Eine Ode an die Sinne

ELEGANZ Der Roma entzückt, inspiriert, fordert und hievt den Mythos Ferrari nicht nur vollends in die Moderne, sondern macht ihn auch erfahrbar.

Vergessen wir für einmal die Alltagssorgen und tauchen ab in die Welt der Schönen und Reichen. Sich alles leisten können, ein Leben im Luxus führen, das nur aus Müssiggang und Vergnügen besteht, also: la dolce vita, das süsse Leben. Fährt man dann noch im Ferrari Roma vor, fällt den schönen Frauen, den reichen Männern fast der Cappuccino aus den Händen. Staunende und bewundernde Blicke inklusive. So zumindest stellt sich das Ferrari im Werbespot für den Roma vor. Und – ehrlich – das tun auch wir. Für einmal soll es deshalb nicht um Fahreindrücke gehen, vielmehr um das Gefühl, dem die Ferraristi verfallen sind. Und auch wir.

Wobei, um kurz in die Realität zurückzukommen, er halt gar nicht so teuer ist, der Roma. Im Verhältnis zumindest. Unter 220 000 Franken geht nichts, schon klar, und mit ein wenig Zusatzausstattung sind es locker ein paar Zehntausend mehr. Aber es ist ja nicht so, dass die direkte Konkurrenz aus Woking, Newport Pagnell, Zuffenhausen deutlich günstiger wäre. Der Vollständigkeit halber: Beim Roma handelt es sich lediglich um das Einstiegsmodell aus dem Hause Ferrari. Was ziemlich gut den Anspruch der Virtuosen aus Maranello zeigt. Und die Akzeptanz, die Bewunderung für sie. Wie sonst lässt sich erklären, dass der Roma keine elektrische Heckklappe hat – und sich trotzdem wohl kaum jemals irgendjemand darüber beschweren wird? Wehe dieser bornierten Sicht! Il Commendatore würde sich wohl im Grabe umdrehen. Zu liebevoll sind Details wie die Plakette mit der Ausstattungsliste im Kofferraum, die Funk­tionalität beispielsweise des legendären Manettino am Lenkrad und die Verarbeitung mit dem vielen Karbon im und am Auto.

Immer ein Auto weniger, als nachgefragt wird: Letztlich ist es auch die Exklusivität, die den Roma, jeden Ferrari, zu etwas ganz Besonderem, zu einer Legende macht – man sieht sie gefühlt öfter, aber immer noch wenig. Diesem Mythos wird derzeit mächtig neues Leben eingehaucht. Doch selbst unter den vielen Neuheiten aus Maranello dieses Jahr – F8 Tributo, F8 Spider, 812 GTS, SF90 Stradale – sticht der Roma heraus. Gut, da gibt es den hybriden SF90 mit 1000 PS. Aber den kann sich wirklich kaum mehr jemand leisten. Und artgerecht fahren, zumindest auf der Strasse, ohnehin nicht. Der Roma ist anders. Anders als die vergangenen Modelle, anders als das aktuelle Portfolio. Trotzdem verleugnet er seine Abstammung nicht.

Tradition trifft auf Moderne
Der Ferrari Roma ist eine Reminiszenz an vergangene Tage. Der Kühlergrill erinnert an den 250 GT Lusso. Die Heckpartie und die vier Endrohre, die Leuchten hinten und die schmalen Frontscheinwerfer wirken wie eine moderne Interpretation des 612 Scaglietti. Und innen, da gleicht der Roma dem offenen Zweisitzer Monza, hat zwei Einzelkabinen, alles ist auf den Fahrer zugeschnitten.

Der Roma ist aber auch Wegweiser in die Moderne. Im Cockpit erstrecken sich eine digitale Anzeige, in der Mittelkonsole ein Infotainment-Schirm im Hochformat und die minimalistisch gestaltete Schaltkulisse. Optisch will Ferrari in Zukunft zwischen den reinrassigen Sportwagen und den Gran-Turismo-Modellen eine unmissverständliche Trennung schaffen. Und sich damit bei den GT, weil hier das Design nicht nur von der Leistungsanforderung diktiert wird, optisch auf eines konzentrieren: reine und puristische Formen, die Eleganz verkörpern. Beim Roma ist dies gelungen, alles scheint aus einem Guss, wohlproportioniert. Die Designer haben lange an der Form des Innenraumvolumens gearbeitet, um das Auto noch schlanker zu machen. Die lange Motorhaube, die kompakte Fahrerkabine, das kurze Heck, all das vermittelt Kraft – oder: ist GT-typisch gezeichnet.

Jeder erzählt seine Geschichte
Der Ferrari Roma will auch nicht nur GT sein, vielmehr zelebriert er dieses Dasein so richtig. Im Roma auf den Spuren der Targa Florio oder Mille Miglia – kein Problem. Oder aber besser noch auf der Nürburgring-Nordschleife, dann aber gleich mehrere Runden am Stück inklusive Hin- und Rückfahrt. Das volle Programm also, das Auto kann das ab, locker. Denn sagen wir es, wie es ist: Der Roma ist eine Wucht, entzückt, verzaubert, inspiriert, fordert gleichermassen, beherrscht von sanft bis brutal jeden Ton. Der Motor: ein Gedicht. Zwölf Zylinder vermisst man, wenn überhaupt, selten, weil deren acht – wenn von Ferrari gebaut – ausreichen, um einen vollends in ihren Bann zu ziehen. Allein, ein richtiger Mittelmotor ist es dann eben doch nicht, weil das Aggregat zwar hinter der Vorderachse, nicht aber hinter den Passagieren sitzt. Hinterradantrieb gibt es natürlich trotzdem, falls gewollt hält er einen auf Trab, macht Laune.

Mit Druck auf den Touch-Schalter am Lenkrad zum Leben erweckt, dröhnt der Motor in den ersten Sekunden gleichermassen imposant wie wunderschön. Ferrari hat lange am Klang gearbeitet, verbaute einen Partikelfilter, nicht aber einen Schalldämpfer. Das Resultat ist ein beinahe unverfälschter V8-Sound, so wie früher. Jeder Zylinder scheint seine eigene Geschichte erzählen zu wollen, mancher steht mehr auf Racing, mancher mehr auf Gemütlichkeit, so scheint es zumindest – so oder so hört man gern hin.

In der Stadt oder auf dem Land nimmt sich das Coupé vornehm zurück. Das dem SF90 entlehnte, weiterentwickelte Achtgang-Doppelkupplungsgetriebe, in Transaxle-Bauweise im Heck verbaut, verweilt gerne in höheren Gängen. Aber natürlich wäre der Roma kein echter Gran Turismo, wenn er bei gemütlicher Fahrt nicht von seinem Drehmoment leben könnte. Dank des variablen Boost-Managements steigt dieses bis auf 760 Nm in den beiden höchsten Gängen, was eine längere Übersetzung und einen geringeren Verbrauch möglich macht. Was aber selbstverständlich nicht heissen will, dass sich unter dem eleganten Kleid nicht auch ein echter Sportwagen verbirgt. Der 3.9 Liter grosse Biturbo-V8 stammt aus dem Portofino, wo er seit neustem ebenfalls 620 PS leistet. Damit sprintet der 1.6 Tonnen schwere Roma in 3.4 Sekunden von 0 auf 100 km/h, Tempo 200 steht nach 9.3 Sekunden auf der Uhr, in der Spitze sind es über 320 km/h.

La nuova dolce vita
So viel zu den nackten, beeindruckenden Zahlen. Aber zurück zur Sinnlichkeit. Die drückt sich schon im Stand dadurch aus, dass der Roma tief blicken lässt. Man verweilt gerne mit offener Haube, stellt sich vor, wie die Ladeluft sich durch die beiden riesigen Ansaugstutzen ihren Weg durch die beiden Turbos, die Ladeluftkühler und schliesslich in die acht Zylinder im rot gehaltenen Zylinderblock bahnt. Dabei in freudiger Erwartung, was passieren mag, wenn der V8-Virtuose – das Aggregat wurde mehrfach zum Motor des Jahres gewählt – nach Luft giert. Um bei entsprechendem Ladedruck so richtig loszulegen. Wenn der Drehzahlmesser trotz doppelter Turboaufladung gegen 7500 schiesst, besser: die Schalt-Leuchtdioden im Lenkrad sich aufbauen, bevor über die riesigen Karbonwippen am Lenkrad geschaltet wird. Man ist dem Temporausch verfallen, keine Chance. Das muss es sein, nein: es ist la nuova dolce vita, von dem Ferrari so gerne spricht.

Die technischen Daten zu diesem Modell finden Sie in der gedruckten Ausgabe der AUTOMOBIL REVUE.

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