VW: ES DROHT EINE MACHTFÜLLE

VW-Konzern: Herbert Diess ist neuer VW-Chef. Ein Mann mit Visionen. Jetzt will er auch den Aufsichtsrat der ­Tochter Audi ­leiten.

Diess als Nachfolger von Müller. © dpa

Der Aufsichtsrat werde am 8. Mai über den Vorsitz entscheiden, sagt ein Audi-Sprecher. Von VW gibt es bislang keine Stellungnahme zu der Personalie. Bei VW hat es indessen Tradition, dass die Vorstandsvorsitzenden auch Chefkontrolleure von Audi sind. Der neue ­Konzernboss Herbert Diess will folglich auch den Vorsitz des Aufsichtsrats der Tochter Audi übernehmen. Dies berichtet die Nachrichtenagentur Reuters unter Berufung auf Konzernkreise sowie das Branchenmagazin «Automobilwoche». Der bisherige VW-Markenchef Diess hat nicht nur Konzernchef Matthias Müller auf dem Chefposten abgelöst: Er ist nun auch für den Bereich Forschung und Entwicklung im Konzern verantwortlich sowie für die neue Markengruppe «Volumen», zu der neben den VW-PW die VW-Nutzfahrzeuge, Seat und Škoda gehören. Die Machtfülle des 59-Jährigen weckt in dem Sinn da und dort Skepsis und erinnert an Vorvorgänger Martin Winterkorn. Dieser hatte seinerzeit, als er Diess geholt hatte, über diesen gesagt: «Mit Herbert Diess haben wir eine herausragende Persönlichkeit und einen der fähigsten Köpfe der Automobilbranche für uns gewinnen können.» Dass Diess zu VW ging, lag auch am Ex-Aufsichtsratschef Ferdinand Piëch. Dieser wollte Diess als Nachfolger Winterkorns aufbauen. Der Plan ging deshalb schief, weil sowohl Winterkorn als auch Piëch im Zuge der ­Dieselaffäre zurücktraten. Jetzt hat es doch noch geklappt. Allein, zu viel Macht auf den Schultern eines Einzelnen kam bei VW während der Ära Winterkorn nicht nur gut an. «Das kostete damals viel Zeit, Geld – und Nerven», sagt ein hochrangiger VW-Entwicklungsexperte gegenüber dem «Spiegel». Wobei – Herbert Diess traut sich die Aufgabenfülle, die nun eben auch noch durch die Leitung des Aufsichtsrats von Audi erweitert werden soll, durchaus zu: «Ich habe gern viel Arbeit», sagt er.

Enttäuschung genutzt

Diess, der im Oktober 60 Jahre alt wird, galt als einer der möglichen Nachfolger von Norbert Reithofer bei BMW. 2015 gewann dann freilich Harald Krüger das Rennen, der noch heute amtierende Konzernchef. Krüger gilt als ausgewogener, ruhiger sowie zurückhaltender Mensch und passte deshalb laut Beobachtern besser zur Firmenkultur von BMW. Ferdinand Piëch, der seinerzeit Boss von VW war, machte sich die Enttäuschung von Diess zunutze und holte den Manager nach Wolfsburg. Dort übernahm der gebürtige Österreicher die Verantwortung für die Marke VW, die damals innerhalb der Markenwelt des Konzerns eine der schwächsten Margen aufwies. Deutsche Medien reduzierten Diess oft auf seine Fähigkeit, Kosten stark zu reduzieren und Prozesse zu optimieren. Indes, der Ingenieur kann viel mehr. In Interviews besticht er durch klare und kritische Aussagen sowohl im Hinblick auf die Branche als auch auf das eigene Unternehmen. Er gibt sich viel charmanter als der scheidende Müller, dem seine direkte und poltrige Art oft negativ ausgelegt wird und der mit seinen lockeren Sprüchen Aufseher, Politik und ­Öffentlichkeit verprellte. Zudem gilt Diess in der Branche als harter Verhandler, umtriebig und eben als guter Krisenmanager.

Umbruch wie nie zuvor

Im Interview mit dem «Handelsblatt» Ende 2017 sagte Diess, die Sorgen über die deutsche Auto­industrie seien berechtigt, weil die Branche in einem Umbruch sei, wie man ihn noch nie erlebt habe. Das Auto der Zukunft sei ein durch und durch digitalisierter Internetknotenpunkt. 9000 neue Jobs sollen so in den nächsten Jahren in den Zukunftsfeldern wie der Digitalisierung und der Elektromobilität entstehen, hatte es geheissen. In den nächsten Jahren wird VW sehr viele neue Elektroautomodelle auf den Markt bringen. Wolfsburg, so sieht es der Plan vor, wird das Digitalisierungszentrum des Unternehmens. Um den Wandel zu bestehen, analysierte Diess, müsse sich VW extrem anstrengen und sich vor allem schneller als bisher bewegen. Auch im Hinblick auf die früheren Probleme des Konzerns spricht er Klartext. VW sei sehr hierarchisch, sehr zentral und sehr bürokratisch geführt gewesen; es sei wenig delegiert und Eigenverantwortung nicht gefördert worden. Das soll sich folglich ändern.

Sanz geht auch

Diess hat einen neuen Fünfjahresvertrag bekommen, bis zum Frühling 2023. Dann wird er 64 Jahre alt sein, wie Matthias Müller heute. In welche Richtung er bis dahin steuern will, ist für Diess klar: «Wir müssen unser Tempo noch einmal deutlich erhöhen.» Dabei soll auch die Einteilung der verschiedenen Konzerntöchter in neue Markengruppen helfen. VW bildet den Kern; Škoda und Seat kommen dazu. Audi steht für die Premiumgruppe, zu Superpremium gehören Porsche, Bentley und in Zukunft auch Lamborghini. Dazu kommt noch die Sparte Truck und Bus, die 2019 zumindest in Teilen an die Börse gebracht werden soll. Die Marken der einzelnen Gruppen sollen untereinander eng kooperieren, etwa in der Entwicklung. Diess verspricht sich davon Einsparungen. Ausserdem lasse sich der gesamte Konzern mit den Markengruppen effizienter führen. «Einen radikalen Umbau der Führungsmannschaft wird es nicht geben», kündigt der neue Vorstandschef an. Neu im Topmanagement sind Personalvorstand Gunnar Kilian und Porsche-Chef Oliver Blume (s. unten). Mit Blume sind fortan alle wichtigen Marken in der Konzernführung vertreten. Ein Nachfolger für den kurzfristig zurückgetretenen Einkaufsvorstand Francisco Javier Garcia Sanz wird gesucht. Den Job des 60-Jährigen, mit 17 Jahren der dienstälteste VW-Vorstand, übernimmt kommissarisch der Einkaufschef der Marke VW, Ralf Brandstätter.

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