Performance-Variante das Potenzial noch besser aus. Nur vom Namen täuschen lassen sollte man sich nicht.

Die technischen Daten und unsere Messwerte zu diesem Modell finden Sie in der gedruckten Ausgabe und im E-Paper der AUTOMOBIL REVUE.

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