Muscle SUV

Der Ford Mustang Mach-E trägt künftig den GT-Schriftzug, der eigentlich nicht auf ein SUV gehört. Aber vielleicht verdient er das Emblem ja trotzdem?

Wenn die Buchstaben GT auf dem Kofferraumdeckel eines Fords prangen, steht das für einen röhrenden V8-Saugmotor. Jetzt gibt es eine Ausnahme: den Mustang Mach-E GT. Kann ein SUV überhaupt ein Gran Turismo sein, der per Definition ein sportliches Auto ist, das auch für die Langstrecke taugt? Mit solchen Bezeichnungen nimmt man es heute ja generell nicht mehr so genau, da ist Ford keine Ausnahme. Natürlich basiert der GT wie der normale Mach-E auf der Global-­Electrified-1-Plattform, die nichts anderes ist als eine stark überarbeitete Version der C2-Plattform, die auch für den Focus und den Kuga genutzt wird. Der Antriebsstrang des Mach-E GT hat jedoch mit diesen beiden Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor rein gar nichts gemein. Jede Achse besitzt einen Permanentmagnet-Synchronmotor genau wie alle anderen Mach-E mit Allradantrieb. Während aber bei den normalen Mach-E an der Vorderachse ein schwächerer Motor zum Einsatz kommt, gibt es beim GT vorne und hinten eine 216 kW starke Elektromaschine. Im Zusammenspiel ergibt das ­eine Systemleistung von 358 kW(487 PS) und ein Drehmoment von beeindruckenden 860 Nm.

Langstreckentest

Versorgt werden die beiden Motoren durch eine Lithium-Ionen-Batterie, die Ford bereits im Mach-E Extended Range einsetzt. Diese hat eine Brutto­kapazität von 98.8 kWh (netto 91 kWh), was gemäss den Messungen auf der Normrunde der AUTOMOBIL REVUE bei einem durchschnittlichen Verbrauch von 22.7 kWh/100 km (oder eine Reichweite von 380 Kilometern), was etwas höher ist als der Durchschnitt in diesem Segment. Pluspunkte holt sich der Mach-E an den Schnellladestationen, wo er mit Leistungen von bis zu 150 kW aufgeladen werden kann. Das reicht aus, um die Batteriekapazität in knapp 45 Minuten von zehn auf 80 Prozent zu bringen. Spannend ist aber, dass oberhalb von 80 Prozent Ladestand die Ladeleistung schlagartig rapide abnimmt. Der Ladevorgang dauert dann noch einmal mehr als zwei Stunden, um die verbleibenden 20 Prozent vollzukriegen, wie sich in wiederholten Versuchen herausstellte.

Stark sind auch die Beschleunigungswerte: Die offizielle Angabe von Ford beträgt 4.4 Sekunden für den Sprint von null auf Tempo 100, im Realtest ermittelten wir 4.5 Sekunden. Kann man gelten lassen. Übrigens taucht gelegentlich ein Wert von 3.7 Sekunden auf für die Beschleunigung des Mach-E GT. Woher kommt diese Zahl? Diese Messungen basieren auf dem One-Foot-Rollout-Standard, der in der nordamerikanischen Industrie gängig ist und seinen Ursprung im Drag-Racing hat. Dabei wird die Stoppuhr erst gestartet, wenn sich das Auto um einen Fuss vorwärts bewegt hat. Damit werden Traktionsprobleme beim Start ignoriert und die Beschleunigungszeit um einige Zehntelsekunden beschönigt.

Nicht möglich ist ein Dauerbetrieb unter dieser hohen Leistung, da die Kühlkapazität der Batterie nur auf fünf Sekunden maximale Belastung ausgelegt ist. Danach werden Leistung und Drehmoment begrenzt. Das alles ändert natürlich nichts an der Tatsache, dass 4.5 Sekunden von 0 auf 100 km/h schnell sind, sehr schnell sogar. Für den Alltagsverkehr bedeutet das: Tritt man das Gaspedal durch, beschleunigt der Wagen druckvoll und kontinuierlich.

Der Mustang Mach-E GT ist mit speziell angepassten Schraubenfedern und Stabilisatoren ausgestattet. Darüber hinaus besitzt er adaptive Magne­ride-Stossdämpfer, bei denen die Dämpferhärte verändert werden kann, indem an der ferromagnetischen Dämpferflüssigkeit ein Magnetfeld angelegt wird und diese dadurch ihre Viskosität verändert. Zu den Eigenheiten des Mach-E GT gehören auch eine angepasste Fahrwerksgeometrie,  eine breitere Spur und eine Tieferlegung um elf Millimeter. Damit sollen die 2280 Kilogramm des heissblütigen Amerikaners satt auf der Strasse liegen. Ein Leergewicht von fast 2.3 Tonnen klingt nach viel – und ist es auch. Im Universum der Elektro-SUV liegt der Mach-E GT damit aber dennoch im Mittelfeld, einzig der Tesla Model Y ist mit nur 2000 Kilogramm deutlich leichter.

Dynamik auf hohem Niveau

Trotz der Masse liegt der Mustang Mach-E GT erstaunlich gut auf der Strasse. Dies ist auch dem tiefen Schwerpunkt geschuldet, der dank der Platzierung der Batterie im Fahrzeugunterboden nicht weit über den Achsen liegt. Es ist ganz klar, dass der Mach-E von der Erfahrung des Herstellers im Bereich der Fahrdynamik profitiert, der Wagen schlängelt sich mit Leichtigkeit über den Asphalt. Dazu kommt ein gut gedämmter Innenraum, sodass sich Windgeräusche in Grenzen halten.

Das Auto ist ruhig und leise und nimmt lange Kurven mit Gelassenheit. In Serpentinen erweist sich die sehr direkte Lenkung als griffig und ausreichend hart, um für jede Menge Spass zu sorgen. Zwar sind die Lastwechsel nicht so berauschend wie bei einem Focus ST, aber die an Bord befindliche Software zur Drehmomentverteilung ermöglicht es, das innere Rad (in der Kurve) abzubremsen, um mehr Drehmoment auf das äussere Rad zu verlagern, wodurch sich der Wagen in die Kurve hineindreht.

Die Motorisierung ist ebenfalls einwandfrei, da sie von der variablen Drehmomentverteilung auf beide Achsen profitiert. Trotz Allradantriebs behält das Auto sein sportliches Temperament, da es in der dynamischsten Fahrkonfiguration bis zu 70 Prozent des Drehmoments auf die Hinterräder leiten kann. Im Ungezähmt-Plus-Modus, der dem Mach-E GT vorenthalten ist, wird der Mustang endgültig vom Zügel gelassen und darf galoppieren. Nur so lässt sich auch das ESP deaktivieren, was auf der Strasse nicht empfehlenswert ist. Denn wie ein Wildpferd seine weite Weide braucht, um loszurennen, braucht der Mach-E GT hier eine abgesperrte Strecke, um zu beweisen, dass er problemlos auch quer um die Bögen gehen kann.

Für Verzögerung sorgen die monströsen Brembo-Bremsen mit 385 Millimeter Scheibendurchmesser vorne und 316 Millimeter hinten. Schaltwippen am Lenkrad, um die Stärke des regenerativen Bremsens zu regulieren, gibt es nicht, im Menü kann jedoch die Option des One-Pedal-Drivings aktiviert werden, wodurch fahren (fast) nur mit dem Gaspedal möglich ist.

Keine Akzente

Wie der Test des Standard-Mach-E bereits gezeigt hat, ist das Raumangebot eine der grossen Stärken des Elektro-SUV aus Dearborn (USA), das nicht nur über einen sehr grossen Kofferraum hinten verfügt, sondern auch einen Frunk vorne unter der Motorhaube besitzt. An Bord herrscht ein angenehmes Ambiente mit ansprechenden Verkleidungen im oberen Bereich des Armaturenbretts und an den Türen. Beim Innenraum wäre jedoch speziell für die GT-Version noch Luft nach oben gewesen, zum Beispiel durch farbliche Akzente oder spezielle, sportliche Details. Das kleine digitale Instrument vor dem Fahrer beschränkt sich auf die minimal nötigen Anzeigen, was man mögen kann oder nicht. Dass es aber für das SUV kein Head-up-Display gibt, ist merkwürdig, wäre das doch die passende Ergänzung zum kleinen Kombiinstrument. Alles andere als klein ist der von Microsoft entwickelte zentrale Grossbildschirm mit einer insgesamt übersichtlichen Darstellung und einer intuitiven Bedienung.

Ob ein SUV wirklich mit der Bezeichnung GT zu schmücken sei, stellen wir dahin. Aber der Mustang Mach-E GT erfüllt so gut wie alle Kriterien eines echten Gran Turismo: Er ist sportlich und doch komfortabel zu fahren, bietet viel Platz und hat eine, zumindest für ein Elektroauto, relativ grosse Reichweite.

Testergebnis

Gesamtnote 75/100

Antrieb

Die Motoren des Ford Mustang Mach-E GT liefern ein enormes Dreh­moment, sodass es sportlich vorwärts geht. Die Batterie reicht bei gesitteter Fahrweise für rund 380 Kilometer, laden lässt sie sich mit 150 kW.

Fahrwerk

Fahrdynamisch gibt es trotz des hohen Gewichts wenig auszusetzen. Die harte Fahrwerksabstimmung ist aber nicht gerade langstreckentauglich.

Innenraum

Geräumig und gut verarbeitet präsentiert sich der Mach-E, allerdings ohne spezielle Akzente für die GT-Version. Schade ist auch, dass es kein Head-up-Display gibt.

Sicherheit

Die umfangreichen Sicherheits- und Assistenzsysteme zeigten im Betrieb keine gröberen Schwächen.

Budget

Ein elektrisches SUV mit ordentlicher Leistung kostet auch etwas. Mindestens 81 500 Franken müssen für den Mach-E GT locker gemacht werden, was im Konkurrenzvergleich ein fairer Preis ist.

Fazit 

Der Ford Mustang Mach-E GT ist die vielleicht passendste Version des Mach-E. Hier werden der eher ruppige Charakter und das straffe Fahrwerk dem Anspruch an ein sportliches SUV gerecht, während das alles in den weniger stark motorisierten Varianten fehl am Platz wirkt.

Die technischen Daten und unsere Messwerte zu diesem Modell finden Sie in der gedruckten Ausgabe und im E-Paper der AUTOMOBIL REVUE.

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