Fünf Zylinder

Darauf haben viele sehnlichst gewartet: Der VZ5 ist der aussergewöhnlichste Formentor und beschert Cupra viel Aufmerksamkeit. Womöglich hätten die Spanier allerdings gar noch etwas mehr herausholen können.

Cupra gibt Gas. Auf allen Ebenen, beim Vertrieb, im (virtuellen) Rennsport, und im Metaversum, einem digitalen Raum, der bald eröffnet werden soll. Und natürlich mit seinen Modellen auf der Strasse. Die Spanier legen eine Performance hin, die alle Erwartungen übertrifft. Wichtiger Grund dafür: der Formentor, der zwar auf der MQB-Evo-Plattform baut und demnach nahe verwandt ist mit den Konzerngeschwistern, trotzdem aber eher wie ein uneheliches Kind wirkt. Seit 2019 verkörpert er die DNA der Spanier, die ganz offensichtlich sportlich geprägt ist. Er verkauft sich wie warme Weggli. Und legt den Grundstein für die Zukunft.

Dennoch ist Cupra abhängig, von Seat, vom Konzern ganz allgemein. Leon, Ateca und Born sind mehr oder weniger nahe Konzernzwillinge. Und weil das Ziel rein elektrisch ist, muss man grösstenteils auf dem aufbauen, was vom Mutterhaus kommt, Freiheiten gibts einzig beim Design und bei der Abstimmung. Mitunter deshalb ist die Übergangsphase für die noch junge Marke derart wichtig, das jetzige Image sorgt später für die richtige Bindung zum Kunden. Und weil sich Verbrenner nun mal bestens für den Transport von Emotionen anbieten, packt man das Beste aus dem Konzern in das Beste aus dem ­eigenen Haus. Et voilà: der Formentor VZ5.

Es ist ein Achtungserfolg, beinahe ein Ritterschlag, dass Audi den legendären Fünfzylindermotor überhaupt herausgerückt hat. Auch VW liebäugelte für den neuen Golf R damit, Ingolstadt lehnte ab, weil der Golf dem Audi RS3 gefährlich nahe gekommen wäre. Beim Formentor sieht es etwas anders aus, er richtet sich mit dem Preis (ab 73 600 Fr.), seinem Aussehen und durch das Prestige an eine andere Kundschaft als der RS Q3 (ab 83 700 Fr.), Wilderei im eigenen Territorium ist nahezu ausgeschlossen. Trotzdem: Mehr als 7000 Motoren rückt Audi sicherheitshalber dann doch nicht heraus.

Das Herzstück

Der Cupra Formentor VZ5 ist verrückt, eigenwillig, schnell. Ein Unikat, wodurch er wohl auch den einen oder anderen Kunden überzeugen wird, der eigentlich nichts von Crossover-­SUV hält. Vor allem aber sorgt er für Gesprächsstoff. Was der VZ5 allerdings nicht ist, oder nur ein klein wenig: wild. Das liegt in erster Linie an der Abstimmung des 2.5-Liter-Motors mit 287 kW (390 PS) und 480 Nm.

Die Musik der fünf Zylinder spielt bauartbedingt eine grosse Rolle. War man einst bei Audi, 1976 im Audi 100, einigermassen überrascht ob des ungewohnten Klangs, entwickelte er sich schnell zu einem Markenzeichen. Heute, seit seinem Comeback im Jahr 2009, leidet der nun quer eingebaute Motor zunehmend an den immer strenger werdenden Vorschriften. Die einzigartige Harmonie durch die 2.5 Zündungen pro Umdrehung und der Zündfolge (1-2-4-5-3) ist zwar noch da, hört sich auch gut an, wirkt aber stark gedämpft. Als könnte der VZ5 nicht richtig atmen und wäre durch seine übereinandergestapelten Doppel-Endrohren etwas heiser. Das ist natürlich kein Vergleich zu ganz früher und den Vor-OPF-Zeiten, der aktuelle Fünfzylinder klingt jedoch gar weniger rotzig als sein Vierzylinder-Kollege.

Abgesehen davon ist der einfach aufgeladene Fünfzylinder ein ausgeprägter Sportmotor und verbraucht damit auch ordentlich Treibstoff, 8.2 Liter auf 100 Kilometer waren es auf der AR-­Normrunde. Im Drehzahlkeller passiert wahrlich nicht viel, Freude macht, wie gierig er bei hohen Drehzahlen am Gas hängt. Die Kraftabgabe ist gleichmässig, die Laufruhe vorbildlich, übermässige Schwingungen des Motors konnten keine ausgemacht werden. Ein Respektabstand von zehn PS zum Audi wird beibehalten, aber dadurch, dass der VZ5 leichter ist als ein RS Q3 und nahezu gleich schwer wie der RS3, bewegt er sich näher bei den Fahrleistungen der Kompaktlimousine. 4.2 Sekunden, was exakt der Werksangabe entspricht, haben wir für den Sprint von 0 auf 100 km/h gemessen. Traktion ist dabei nie irgendein Thema, ausser es sei so gewollt.

Der Geheimtipp

Nebst Zutaten wie MacPherson-Federbeinen vorne, Mehrlenkerachse hinten, einem in bis zu 15 Stufen verstellbaren adaptiven Fahrwerk, 18-Zoll-­Bremsscheiben mit Sechskolben-Bremssätteln erhält der VZ5 exklusiv zwei elektronisch gesteuerte Lamellenkupplungen auf der Hinterachse. Wie bei den sportlichen Geschwistern von Audi und VW ermöglicht das System eine aktive, voll variable Momentenverteilung, abhängig vom gewählten Fahrmodus. Dadurch erhöht sich das Antriebsmoment auf das kurvenäussere Hinterrad mit der höheren Radlast, was die Tendenz zum Untersteuern deutlich reduziert. Netter Nebeneffekt davon ist der Drift-Modus, bei dem sich das ESP ganz ausschaltet, das sich ohnehin in drei Stufen direkt über ­eine Taste in der Mittelkonsole verstellen lässt. Die Spielerei ermöglicht beinahe spielerisch einfache Drifts, sofern man das irgendwo brauchen kann oder darf. Vor allem aber ist dieser Modus ein Geheimtipp für ein fahraktiveres Erlebnis. Man spürt in langgezogenen Kurven, wie das Heck leicht wird, sich der Formentor schön eindreht. Was selbst im Cupra-Modus etwas zu kultiviert wirkt, wird spannender, verspielter, dynamischer. Jedoch sollte man sich bewusst sein, dass vor allem beim starken Herausbeschleunigen aus engeren Kurven gerne das Heck kommt, etwas Aufmüpfigkeit tut dem noch immer glatten Charakter des VZ5 gut.

Im Normal-Modus wiederum lässt es sich überraschend komfortabel dahingleiten im Spanier, die Dämpfer erlauben ein leichtes Aufschwingen, die Federn bügeln Unebenheiten angemessen weg. Der Motor rückt gänzlich in den Hintergrund, gibt kaum einen Ton von sich, das Doppelkupplungsgetriebe arbeitet harmonisch. Im Cupra-Modus wird alles straffer, Bodenwellen schlagen teils deutlich spürbar zu den Insassen durch. Die Vorderachse krallt sich vorbildlich in den Asphalt, das Heck zieht dank optimaler Momentverteilung anstandslos mit.

Die Unterscheidung

Dass die progressive Lenkung dabei stets zu lasch bleibt, ist eine Konzernkrankheit. Ebenso, dass das Getriebe beim plötzlichen Durchlatschen eine heftig spürbare Gedenksekunde einlegt. Ansonsten ist das Gesamtkonzept stimmig, es gibt kaum etwas zu bemängeln, was nicht mit der Software und der Bedienung zu tun hat, das bleibt eine Tortur. Die Sitzposition ist, anders als in den anderen Formentor, durch die wunderbaren Schalensitze tief, trotzdem behält der Spanier einen gewissen SUV-Charakter, vor allem, wenn man über die konturierte Motorhaube blickt. Die Platzverhältnisse gehen in Ordnung, sind hinten besser, als sie in Anbetracht der leicht abfallenden Dachlinie und der Schalen wirken. Die Materialien sind liebevoll gewählt, die Verarbeitung ist hochwertig. Kupferfarbene Dekorelemente sind gezielt platziert, die beiden Zusatzknöpfe am Lenkrad sorgen zusätzlich für sportliches Flair. Wieso allerdings bei der Betätigung der Cupra-Taste noch immer der Umweg über den Sport-­Modus genommen werden muss, bleibt ein Rätsel.

Ebenso wie die Tatsache, weshalb Cupra den VZ5 nicht noch radikaler abgestimmt hat. Abnehmer dafür gäbe es sicherlich. Mit dem charaktervollen Aussehen, dem legendären Fünfzylinder und dem verheissungsvollen Drehmomentverteiler auf der Hinterachse wären gerade bei der Abstimmung noch mehr Eigenständigkeit und Abgrenzung möglich gewesen, die dem Formentor noch mehr Ruhm eingebracht hätten. So aber bleiben die Momente mit dem Cupra Formentor VZ5 zwar grossartig, allerdings auch relativ flüchtig.

Testergebnis

Gesamtnote 83.5/100

Antrieb

Das Beste aus dem Konzern und dem eigenen Haus sorgt für eine scharfe Kombination. Beklagen kann man sich kaum, aber dem VZ5 hätte bei dieser einmaligen Gelegenheit gar noch mehr Schärfe gut gestanden.

Fahrwerk

Von einigermassen sanft bis bretthart ist alles da. All das ist effizient, schnell, aber nicht sonderlich spektakulär. Der Drift-­Modus schafft etwas Abhilfe, auch wenn er wohl für etwas anderes gedacht ist.

Innenraum

Schöne Materialien, gute Verarbeitung und schmeichelhafte Akzente sorgen für einen angemessenen Wohlfühlfaktor. Der VZ5 setzt sich aber kaum von anderen Cupra-Modellen ab, die Software bleibt eine Tortur.

Sicherheit

Die Bremse arbeitet souverän, der gemessene Bremsweg vermittelt durch die Kombination von hoher Temperatur und Winterreifen ein falsches Bild. Die Assistenten kämpfen mit den vom Konzern bekannten Aussetzern.

Budget

Die 17 000 Franken, die man für den Basis-VZ5 mehr bezahlt als für den 310-PS-Vierzylinder, sind gut angelegtes Geld. Wegen der Mehrausstattung und aufgrund der Tatsache, dass es so etwas nie mehr geben wird.

Fazit 

Im Grunde genommen macht der VZ5 alles richtig. Der Fünfzylinder und das Torque-­Vectoring machen aus einem guten Auto ein sehr gutes Auto. Der Preis ist im Vergleich mit Audi mehr als angemessen. Enthusiasten hätten sich aber vielleicht noch mehr Kompromisslosigkeit gewünscht.

Die technischen Daten und unsere Messwerte zu diesem Modell finden Sie in der gedruckten Ausgabe und im E-Paper der AUTOMOBIL REVUE.

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