Goldtopf am Ende des Regenbogens

AUSREIZUNG Der Audi SQ2 ist ohne Frage ein aufregendes Gefährt. Leider vermiest eine alte Leier den eigentlich positiven Gesamteindruck.

Um die Bewertung des Audi SQ2 zu verstehen, müssen wir uns den erst kürzlich getesteten Kia XCeed (AR 49/2019) in Erinnerung rufen. Die gemeinsam von der Redaktion vergebene Note von 92 Punkten katapultierte den Koreaner auf das Podest der  Jahresrangierung.

Insofern ist es einigermassen undankbar, wenn der Audi SQ2 direkt nach dem XCeed zum Test antritt. Man gerät beinahe etwas in Erklärungsnot. Weshalb? Weil der SQ2 dem XCeed in fast allen Belangen überlegen ist – und die Bewertung trotzdem um ganze zehn Zähler tiefer ausfällt. Klar, man kann die beiden genannten Fahrzeuge nur bedingt miteinander vergleichen. Während der (S)Q2 den Einstieg in die (Premium-)SUV-Welt von Audi markiert, hat der XCeed trotz etwas mehr Bodenfreiheit nicht wirklich solche Ambitionen. Gleichwohl fallen die Platzverhältnisse in beiden Autos ähnlich aus. Und weil die Thematik ohnehin eine andere ist, rühren wir die beiden hier einfach mal in einen Topf – echt Crossover eben.

Ja, Geld regiert zuweilen die Welt. Und die 71 557 Franken für unseren Testwagen veranlassen nun mal zu leerem Schlucken. Zwar beläuft sich der Grundpreis des SQ2 aktuell auf 53 960 Franken, doch die happige Aufpreispolitik macht den Ingolstädtern einmal mehr einen Strich durch
die Rechnung. Sorry, Audi. Die Sicherheitsfeatures des Assistenzpakets (2070 Fr.), die Rückfahrkamera (500 Fr.) oder die Smartphone-Einbindung (460 Fr.) sind im XCeed zumindest in den höheren Ausstattungsvarianten Serie.

Vom Kauf abraten wollen wir trotzdem nicht. Keinesfalls! An und für sich ist der SQ2 ein faszinierendes Auto und lediglich ein weiteres Beispiel dafür, wie drastisch sich bei einigen deutschen Herstellern das Attribut Premium im Preis niederschlägt.

Kernkompetenz ist der Fahrspass
Angetrieben von der Allzweckwaffe des VW-Konzerns (Audi S3, VW Golf R, VW T-Roc R, Cupra Ateca), einem Zweiliter-Turbomotor (300 PS, 400 Nm), bekommt der SQ2 das nötige Rüstzeug mit auf den Weg. Damit wird der Allradler nach Werksangabe in 4.8 Sekunden auf Tempo 100 km/h katapultiert. Viel gelesen und trotzdem nach wie vor atemberaubend: Es ist exakt derselbe Wert, mit dem der Audi R8 Spyder 2009 für Furore sorg.

Bereits aus dem Drehzahlkeller schiebt der Vierzylinder ordentlich an, ist sich aber trotz Aufladung nicht zu schade, ab 3000 U/min nochmals eine kräftige Schippe draufzulegen. Das sorgt vor allem beim flotten Anfahren – trotz des allzu synthetischen, aber abschaltbaren, künstlichen Motorsounds – für einen Wow-Effekt. Schön! Ohnehin lässt die Abstimmung von Motor und Getriebe kaum Wünsche offen. Nur wer wirklich auf der letzten Rille fährt, sollte – wie beinahe immer – im manuellen Modus mit den Schaltwippen hinter dem abgeflachten Multifunktionslenkrad (300 Fr.) die sieben Gänge des S-Tronic-Sportgetriebes wechseln. Belohnt werden solche Manöver mit Quattro-üblich ausgezeichneter Traktion. Die Lenkpräzision ist wie bei fast allen Audi-Modellen herausragend. Trotz erhöhter Sitzposition ist der Fahrer stets in einem ausgeglichenen Dialog mit dem kommunikativen Fahrwerk. Derart gleichermassen agile wie auch gutmütige Klein-SUVs kann man an einer Hand abzählen.

Der Cupra Ateca oder VW T-Roc R wären hier zu nennen, die angetrieben vom gleichen Motor und mit ähnlicher Ausstattung mit rund 15 000 respektive 10 000 Franken weniger zu Buche schlagen. Darüber hinaus gibt es noch den BMW X2M, der zwar geringfügig mehr kostet, dafür aber auch – vor allem im Kofferraum – deutlich mehr Platz bietet. Insgesamt ist der Volkswagen-Konzern der Platzhirsch und hat damit die Vormachtstellung in der Nische der Power-Mini-SUVs. Konkurrenzfahrzeuge gibt es, diese übertreffen jedoch, wenn überhaupt, nur knapp die 200-PS-Marke.

Dass sich der Audi SQ2 für seine Fahrleistungen auch gut und gerne mehr als zehn Liter Sprit genehmigt, ist suboptimal, andererseits will Potenz ordentlich befeuert werden. Im Alltag pendelt sich der Verbrauch bei rund acht Litern ein – das ist zwar immer noch nicht günstig, doch was erwartet man von einem Modell mit dem schönen, zusätzlichen Buchstaben S am Heck …

Grösstenteils überzeugende Assistenten
Während die Querdynamik fahrwerksseitig einer der grossen Vorzüge des SQ2 ist, trifft das auf die  Assistenzsystemen nur bedingt zu. Die Querführung sprich der aktive Spurhalteassistent hält zwar treu und besser als bei einem Grossteil der Konkurrenz die Spur, könnte aber – wiederum im direkten Vergleich mit dem XCeed – etwas feinfühliger und vorausschauender agieren. Anders sieht es bei der Längsführung aus. Die Voraussicht des adaptiven Tempomaten ist nämlich State of the art. Gleiches gilt für den Totwinkelwarner, die Verkehrszeichenerkennung sowie den Parkassistenten.

Selbstredend verfügt der SQ2 über sämtliche Qualitäten seines kleineren Bruders Q2. Die in der Länge und Höhe nicht verstellbare Rückbank lässt sich dreiteilig umklappen, ein Vorteil, den nach wie vor viele SUVs nicht aufweisen. Das ist insofern wichtig, weil der Kofferraum mit 355 bis 1000 Litern zwar ausreichend bemessen, aber keinesfalls riesig und in der Breite der Ladelucke (106 cm) gar etwas schmal ausfällt. Andererseits bedeutet dies mehr Raum für die Passagiere, vorne wie hinten lässt es sich zwischen den 2594 Millimetern Radstand gut leben.

Geteilter Gesamteindruck
Dazu lädt der SQ2 denn auch nach allen Regeln der Kunst ein, das Innere ist absolut schmuck anzusehen. Ja, der Ingolstädter ist gar eine echte Augenweide. Aussen – abgesehen von den vier Auspuffrohren, die jedoch wenig bis gar keinen Klang generieren – etwas auf Understatement getrimmt, verdeutlicht der Innenraum die sportlichen Ambitionen. Die rot-schwarz gehaltenen Sportsitze mit ihrem Wabenmuster schmeicheln gleichermassen den Augen wie dem Rücken. Und die – zumindest in Griffweite – verarbeiteten Materialien halten dem Premiumanspruch durchaus stand.

Der Funktionsumfang des virtuellen Cockpits (410 Fr.) gehört wiederum zum Besten auf dem Markt. Karten lassen sich beispielsweise auf der gesamten Breite anzeigen und die Darstellungen individuell anpassen. Der 8.3 Zoll grosse Bildschirm für das Infotainmentsystem ist zwar aufgesetzt, schmiegt sich aber authentisch in das Bedien­konzept ein, auch wenn er nicht wie beispielsweise beim neuen A1 Sportback in die Armaturentafel gerutscht ist. Im Grunde unterscheidet sich das Cockpit nicht von dem des 2016 vorgestellten Q2, Spielereien wie zwei Touchbildschirme behält ­Audi ohnehin der Oberklasse vor.

Dadurch, dass der multidirektional einsetzbare Drehregler mit an Bord ist, kommt der Bildschirm ohne jegliche Touchbedienung aus. Das ist zwar nicht mehr ganz taufrisch, nach Meinung der Redaktion aber vorderhand während der Fahrt vor allem in Verbindung mit den vielen Schnellwahlschaltern eines der am besten zu koordinierenden Bedienkonzepte – sogar noch etwas besser als die intuitiv aufgebauten Touchmenüs des XCeed.

Abschliessend könnte der Gesamteindruck also geteilter nicht sein. Es gibt am Audi SQ2 kaum Kritikpunkte zu äussern, zumindest nicht solche, die nicht in irgendeiner Form mit dem Preis in Verbindung stehen. Wer ein souveränes, durchdachtes und formschönes Klein-SUV mit ordentlich Leistung sucht, der findet mit dem Ingolstädter seine grosse Liebe. Wer seine Entscheidung wiederum abhängig vom Budget – böse Zungen sprechen gar von der Vernunft – macht, der bezweifelt, ob das Mehr an Leistung, Fahrdynamik und Markenprestige tatsächlich derart viel wert ist, denn die Rechnung ist auch für ein Produkt mit Premiumambition und faszinierender Leistungskompetenz ordentlich gesalzen. 

Die Geschmäcker sind aber glücklicherweise verschieden, denn was für einen bereits versalzen ist, ist dem anderen noch zu fade. 

Die technischen Daten und die AR-Testdaten zu diesem Modell finden Sie in der gedruckten Ausgabe der Automobil Revue.

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