Junge Freiheit auf der 125er

FÜHRERSCHEIN Ab nächstem Jahr dürfen 16-jährige Jugendliche Töff fahren. Am Wochenende gibt es deshalb an der Swiss-Moto in Zürich viele 125er-Bikes und -Roller zu sehen.

Der Beschluss des Bundesrates im Rahmen der Revision der Personenzulassungsverordnung (PZV), nach der ab nächstem Jahr Jugendliche ab 16 Jahren anstatt wie bisher erst ab 18 Jahren Motorräder und Roller mit 125 Kubikzentimetern Hubraum und 15 PS (11 kW) Leistung fahren dürfen, macht bei genauer Betrachtung Sinn. Nicht nur, weil es sich damit auch um eine Harmonisierung mit den EU-Vorschriften handelt.

Erstens sei man die weniger umweltfreundlichen, lauten 50er los, die sowieso kaum mehr angeboten würden. Zweitens bekomme man dafür jetzt moderne 125er mit sauberen Viertaktmotoren, die sparsam seien, leicht und leise, einfach zu fahren, sicher, da technisch auf modernstem Stand, mit neu vorgeschriebenem ABS und mit genügender, aber nicht übertriebener Leistung – «schlicht um Welten besser», so sieht das Markus Lehner von der Schweizerischen Fachstelle Motorrad und Roller (SFMR). Die Bedeutung der 125er-Motorräder liege vor allem in der Mobilität, die sie insbesondere für Jugendliche im ländlichen Raum böten: «Sie brauchen für den Weg zur höheren Schule oder zur Lehre ein Transportmittel. Der ÖV ist da oft zu teuer und zu schlecht.» Die polyvalente 125er habe viel mit einem Nutzfahrzeug zu tun: «Jeder, der Kinder in Alter von 16 Jahren hat, schätzt das.» Die Motorräder seien preisgünstig und mit einem Verbrauch von zwei bis drei Litern auf 100 Kilometer sparsam. Dank ihrer europaweit starken Verbreitung ist diese Klasse für Hersteller wirtschaftlich attraktiv und nicht nur in punkto Technik, sondern auch bei der Sicherheitsausrüstung auf dem neusten Stand.

Auch die 50er, früher als Schnapsglasklasse bekannt (Kategorie AM), unterliegen der jüngsten Harmonisierung: Kleinmotorräder mit bis zu 50 Kubikzentimeter Hubraum dürfen bereits ab 15 Jahren gefahren werden. Höchsttempo: 45 km/h.

Mash und Brixton sind zwei Marken, die in der Schweiz einige 125er-Motorräder anbieten.

Anliegen und Freude
Moto-Suisse-Verbandspräsident Roland Müntener kommentierte, zufrieden mit den Bundesratsbeschlüssen: «Nach acht Jahren mit zum Teil eher heftig und emotional geführten Diskussionen wurde dem Anliegen der Industrie, des Gewerbes, aber auch den Wünschen der Endverbraucher Gehör geschenkt. Die EU-Altersangleichung bei den 125ern freut uns natürlich sehr.»

Die Töffmesse Swiss-Moto zeigt deshalb eine ganze Reihe von 125er-Modellen, Roller und Motorräder, viele aus chinesischer Produktion wie Brixton oder Mash aus Frankreich, aber auch von Honda oder Yamaha. «Wir bieten auf der Swiss-Moto eine Plattform, die das Führerscheinthema beleuchtet und auf der wir die neuen Modelle der verschiedensten Marken aus diesem Bereich zeigen, um sie den Jungen schmackhaft zu machen», sagte Andreas Sieber, Pressesprecher der Swiss-Moto. «Mit der neuen Führerscheinregelung kann man die Jungen besser abholen.»

Aus für den Direkteinstieg ab 25
Die andere Seite des neuen Verordnung ist, dass der Direkteinstieg ab 25 Jahren in die «leistungsunbeschränkte» Klasse (früher Führerschein Kategorie A) hierzulande nicht mehr möglich ist. In Deutschland, Italien und Österreich ist der Direkteinstieg ab 24 Jahren weiterhin erlaubt – ein Extrazüglein der Schweiz, denn hier wird nicht harmonisiert. Das dürfte vor allem Importeure schmerzen, die ausschliesslich leistungsstarke Motorräder auf den Markt bringen.

Harley-Davidson ist einer der führenden Hersteller ausschliesslich schwerer Motorräder: Iwan Steiner, Country Manager Harley-Davidson Schweiz, kommentierte die Gesetzgebung folgendermassen: «Die neue Führerscheinregelung hat meines Erachtens sowohl Vor- als auch Nachteile: Zum einen finden Junglenker schneller und günstiger den Weg in die Branche. Zum anderen bedeutet der Wegfall des Direkteinstiegs eine zusätzliche Hürde für all jene, die auf grössere Maschinen mit mehr Hubraum umsteigen wollen. Bleibt zu hoffen, dass die Vorteile überwiegen und die Sicherheit von Neulenkern tatsächlich gesteigert wird.» 

Ab 2021 muss für mindestens zwei Jahre ein Töff mit maximal 48 PS (35 kW) gefahren werden, ehe man umsteigen kann. Man hat aber die Möglichkeit, eine elektronisch auf 48 PS gedrosselte, schwerere Maschine zu kaufen und diese zwei Jahre zu fahren, um sie dann entsperren zu lassen. Das sei kein Problem, weil das über die Software geschehe – «allerdings nur mit Motorrädern mit bis zu maximal 95 PS», so Lehner. «Die sind von vielen Herstellern schon so homologiert.» 

Stabil auf hohem Niveau

Nach wie vor brummt der Schweizer Motorradmarkt: 2019 wurden mit insgesamt 24 254 Neuzulassungen fast so viele Töff abgesetzt wie im Vorjahr, und das trotz eines wettermässig nicht optimalen Frühjahrs. 2018 waren es noch 24 541 Stück, der Markt verharrte also auf hohem Niveau. Der Gesamtmarkt ging aber gegenüber 2018 um 3.9 Prozent von 43 166 auf 41 464 Einheiten zurück.

Weil 2020 das letzte Jahr ist, in dem über 25-Jährige direkt in die Motorrad-Oberklasse, also die Kategorie A, einsteigen können, erwartet der Handel, dass viele über 25-Jährige 2020 noch schnell den A-Schein machen und so dem Markt zusätzliche Impulse verleihen werden.

Schweizer lieben die Schweren
2019 wurden bei den hubraumstarken Motorrädern mit über 1000 Kubikzentimetern Hubraum 7740 Einheiten abgesetzt, etwa ein Drittel des Gesamtvolumens von 24 254 Stück. Sie liegen damit in der Gunst des Schweizer Kunden weit vorn. Stärkstes Segment bleiben mit 11 236 Einheiten aber die Mittelklassemaschinen mit 500 bis 1000 Kubikzentimeter.

Im Trend lagen letztes Jahr Motorräder, die eine attraktive Retro-Optik mit modernster Technik kombinieren und damit einem urban geprägten Trend zu Lifestyle und Erlebniswelt folgen. Vermehrt halten wie bei den Autos elektronische Assistenzsysteme und digitale Vernetzung Einzug in die Motorradtechnik, eine Entwicklung, die sich laut Marktspezialisten intensivieren wird.

Elektrotöffs haben indes noch immer kaum eine Chance: 183 Neuzulassungen letztes Jahr sorgten für nur ein Prozent Marktanteil. Laut der Schweizerischen Fachstelle Motorrad und Roller seien sie weder technisch ausgereift noch preislich wettbewerbsfähig. Roller für den urbanen Kurzstreckenbetrieb werden eher vom Markt akzeptiert: 1066 neu zugelassene E-Roller sorgen für immerhin 6.6 Prozent des gesamten Rollermarktes 2019. HSP

Eine Übersicht der neusten 125er Modelle finden Sie in der gedruckten Ausgabe der Automobil Revue.

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