CLASSICS: CATERHAM SEVEN 485 CSR

Seit über 40 Jahren wird der Caterham Seven in die Schweiz importiert. Über die Jahre hat das britische Leichtgewicht eine ständige Evolution durchlebt. Nun stellte sich die neuste Ausgabe des Seven der AR zur Probefahrt, der Caterham 485 als CSR-Version.

 

Tatsächlich verkörpert der CSR die höchste Evolutionsstufe des 1957 erstmals vorgestellten Konzepts von Lotus-Gründer Colin Chapman. Seit 1973 ist der Seven offiziell in der Obhut von Caterham Cars. Das kleine Unternehmen fabriziert den einzigen legitimen Nachfolger des vielfach kopierten Lotus. Weiterentwicklungen des Wagens waren meist der Verfügbarkeit passender Teile geschuldet, etwa bei Motoren, Getrieben und Hinterachsen. Als beispielsweise 1984 der Morris Marina/Ital eingestellt wurde, bedeutete das die bis dahin wichtigste Neuerung für den Seven. Er verlor seine hintere Starrachse zugunsten einer DeDion-Achse mit einem Differenzial aus dem Ford Sierra.

Technischer Leiter bei Caterham war damals Jez Coates, ein Mann, der es versteht mit minimalen Budgets und viel
Kreativität aus bestehenden Teilen neue Lösungen zu konstruieren. Coates grosser Wunsch war aber, dereinst einmal auf einem weissen Blatt eine Konstruktion von A bis Z konzipieren zu können statt ständig Feuerwehrübungen ausgesetzt zu sein. Dies geschah stets, damit die Produktion des Caterhams aufrecht erhalten werden konnte. So initiierte er die Produktion eines eigenen 6-Gang-Getriebes oder entwickelte den Caterham 21, ein Seven mit einer richtigen Carosserie, der leider gegen die ungefähr zeitgleich präsentierte Elise von Lotus chancenlos blieb und nach 40 Wagen wieder eingestellt wurde. Der ­Caterham CSR hingegen ist Coates Vermächtnis an den legendären Seven. Er vereint alle technischen Lösungen, welche dem passionierten Konstrukteur als das Optimum für den Leichtbau-Sportwagen erschienen. 2005 feierte der Wagen seine Premiere. Er verblüffte mit innenliegenden Feder-Dämpfereinheiten an der Vorderachse (Pushrods) und mit seiner sauber geführten Doppelquerlenker-Hinterachse. Erstmals in der Seven-Geschichte wurde dazu das Chassis verlängert und verbreitert, nicht zuletzt um der Technik Platz zu schaffen. Doch auch die Passagiere profitierten, war doch der Seven bis dato äusserst knapp geschnitten. Menschen über Colin Chapman’s Körpergrösse von 1.75 Metern finden nur mit Tricks Platz im nur knapp 3.2 m langen Original.

©Christiane Specht

Für den einen Zweck

Ein Caterham kann eines besonders gut: fahren. Zu nichts anderem ist er gedacht und alle ihm eigenen Elemente sind darauf ausgerichtet. Wer das Auto nüchtern betrachtet stellt fest, dass dazu eigentlich nicht viel nötig ist: Vier Räder, ein Motor, Sitze, Lenkrad, einige Instrumente, etwas Schutz vor Wind und Wetter. Bei der Übernahme des Wagens regnet es in Strömen, folglich ist die Kapuze übergezogen. Das Verdeck ist im Prinzip ein Zelt, das – mit entsprechenden Verdeckknöpfen an Scheibenrahmen und Wagenheck gesichert – über ein simples Gestänge mit zwei Rohrbogen gespannt wird. Die Seitenscheiben sind zugleich die Türen, das Einsteigen will etwas geübt sein. Ein Bein zuerst, dann runter in die Hocke und den Kopf hineingesteckt bis weit hinüber zum Beifahrer, dann das zweite Bein nachgezogen.

©Christiane Specht

Es sitzt sich gut im Caterham, die Beine sind gestreckt, das Lenkrad steht sehr flach und der hohe Kardantunnel und die Seitenwand dienen als bequeme Armstützen. Durch das abnehmbare Momo-10-Zoll-Lenkrad fällt der Blick auf Tacho und Drehzahlmesser. Wer jetzt vergessen hat, den Schlüssel in das unter dem wahrhaften Armaturen-Brett versteckten Schloss zu stecken und diesen noch in der Hosentasche hat, steigt am Besten nochmals aus. Schon immer war es ein Gefummel, in einem Seven den Zündschlüssel zu drehen. Der CSR verlangt zwar noch danach, gestartet wir er jedoch ganz modern – respektive ganz retro – mit einem Startknopf. Der Ford Duratec 2-Liter mit 240 PS springt mit einem Grollen an. Dabei geht ein Zittern durch das ganze Auto, die Motoraufhängungen sind von der steifen Sorte. Nach Jahren der Schweizer Extrawürste darf nun auch hierzulande der Auspuff seine Abgase seitlich vor dem rechten Hinterrad ins Freie entlassen. Auffällig am direkt unterhalb der Beifahrer-Bordwand angebrachten Auspuff ist eine mit einem Kabel versehene Blechdose, die Auspuffklappe.

Ein kurzer Schalthebel ragt ideal platziert aus dem Kardantunnel. Zunächst etwas irritiert über dessen nach Rechts geneigte Kulisse erweist sich diese Anordnung als ideal, um die 6 Gänge aus dem Handgelenk heraus bedienen zu können, was allerdings am Testwagen einigen Kraftaufwand erforderte. Dafür glänzt die Caterham-Schaltbox mit ultrakurzen Wegen und einer präzisen Betätigung. Weder Lenkung noch Bremse sind Servo-unterstützt, was angesichts des geringen Wagengewichts keine Probleme bereitet, ganz im Gegenteil. Einzig die Kupplung erfordert einen erheblichen Kraftaufwand, da folgt der aktuellste Seven ganz seiner 60-jährigen Tradition.

Interessante Aussichten

Die Sicht auf die Strasse ist im Caterham einzigartig. Dank den direkt an den Achsschenkeln befestigten vorderen Kotflügelchen, Schutzbleche wäre wohl die treffendere Bezeichnung, sieht man die Räder über die Strasse tanzen, ein Fahrerlebnis wie in einem Monoposto. Damit lässt sich der Wagen trotz der weit zur Wagenmitte gerückten Sitzposition hervorragend auf der Strasse platzieren. Das Gefühl eins mit dem Wagen zu werden vermittelt der Seven wie kaum ein anderes Auto. Er gibt direktes Feedback von der Lenkung und Aufhängung. Gas, Bremse alles reagiert ungefiltert, direkt und wie durch Gedankenübertragung. Dazu kommen besonders bei offener Auspuffklappe die akustischen Reize des sehr hochdrehenden Motors und die Turbulenzen des Fahrtwindes bei abgenommenem Wetterschutz. Diesbezüglich bietet aus eigener Erfahrung der serienmässige Windabweiser durch seine wirbelärmere Luftführung noch mehr Komfort als die am Testwagen montierte Windschutzscheibe, die fünfte «Bremsscheibe» sozusagen. Darauf kommen wir später noch zu sprechen. Setzt der Caterham die Latte in Sachen gefühlter Sportlichkeit sehr hoch, so erstaunen die dafür nötigen geringen Geschwindigkeiten. Während unseres Ausflugs auf den Gurnigel vermittelte der CSR den Eindruck einer rasanten Fahrt, während ein Blick auf den Tacho Gewissheit brachte, dass alles im Grünen Bereich lag. Vermutlich ist es gerade diese Unmittelbarkeit des Fahrgefühls, die dem Seven hierzulande einen unglaublichen Erfolg beschert. Caterham-Importeur Fredy Kumschick durfte 2016 den 500sten Seven an einen Schweizer Kunden ausliefern – in die Spanne zwischen unserer kurvenreichen Topografie und rigorosen Gesetzgebung gegenüber Tempoexzessen passt der Seven ausgezeichnet.

©Christiane Specht

Diese Feststellung stammt von Colin Chapman selber. Tatsächlich bräuchte der CSR nicht zwingend eine Leistung von 240 PS. Aber man nimmt sie gerne zur Kenntnis. Vortrieb lässt sich quasi mit dem grossen Zeh’ abrufen. Das Auto zeigt sich immer äusserst kooperativ, wenn die Pferdchen bemüht sind, das Tempo in Richtung «schneller» zu verändern. Die Typenbezeichnung des Sevens spricht aus warum dies so leicht vonstatten geht. Das Leistungsgewicht des Seven beträgt eindrückliche 485 PS pro Tonne. Das entspricht ungefähr dem Wert eines aktuellen Supersportwagens. Ist die Beschleunigung bereits mehr als eindrücklich, so ist die Stras-senlage ein Traum. Der Caterham CSR erlaubt mit seinen Semi-Slicks Avon ZZS Kurvengeschwindigkeiten, die weit jenseits dessen liegen, was sich ein geübter Durchschnittsautofahrer zutraut. Selbst kleinere Schnitzer nimmt einem der Wagen dabei nicht übel. Einzig bei feuchter Fahrbahn ist Vorsicht geboten. Schnell reisst dann der Grip an der Hinterachse ab, das gilt beim hart aus der Kurve heraus Beschleunigen wie bei einer plötzlichen Gaswegnahme bei gleichzeitigem Einlenken (Lift-Off-Oversteer). Die direkte Lenkung erleichtert entsprechendes Gegenlenken ungemein. Man entwickelt im CSR eine eigene, flüssige Linie und dank des geringen Gewichts fährt sich eine kurvige Land- oder Bergstrasse fast nur mit dem Gaspedal ohne die Bremse allzu oft in Anspruch nehmen zu müssen.

Zahlen, aber…

Normalerweise begnügen wir uns bei Fahrberichten wie diesem mit den Leistungswerten des Werks. Für den CSR, einer Exklusivität für den Schweizer Markt, aber haben wir jedoch selber nachgemessen. Allem voran galt unser Interesse natürlich der Beschleunigung. 3.5 Sekunden nennen die Briten für den Sprint von 0-100. Um es vorweg zu nehmen, diesen Wert haben wir nicht erreichen können. Doch wir wollen hier niemandem überschwänglichen Optimismus vorwerfen, ganz im Gegenteil. Wir vermuten, dass das radikale Konzept eines Caterham Seven eine entscheidende Rolle spielte. Das beweist, wie sehr dieses seine Richtigkeit hat. Es geht nämlich auch hier um das Gewicht. Bester Beschleunigungswert unsereins lag bei 4.85 Sekunden. Dazu wollen wir jedoch folgende Aspekte berücksichtigen: Unser CSR war mit Frontscheibe, Türen und Dach ausgerüstet (Optionen) statt des serienmässigen Winddeflektors vor dem Cockpit. Hierzulande sind Ledersitze, Teppich und Heizung zudem Serie. Die Windschutzscheibe hat die Aerodynamik von Windsor-Castle (die bereits genannte 5. Bremsscheibe) und das zugeladene Mehrgewicht beträgt bei gemessenen rund 630 kg inklusive Flüssigkeiten ein Plus von gegen 10% gegenüber der nackten Version mit 585 kg. Wir denken, mit einem ausgeräumten, mit Leichtbau-Karbon-Sitzen und kompromissloseren Reifen versehenen CSR, vielleicht sogar mit Beifahrerabdeckung, lässt sich die Werksvorgabe erreichen. Zudem ist das Beschleunigungs-Prozedere beim Seven noch immer reine Hand- und Fussarbeit. Da gibt es weder Launch-Control noch Wippenschaltung welche in Hundertsteln die Gänge reinknallt. Nach Rückfrage beim Werk hätten wir den Motor noch höher drehen sollen, die Kupplung noch härter kommen lassen können. Allerdings ist uns der CSR gegen soviel Misshandlung viel zu sehr ans Herz gewachsen in der kurzen Zeit, in der wir das Vergnügen hatten. Und wir haben ein viel ernsteres Problem nach Abschluss dieser Begegnung: Der Caterham CSR 485 hat ausgesprochen viel Suchtpotenzial!

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