Offensive aus dem Osten

Es ist nicht lange her, dass sich der Škoda Fabia primär über den Preis verkaufte. Heute will er die Interessenten mit seinen Stärken wie Komfort und Platzangebot verführen.

Kaufen Sie den Škoda, der ist ein VW zum Sonderpreis», lautete oft der Rat, wenn sich in der Vergangenheit jemand für ein Wolfsburger Produkt interessierte. Tatsächlich spielte die seit 1991 zum Volkswagen-Konzern gehörende tschechische Marke immer die Trumpfkarte des Preises aus und bot fast identische Modelle billiger an als VW. Der Käufer musste vielleicht auf die modernsten Technologien verzichten oder mit nicht so hochwertigen Materialien Vorlieb nehmen, aber unter dem Blech steckten die gleichen Motoren, Getriebe und Fahrwerke wie beim grossen Bruder. Die Formel wurde zum Erfolg, den die Tschechen mit ihrem Slogan «simply clever» zum Programm erhoben.

Aber die Verantwortlichen im tschechischen Mlada Boleslav empfanden die Nische des «billigeren VW» zunehmend als einengend. Die Marke konzentrierte sich vermehrt auf andere Stärken wie grosszügiges Interieur und findige, praktische Details, die dem Besitzer das Leben erleichtern. Der Alltagsnutzen profitiert etwa vom inzwischen etablierten Eiskratzer hinter der Klappe des Einfüllstutzens oder dem Schirm im Türrahmen. Die durchdachten Lösungen entwickelten sich allmählich zu einem Erkennungsmerkmal der Tschechen. Beim neuen Škoda Fabia zählten wir nicht weniger als 43 solche Nettigkeiten. Zu den fünf ganz neuen Tricks zählt der abnehmbare Sonnenschutz für die Versionen mit Panoramadach oder der Kartenhalter vor dem Schalthebel. Man findet zudem ­einen leicht zu montierenden Flaschenhalter für den Mitteltunnel, welcher aber kaum als clever zu bezeichnen ist.

Schon fast klassensprengend

Niemand zweifelt hingegen an den technischen Stärken des konservativ gestylten Tschechen: Der Fabia 4 baut auf der MQB-A0-Plattform des VW-Konzerns auf. Endlich, ist man versucht anzufügen, denn der Mitteleuropäer ist nach Audi A1, VW Polo und Seat Ibiza der letzte Kleine der Gruppe, der in die Moderne vorstösst. Der Fabia feiert den Generationenwechsel gleich auch noch mit einem Wachstumsschub und präsentiert sich mit einer Gesamtlänge von 4.11 Metern als Grösster seiner Klasse. Die Konzernbrüder hinken alle um etwa fünf Zentimeter hinterher, und selbst die Vertreter des C-Segments waren noch vor wenigen Jahren keine Handbreite grösser (VW Golf 4 von 2000: 4.15 m). Mit seinem verhältnismässig riesigen Kofferraumvolumen von 380 Litern kann sich der Fabia mit den meisten Mittelklässlern messen. Der Ford Focus zum Beispiel muss sich mit 375 Litern begnügen. Bei umgeklappten Rücksitzen bietet der Fabia gar 1190 Liter und einen schön flachen Boden. Für das Skiwochenende ohne Gepäckträger müssen die Bretter allerdings abgewinkelt verladen werden, die gerade Länge bis zur Beifahrersitzlehne beträgt nur 164 Zentimeter. Das kann aber nicht davon ablenken, dass der Fabia beim Ladevolumen zu den Klassenbesten gehört.

Die Rücksitzbank bietet genug Bewegungsfreiheit für zwei Erwachsene. Knie- und Kopffreiheit geben keinen Anlass zur Kritik. Zu dritt wird es hinten aber etwas eng. Mehr als kurze Fahrten sollte man dann nicht einplanen, vor allem wenn der Becherhalter hinten an der Mittelkonsole angebracht wird. Er schränkt die Beinfreiheit des mittleren Passagiers doch sehr ein. Immerhin lässt sich das smarte Detail abmontieren. Fahrer und Beifahrer sind bestens aufgehoben. Der Fahrer findet viele Sitz- und Lenkradeinstellungen, sodass er problemlos eine gute Position findet, auch wenn er etwas hoch thront.

Das Armaturenbrett ist eher unauffällig gestaltet. Die Verarbeitung ist tadellos, das Design leistet sich keine Schnörkel und gibt damit keine Rätsel auf, wirkt aber ein wenig zu nüchtern. Škoda wählt innen dunkle Töne, und die Materialien sind nur von durchschnittlicher Güte. Weder einige Stoffeinlagen noch die LED-Lichtleiste (weiss und rot programmierbar) vermögen die Tristesse aufzuheitern. Die Plastikblenden links und rechts der Instrumentenabdeckung mit ihrer Aufschrift «Fabia» spiegeln sich zudem in der Windschutzscheibe – diesen geschmacklich fraglichen Akzent hätten sich die Innenraumgestalter sparen können.

Die seriöse Aufmachung des Armaturenbretts hat hingegen ihre Rechtfertigung in Sachen Ergonomie. Die Bedienungselemente sind dort, wo man sie sucht und – hurra! – die Heizung und Belüftung ist per richtigen Schaltern zu regeln. Nur haben wir uns etwas zu früh gefreut: Temperatur und Gebläse haben ihre Rundknöpfe, aber für die Luftverteilung muss man den Touchscreen bemühen. Immerhin ist das Infotainment (9.2-Zoll-Bildschirm gegen Aufpreis) von guter Qualität, Škoda hat eines der besseren Systeme im VW-­Konzern gewählt. Es überstrahlt mit schnellem Ansprechen, modernen Grafiken und intuitiver Bedienung manche der weniger geglückten Dispositive der Gruppe. Besonders gefallen hat uns, dass das Infotainment beim Fahren kaum ablenkt, was man von allen Systemen erwarten dürfte.

Schwach im unteren Bereich

Wegen der strengeren Abgasvorschriften schafft es im Fabia nur ein einziger Vierzylinder (1.5 TSI, 150 PS) ins Motorenangebot, um den vier Dreizylindern die Stirn zu bieten. Von Elektrifizierung keine Spur, noch nicht einmal mit einem Mildhybrid. Im Volkswagen-Konzern bleiben die ETSI mit Stromunterstützung den höheren Segmenten vorbehalten.

Unser Testwagen war mit dem stärksten der Dreizylinder ausgestattet, dem Einliter-TSI mit 81 kW (110 PS). Die Kraftübertragung übernahm ein Sechsgang-Schaltgetriebe (ein Doppelkupplungsgetriebe mit sieben Stufen gibt es gegen Aufpreis). Nach dem Drücken des Anlasserknopfs wird sofort klar, dass es sich hier nicht um einen Vierzylinder handelt. Der Sound und das Schütteln sind dreizylindertypisch. Wie schon beim kürzlich getesteten Cousin, dem VW Polo (AR 51-52/2021), dringen etwas zu viele Vibrationen zu den Insassen durch. Doch auch wenn der Fabia keine Sänfte ist, darf man ihn nicht als Schüttelbecher abtun. Grössere Punktabzüge gibt es wegen des schwachen Antritts des Dreizylinders unterhalb von 2000 U/min. In der Stadt ist man bei 30 km/h im dritten Gang nur zäh unterwegs. Mit einer schnell reagierenden Automatik liesse sich das laue Drehmoment überspielen, mit dem Schaltgetriebe muss der Fahrer selber dafür sorgen, dass die Mühle auf Touren kommt. Aber das Problem liegt nicht nur darin, dass der Fabia lange braucht, bis der rettende Turbodruck aufgebaut ist. Das Getriebe ist zudem zu lang übersetzt. Wie andere Hersteller sieht sich auch Škoda dazu gezwungen, die Gangstufen so weit wie nur möglich auszudehnen. Der Motor soll extrem niedertourig arbeiten, um den Verbrauch und die Emissionen zu senken. Spritzigkeit und Fahrspass hin oder her, die Massnahmen zeigen ihre Wirkung: Auf unserer AR-­Normrunde begnügte sich der Fabia trotz des Verzichts auf Elektrounterstützung mit 4.9 l/100 km.

Steht dem Fahrer der Sinn nach etwas mehr Sportlichkeit, kann er den Motor mit flotter Schaltarbeit bei Laune halten. Der Hebel ist exakt geführt, mit kurzen Schaltwegen und gutem Einrasten der Gänge. Wenn die Turbokraft einsetzt, dreht der Einliter-TSI mit seinen 110 PS munter hoch und zeigt ein aufgewecktes Ansprechen auf jede Gaspedalbewegung. Das zwischen 2000 und 3000 Touren anfallende Höchstdrehmoment von 200 Nm macht sich angenehm bemerkbar. Der Kleinwagen aus Tschechien ist auch auf der Autobahn nicht fehl am Platz, auch wenn der Zwischenspurt von 80 auf 120 km/h im vierten Gang mit 8.2 Sekunden niemanden vom Hocker haut. Gleiches kann von der Beschleunigung von 0 auf 100 km/h behauptet werden, die wir auf nasser Fahrbahn mit 10.3 Sekunden gemessen haben. Bei Trockenheit wäre die Werksangabe von 9.7 Sekunden sicher erreichbar gewesen.

Will der Fahrer mit mehr Schwung durch die Kurven wetzen, macht ihm der gemütliche Charakter des Tschechen einen Strich durch die Rechnung. Das auf Komfort ausgelegte Fahrgestell schafft es um die Ecken, zeigt aber keine Scheu, sich stark in den Kurven zu neigen, mit Nickbewegungen Seekrankheit zu erzeugen und beim Bremsen erbarmungslos vorne einzutauchen. Der Wagen macht gar den Eindruck, weit mehr als seine gemessenen 1160 Kilogramm mit sich herumzuschleppen.

Vorbildlicher Komfort

Eine gemütliche Fahrweise drängt sich geradezu auf und wird auch belohnt, der Tscheche verwöhnt mit bestem Komfort. Schlaglöcher werden gut ausgebügelt, Alltagsfahrten sind fast ein Genuss. Im oberen Tempobereich machen sich die Windgeräusche bemerkbar, wir ermittelten 71.5 dB(A) bei 120 km/h. Der Fabia folgt unauffällig der vorgegebenen Spur, der Spurhalteassistent weicht nicht von der Ideallinie ab. Die Toter-Winkel-Warnung und der adaptive Tempomat vermindern den Stress bei Autobahnfahrten. Der kleine Škoda ist damit nicht nur ein Stadtflitzer, er hat auch das Zeug zum Reisewagen. Vermisst haben wir lediglich LED-­Matrix-Scheinwerfer oder ein Head-up-Display, die wegen der Markenhierarchie im Konzern dem VW Polo vorbehalten bleiben. Der Škoda Fabia war wahrscheinlich seinem Wolfsburger Gevatter noch nie so nahe wie in dieser vierten Generation. Nur leider trifft das auch auf seinen Preis zu: Unser Testwagen war mit unbescheidenen fast 29 000 Franken angeschrieben, der Unterschied zu einem vergleichbar ausgestatteten VW Polo liegt bei nur rund 1000 Franken. Der Fabia ist auch auf Augenhöhe mit den anderen Konkurrenten in dieser Klasse. Einzige Ausnahme: der Toyota Yaris (ohne Hybrid). Das Auto des Jahres 2021 kostet etwa 3000 Franken weniger als der Škoda, ohne sich etwelche Schwächen zu leisten. Der Verkaufserfolg des Modells scheint Toyotas Strategie recht zu geben.

Der Fabia hat ein geräumigeres Interieur als sein japanischer Gegner, doch die Zeiten, als die Osteuropäer alle mit aggressiven Preisen unterboten, sind vorbei. Škoda muss sich dieser Tage vor keinem Konkurrenten verstecken und argumentiert ungeniert mit seinen Stärken. Das ist ein Zeichen des Selbstbewusstseins und der wachsenden Ambitionen der tschechischen Marke.

Testergebnis

Gesamtnote 73.5/100

Antrieb

Der Dreizylinder entwickelt genügend Druck im mittleren Drehzahlbereich, hinkt unterhalb von 2000 U/min aber hinterher. Schuld daran sind eine spürbare Verzögerung des Turbos und sehr lange Getriebeübersetzungen.

Fahrwerk

Das komfortorientierte Fahrwerk schluckt Unebenheiten der Strasse, wie es sein soll. Sportliche Ambitionen sollten Fahrer aber keine hegen.

Innenraum

Das etwas triste Cockpit des Fabia beeindruckt mit einem für das ­Segment rekordverdächtigen Raumangebot. Der 380 Liter fassende ­Kofferraum würde selbst in der Oberklasse eine gute Figur machen. ­Simply-clever-Lösungen sind vorhanden, aber nicht alle sind clever.

Sicherheit

Das Arsenal an Fahrhilfen ist serienmässig üppig. Der Spurhalteassistent greift ein, ohne zu irritieren. Die Bremsen verzögern ordnungsgemäss.

Budget

Škoda unterbietet die Preise nicht mehr: Der Fabia reiht sich im Umfeld der Konkurrenz ein. Der Verbrauch wird das Budget nicht sprengen.

Fazit 

Der Fabia will nicht mehr der sein, den man wählt, weil man weniger bezahlen will, sondern der, den man wegen seiner Geräumigkeit und seines Komforts kauft. Der Tscheche schafft es tatsächlich, sich im Rudel der Stadtautos mit guten inneren Werten hervorzuheben. Dennoch ist er teurer als der nächste Rivale, der Toyota Yaris, und hat weniger Persönlichkeit als der Renault Clio.

Die technischen Daten und unsere Messwerte zu diesem Modell finden Sie in der gedruckten Ausgabe und im E-Paper der AUTOMOBIL REVUE.

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