Die nie endende Diskussion

Ist das PHEV die Einstiegsdroge für E-Mobilität oder doch nur Etikettenschwindel? Eine merkwürige Studie findet eine merkwürdige Antwort auf diese Frage.

Die Debatte über Sinn oder Unsinn von Fahrzeugen mit Plug-in-Hybrid ist ­eine endlose und eine, die wir auch in der ATUOMOBIL REVUE schon mehrfach geführt haben. Während manche in ihnen ­eine Kombination des Besten aus beiden Welten sehen, sind sie für andere ein Murks, bei dem immer die Hälfte des Antriebes nutzlos ist. Tatsache ist, dass sie lokal emissionsfreies Fahren ohne Reichweitenangst ermöglichen und somit für viele Kunden ­einen ersten Schritt in die Elektromobilität darstellen. Für die Hersteller sind sie ein willkommenes Mittel, um den Flottenverbrauch senken zu können, da der Benzinverbrauch nach WLTP-Zyklus tief ausfällt und damit auch der für die Strafzahlungen massgebende CO2-Ausstoss. Viele Kantone gewähren auch eine Reduktion oder sogar einen Erlass der Motorfahrzeugabgaben als Anreiz für die Bevölkerung, auf PHEV umzusteigen.

Eine Mitte Januar veröffentlichte Studie aus dem Wallis will damit Schluss machen. Im Auftrag der Kantonsregierung wurde untersucht, ob Plug-in-­Hybride sauber genug seien, dass sie weiterhin mit Steuergeldern gefördert werden sollten. Die Antwort: eigentlich nicht. Der gemessene Benzinverbrauch der PHEV betrug im Durchschnitt 4.94 l/100 km und liegt damit deutlich höher als auf der Energieetikette angegeben. Damit liegt auch der CO2-Ausstoss klar über dem von der Politik vorgegeben Ziel von 50 Gramm pro Kilometer.

Entsprechend hat der Kanton per sofort einen Schlussstrich unter die Subventionen für PHEV gezogen. Die Resultate und vor allem die Durchführung der Studie sorgten aber, vor allem in der Westschweiz, für viele Diskussionen und auch viel Kritik. Wir haben die wichtigsten Punkte analysiert und uns mit dem Kopf hinter der Studie, Marc Muller von der Agentur Impact Living, unterhalten.

Merkwürdige Auswahl

Um ganz allgemein die CO2-Belastung von PHEV zu evaluieren, hat Impact Living die Verbrauchsdaten von 20 Fahrzeugen mit Plug-in-Hybrid untersucht. Der Verbrauch während des Tests sollte komplett dem Verbrauch im Alltag entsprechen, die Fahrerinnen und Fahrer folgten deshalb keinem festgelegten Protokoll, sondern hielten einfach fest, wann sie wie viel Benzin tankten. Ob sie die Batterie in ihrem Fahrzeug jeweils aufladen wollten oder nicht, war ihnen überlassen. Sie sollten sich verhalten wie sonst auch, um möglichst realitätsnahe Ergebnisse zu erhalten, was in diesem Fall wohl der richtige Ansatz ist.

Unter den 20 Plug-in-Fahrzeugen waren ganze 15 Mitsubishi Outlander 2.4 PHEV, zwei Volvo XC60, zwei Audi Q5 und ein Ford Explorer. Alles grosse SUV also, keine Mittelklassewagen, keine kleinen SUV und auch keine Kombis. Eine Erklärung für diese einseitige und wenig repräsentative Auswahl liefern die Autoren erst einmal nicht. Erst im Interview erklärt Muller, dass man damit die Vergleichbarkeit ermöglichen wollte. Als Referenz diente eine Vergleichsgruppe aus 15 Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor, vornehmlich Klein- und Mittelklassewagen vom Smart Fortwo über den Suzuki Celerio bis zum Renault Koleos, wobei dieser grössenmässig eine Ausnahme bildet.

Dass der Verbrauch der PHEV verhältnismässig klar höher ausfällt als derjenige der Verbrenner, ist jedem mit – oder auch ohne – automobilem Hintergrundwissen klar. Tatsächlich brachten es die Verbrenner im Schnitt auf 7 l/100 km. Der Verbrauch liegt also ganze 40 Prozent über demjenigen der PHEV. Die Autoren versuchen das als «leichten Unterschied» herunterzuspielen. Obwohl die PHEV-SUV mit einem durchschnittlichen Leergewicht von 2.2 Tonnen sogar rund 50 Prozent schwerer sind als die Verbrenner mit durchschnittlich 1.6 Tonnen. Erschwerend hinzu kommt die Mehrleistung der PHEV. Die Motorleistung der Verbrenner beträgt durchschnittlich 162 PS, die Systemleistung der PHEV 246 PS – ein Mehr von 38 Prozent. Dies wird zwar in der Studie genannt, aber als vernachlässigbar behandelt. Betrachtet man nur die thermische Leistung der PHEV, liegen sie übrigens ziemlich genau gleichauf mit den Verbrennern – bei deutlich geringerem Verbrauch.

Irreführende Schlussfolgerung

Obwohl die Messungen einen klaren Vorteil für die PHEV ergeben, spricht sich Impact Living für ­eine Verbannung der PHEV auf, da sie mit einem CO2-Ausstoss von 118 g/km nicht zum Erreichen der Klimaziele beitragen könnten. Der Vergleich mit den Verbrennern wird damit hinfällig, was auch Muller im Interview zugibt.

Ob, wie von den Autoren vorgeschlagen und vom Kanton Wallis umgesetzt, die Subventionen für PHEV gestoppt werden müssen, weil der CO2-Ausstoss höher ist als angegeben, hängt davon ab, was man bezwecken will: Soll damit das politisch gesetzte CO2-Ziel erreicht werden? Dann dürfen sie nicht weiter subventioniert werden. Soll aber ganz generell der CO2-Ausstoss verringert werden und gleichzeitig noch die Bevölkerung für einen Einstieg in die Elektromobilität motiviert werden? Dann ist eine Unterstützung wohl nicht falsch. Letzteres scheint übrigens genau der Fall zu sein: 75 Prozent der Probanden gaben an, ihr nächstes Auto werde «sicher» oder «ziemlich sicher» ein vollelektrisches Modell sein. Die Mehrheit davon hätte sich bereits jetzt für ein Elektroauto entscheiden können, ist Muller überzeugt. Wenn nur die Information durch die Garagisten da gewesen wäre.

Reichweite geht, Verbrauch nicht

Es besteht kein Zweifel daran, dass die Energieetikette von Plug-in-Hybriden einen grossen Schwach­punkt aufweist. Während bei den Verbrennern und den Stromern der WLTP-Zyklus ­einen realitätsnahen Verbrauch ergibt, kann dieser bei PHEV komplett von den Tatsachen abweichen. Das hat damit zu tun, dass Benzin- und Stromverbrauch nicht direkt gemessene, sondern errechnete Werte sind (s. Seite 4). Entsprechend schwierig ist es, diese in einer einzelnen Studie abzubilden. Dass der Normwert aber einhaltbar wäre, zeigte ­einer der Teilnehmer auf, der mit seinem Mitsubishi Outlander einen Verbrauch von durchschnittlich 1.1 l/100 km erreichte – die Hälfte des WLTP-Werts! Auf der anderen Seite reicht die Spanne bis zum Vierfachen der offiziellen Angaben.

Ähnliche Resultate zeigen auch die Erfahrungen der AUTOMOBIL REVUE. Nur wenn die PHEV-Testwagen konsequent geladen werden, lässt sich der Normwert einhalten.Was die Erfahrung aus dem Testbetrieb auch zeigt: Während der Benzinverbrauch in der Realität stark vom Herstellerwert abweichen kann, so ist dies bei der elektrischen Reichweite meist nicht der Fall. Mit einer Abweichung von einigen Kilometern wird diese Vorgabe grösstenteils eingehalten. Das ist insofern wenig überraschend, da diese direkt gemessen und, anders als der Verbrauch, nicht errechnet wird. Die Aussage von Impact Living, dass PHEV die vom Hersteller angegebene Reichweite nicht erreichten, ist also rein spekulativ und dient wohl dazu, die Fahrzeuge zu diskreditieren.

Politische Tragweite

Ist es richtig, dass man nach der Befragung von 20 Personen dem Kanton empfiehlt, die Subventionen für PHEV zu streichen? Geht man davon aus, dass die Studie repräsentativ ist für die Gesamtheit der rund 1600 Plug-in-Fahrzeuge im Kanton Wallis, dann ist es wohl die richtige Konsequenz.

Dass im gleichen Atemzug aber auch auf die ganze Schweiz geschlossen und die Abschaffung der sogenannten Supercredits gefordert wird, also des Anreizmechanismus’ für die Importeure, überhaupt PHEV anzubieten, scheint übers Ziel hinausgeschossen. Für Muller ist aber klar, dass dies nicht nur den Käufern von Elektroautos, sondern auch den Käufern sparsamer Benzinern zugutekäme, da diese wieder attraktiver bepreist werden könnten, wenn der Markt nicht mehr durch subventionierte PHEV verzerrt würde.

«Das grosse Problem ist der WLTP-Zyklus»

Die Beratungsagentur Impact Living hat im Auftrag des Kantons Wallis eine Studie über den Real­verbrauch von Plug-in-Hybriden durchgeführt. Wir haben uns mit dem Studienverantwortlichen, Ingenieur Marc Muller, über die Hintergründe unterhalten.

Automobil Revue: Ihre Studie gegen Plug-in-Hybride hat hohe Wellen geschlagen und es gab auch einiges an Kritik …

Marc Muller: Ich möchte klarstellen: Es gab so gut wie keine ernsthafte Kritik an unserer Studie. Die absolute Mehrheit der Reaktionen war überaus positiv. Und wir haben im Grunde auch nichts Neues gesagt. Bereits die europäische Organisation Transport and Environment und das Fraunhofer-­Institut sind zum gleichen Schluss gekommen. Wir wollten einfach betrachten, wie die Situation speziell im Wallis mit den vielen Bergen aussieht.

Aber die Auswahl der Fahrzeuge mit 20 SUV, darunter 15 Mitsubishi Outlander, ist unausgewogen. Dass man denen kleine Verbrenner gegenüberstellt, scheint auch absurd.

Dass wir 15 Outlander hatten, war kein Zufall. Wir wollten die Fahrer und das Fahrverhalten bewerten und nicht das Auto. Das geht nur so. Und der Vergleich mit den Verbrennern war nie so geplant. Die hatten wir drin, um zu sehen ob diese den WLTP einhalten können. Was sie erstaunlich gut geschafft haben!

Die Kritik richtet sich also sehr stark gegen den WLTP und damit verbunden gegen die Super­credits für die Importeure?

Ja. Als man den WLTP ausarbeitete, gab es noch kaum PHEV, entsprechend wurde kein korrekter Zyklus ausgearbeitet. Der Bundesrat hätte heute die Möglichkeit, diesen für die Schweiz neu zu definieren. Für die Importeure würde die Abschaffung der Supercredits für PHEV keinen finanziellen Nachteil bedeuten, wenn sie stattdessen mehr Elektroautos verkauften. Und auch für die Kunden wäre es von Vorteil, weil dadurch die Marktverzerrung zugunsten der PHEV verschwände und damit sparsame Verbrenner und Elektroautos günstiger würden.

Der Kanton Wallis hat jetzt die Subventionen für Plug-in-Hybride gestoppt?

Das ist richtig. Die Unterstützung war früher sicher gut, als Elektroautos noch wenig verbreitet waren. Heute haben sich die Rahmenbedingungen geändert, und jeder Garagist hat die Möglichkeit, Elektroautos zu verkaufen. Dem muss die Politik Rechnung tragen. In der qualitativen Auswertung unserer Studie haben wir übrigens gesehen, dass 40 Prozent der Teilnehmer der Meinung waren, der Kauf eines PHEV sei ein Fehler gewesen, sie hätten besser ein Elektroauto gekauft. Und 100 Prozent der Teilnehmer könnten ohne Einschränkungen ein Elektroauto fahren! Da ist einfach die Beratung durch die Garagisten gefordert.

Wie müsste Ihrer Meinung nach ein realitäts­naher Ersatz für den WLTP-Zyklus aussehen?

Oh, das ist einfach. Man könnte beispielsweise einmal pro Jahr die Daten einer bestimmten Anzahl repräsentativer Fahrzeuge auslesen und dadurch den Verbrauch und die Bussen für die Importeure festlegen. Bei Wärmepumpen beispielsweise macht man das schon heute so.

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