EINE LEKTION VOM MEISTER

Wenn ein Redaktor der «AR» Slalom-Schweizer-Meister Martin Bürki trifft, sprühen die Funken.

Martin Bürki auf Renault Megane, jetzt haben wir alles gesehen!» Die Reaktion der Kommissäre am Start zum Slalom von Drognens FR lustig. Am Tag vor dem Lauf zur Schweizer Meisterschaft trat der fünffache Slalom-Schweizer-Meister, der heuer seinen Titel erfolgreich verteidigt hat,  nämlich mit einem ungewohnten Wagen an. Mit  dem des Autors dieses Artikels nämlich. Also einem bis hin zu den Reifen serienmässigen Renault Megane RS. Der Vorschlag, im Tandem mit dem gleichen Auto anzutreten, kam vom Champ selbst. Auch wenn mir Angst und Bange wurde, mich mit einem Fahrer seines Kalibers zu messen, sagte ich sofort zu. Das ist eine Traumgelegenheit, konnte ich doch gleich von den Tipps des derzeit besten Slalom-Fahrers des Landes profitieren und miterleben, was dieser im Feld der besten Amateure anstellen kann.

Meister Bürki weiht AR-Redkator Rossel in die Geheimnisse der automobilen Slalom-Kunst ein.

6.30 Uhr: Es geht los

Es ist noch dunkel, als wir auf dem Kasernengelände von Drognens ankommen. «MB», wie der Meister genannt wird, bringt seine Aufkleber am Wagen an, während ich meine abhole. Aus organisatorischen Gründen entscheidet die Direktion, den Uetendorfer in die Kategorie L2 für modifizierte Autos einzuteilen, während ich in der L1 der Serienfahrzeuge fahre. Schade, so hinkt der Vergleich. Aber die Stoppuhr lügt ja nicht. Weil ich nicht sicher war, ob der alte Fuchs zur Gewichtsoptimierung mit möglichst leichtem Gerät antreten will, lasse ich den Tank fast leer. Aber nichts da: «Gehen wir tanken, mindestens zur Hälfte, wir wollen mehr Last auf den Stossdämpfern. Dann schauen wir uns den Reifendruck an», ergreift Bürki die Initiative. Im Parc Fermé pumpt dieser mehr Luft in die Vorderräder. «Ich will fahren, nicht bummeln», lächelt er. Und beruhigt mich: «Du wirst sehen, das Auto ist so stabiler.»

7.30 Uhr: Maximale Attacke

«Auf in den Kampf!» Der fünffache Schweizer Meister erteilt mir vor dem ersten Trainingslauf einige Ratschläge. Ich versuche, mich auf dem Kurs, den ich zuletzt 2014 ein einziges Mal befahren hatte, zu orientieren. Doch: Verpasstes Bremsen, unsichere Linie und quietschende Pneus, ich mache alles falsch und bekomme die Quittung: Kümmerlichen 2:37,53. Der Slalom ist eindeutig eine Geduldsübung, die sich nicht mit den mir mehr vertrauten Rundstreckenrennen vergleichen lässt. «Ich sehe an den Seitenwänden der Reifen sofort, dass du zu viel Lenkeinschlag gegeben hast», ruft Martin Bürki. «Du bringst zu viel Tempo ein und zwingst das Auto.» Der Meister tritt jetzt zum Start der L2 an. Er verbucht bescheidene 3:23,58. «Ich fuhr langsam und sauber, wie eine Oma vor dem Supermarkt!»

10.30 Uhr: Mit Ruhe

Für den zweiten Trainingslauf bin ich entschlossen, es gemächlich anzugehen und mich auf die Linie zu konzentrieren. Was die Zeit angeht, bringt auch diese keinen Ruhm: 2:38,18, aber das ist egal. «Siehst Du, mit dem sanften Fahren warst du so schnell wie mit der Brechstange», lobt Bürki, der kurz darauf 2:22,31 vorgibt. «Ich fuhr nicht sauber, habe zwei Bremsungen verpatzt und blieb in der Schikane vor dem Waffenplatz im vierten Gang. Nicht erfüllt!» «Das Bessere ist der Feind des Guten», meint der clevere Mann. Und: «Fehler machen ist okay, solange man sie nicht wiederholt.» Bürki hat grösste Bewunderung für Walter Röhrl, «weil er sich an alles anzupassen versteht.»

13.15 Uhr: Überraschung

Um die Strecke mit dem Velo und dem Scooter abzufahren, liessen wir das Mittagessen aus. Nun steht der erste Rennlauf an. Abgesehen von einem falschen Einlenken beim Gebäude vor dem Teerplatz bin ich zufrieden. Die Stoppuhr bestätigt die gute Zeit mit 2:31,48, was eine Verbesserung von 6 Sekunden gegenüber der Zeit am Morgen bedeutet. Ohne den Fehler wären 2:29 dringelegen und die Chance auf den 3. Rang in meiner L1-Gruppe. Jean-Michel Gauthey (Renault Megane mit Halb-Slicks) und Steve Meuwly (Honda Civic) sind mit 2:25,84 und 2:26.92 unantastbar. «MB» hat noch stärker zu kämpfen in der L2 -Gruppe mit den Allradlern und deren Modifikationen. Aber welch Wunder! Mit 2:21,95 büsst der Meister nur 9 Zehntel gegen den Mitsubishi Lancer von Stéphane Indermuhle ein – eine unglaubliche Leistung angesichts der Unterschiede der Autos.

15.30 Uhr: Immer schneller

Jetzt folgt die Gelegenheit, eine Bestleistung hinzulegen, bevor der auf 16 Uhr angekündigte Regen einsetzt. Mit viel Selbstvertrauen fliege ich viel schneller durch die Schikanen, aber dann nehme ich zu viel Tempo in die Einfahrt zum Waffenplatz mit. Verflixt! Mit 2:32,29 ist alles verpatzt, aber der Fehler ist nicht so frustrierend, weil ich meinen Rhythmus gefunden habe. Für «MB» wird der letzte Lauf noch schwieriger. Die ersten Regentropfen fallen, die Strecke wird nass, die Hinterreifen sind am Ende. Der Megane bricht beim ersten Bremsen aus. «Damit ist mir klar, dass wir nicht mehr viel machen können.» Ich hätte mich geschlagen, als ob die Meisterschaft auf dem Spiel stünde, versichert mir Martin Bürki, der seine Zeit mit 2:21,55 sogar noch verbessert. Leider brachte ihm eine Berührung mit einer Pylone eine 10-Sekunden-Strafe ein, während Indermuhle mit 2:21,10 alles klarmacht. Die Leistung des Meisters lässt nur eine Reaktion meinerseits zu: grösste Hochachtung!


Vierter Titel in Folge

 

Mit dem vierten Titel in Serie hat Martin Bürki etwas geschafft, was vor ihm noch keiner – auch der legendäre Fritz Erb nicht – erreicht hat. Erb brachte es auf drei Titel in Folge. «Ich bin froh, dass alles so gut aufging. Schliesslich muss man jedes Rennen, trotz Top-Vorbereitung, zuerst ins Ziel bringen.  Selbstverständlich mache ihn seine Rekordmarke stolz, sagt Martin Bürki. Neun Kategoriensiege und deren fünf bei den Tourenwagen stehen vor dem letzten Rennen auf der Haben-Seite des Oberländers aus Uetendorf. Eine Leistung, die auch seinen Vater freut: «Ich bin Bauunternehmer, ich konnte ihm bei seinem Sport nicht helfen. Aber es ist gut rausgekommen. Ich bin stolz darauf, was mein Sohn leistet. Er ist ein Artist auf der Strecke.» Und was den Vater besonders freut: «Er sagt immer, er fahre nie über dem Limit.»  Was seine Leistung angeht, meint Martin Bürki, «habe ich das Ende der Fahnenstange so ziemlich erreicht. Mehr geht mit diesem Auto nicht.» Trotzdem wolle er versuchen, noch besser zu werden. «Und das fängt bei mir mit meiner physischen, fahrerischen und mentalen  Stärke an.» Tja, so reden Champions.  

Stolze Eltern.

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